Waldenau. Janne Friederike Meyer-Zimmermann war nach der Geburt ihres Sohnes dieses Jahr überraschend erfolgreich. Welche Gründe sie dafür nennt.
Der goldene Siegerpokal als letztes Zeichen eines überaus erfolgreichen Jahres steht auf dem Tresen ihres Büros. Janne Friederike Meyer-Zimmermann hat ihn Anfang Dezember gewonnen, beim Weltcupspringen in La Coruna (Spanien), und auch wenn es beileibe nicht der erste und auch nicht der sportlich wichtigste Triumph der Saison 2022 war, misst Hamburgs beste Springreiterin ihm eine besondere Bedeutung bei.
„La Coruna war ein toller Abschluss dieses Jahres, vor allem, weil mein Siegerpferd Messi davor noch kein großes Hallenturnier absolviert hatte. Wir wussten nicht, wo wir stehen. Dieser Sieg hat mir gezeigt, dass ich wirklich wieder voll dabei bin“, sagt die 41-Jährige.
Hamburger Springreiterin zurück in der Weltspitze
Keine Frage, das ist sie. Mittendrin in der Weltspitze, und das deutlich schneller, als sie zu Jahresbeginn zu hoffen gewagt hatte. Um die Saison 2022 noch einmal Revue passieren zu lassen, hat Janne Friederike Meyer-Zimmermann, die an diesem Wochenende in Frankfurt am Main das letzte Turnier des Jahres bestreitet, auf ihren Hof Waterkant im Pinneberger Ortsteil Waldenau geladen.
Ihr am 31. Januar dieses Jahres geborener Sohn Friedrich lauscht dem Gespräch einige Minuten andächtig in seiner Babywippe, dann will er mitreden und bringt mit seinem lustigen Glucksen die Mama und den Reporter immer wieder zum Lachen. Dieser kleine Mensch, der das Leben der Leistungssportlerin Meyer-Zimmermann so nachhaltig verändert hat, und der der Grund dafür ist, dass sie sich in diesem Jahr mehrfach selbst überraschte.
Sieg in Hagen im April war wie ein „Erweckungserlebnis“
„Am meisten hat mich erstaunt, wie sehr man tatsächlich mit seinen Aufgaben wachsen kann“, sagt sie. „Ich war immer ein sehr flexibler Mensch mit viel Tatendrang, der in Lösungen gedacht hat. Aber Mutter zu sein, das ist eine Aufgabe, auf die ich nicht vorbereitet war, und von der ich befürchtet habe, ihr nicht gewachsen zu sein.“ Tatsächlich hatte sie in den Wochen nach der Geburt auch ein Karriereende nicht komplett ausgeschlossen, weil sie fürchtete, mit der Dreifachherausforderung aus Familie, der Bewirtschaftung des Hofes und des Dauerdrucks im Leistungssport nicht zurechtzukommen.
Dann jedoch kam im April ihr völlig überraschender Sieg beim Start der nationalen Turnierserie Riders Tour in Hagen am Teutoburger Wald, beim ersten großen Auftritt nach der Geburt. „Das war der erste Höhepunkt meines Jahres, ein echtes Erweckungserlebnis, das mir gezeigt hat, dass meine Entscheidung, noch einmal alles in das Comeback zu investieren, richtig war“, sagt sie. Die Zweifel, körperlich nicht zu alter Form zurückzufinden, hatten sich in Luft aufgelöst, die Arbeit mit einer Personaltrainerin und im Trainingslager in Spanien zahlte sich aus. „Ich habe in dieser Phase meinen Körper noch einmal vollkommen neu kennengelernt und arbeite seitdem viel fokussierter und bewusster, weil ich jetzt viel besser weiß, was mir guttut“, sagt sie.
Highlight der Saison war Nationenpreisfinale in Aachen
Das Highlight ihrer Saison allerdings war das Nationenpreisfinale beim CHIO in Aachen Anfang Juli, wo sie der deutschen Equipe mit zwei Nullfehlerritten zum Sieg verhalf. „Für das Team reiten zu dürfen war schon wunderbar, aber dann mit der Doppelnull so liefern zu können, das war einfach nur sensationell“, sagt sie. Seitdem ist die Überzeugung zurück, es 2024 in Paris zum zweiten Mal nach London 2012 in den Kader für die Olympischen Sommerspiele schaffen zu können. „Das ist auf jeden Fall mein Fernziel, für das ich alles gebe“, sagt sie.
2023 soll dafür ein Aufbaujahr werden. Janne Friederike Meyer-Zimmermann weiß, dass ihre beiden Spitzenpferde Messi und Minimax nicht ausreichen, um dauerhaft auf Vier- und Fünfsterneturnieren Punkte für die Weltrangliste sammeln zu können. „Ich muss meine Pferdetruppe breiter aufstellen, damit auf den einzelnen Tieren nicht zu viel Last liegt. Messi und Minimax konnten einander in dieser Saison gut unterstützen, aber ich brauche mehr Breite in meinem Team, um für 2024 bereit zu sein“, sagt sie. Die Freiräume dafür hat sie sich dank der Unterstützung von Ehemann Christoph, ihrer Eltern und Schwiegereltern und ihres Teams geschaffen. Eine feste Nanny, nach der das Paar gesucht hatte, ist dagegen immer noch nicht gefunden.
Ohne Hilfe hätte es die Reiterin nicht geschafft
„Ich habe kein Problem damit einzugestehen, dass ich es ohne Hilfe nicht zurück in die Spitze geschafft hätte. Mein Respekt vor alleinerziehenden Müttern und Vätern ist enorm gewachsen. Aber mir ist auch extrem wichtig, für Friedrich da zu sein, er ist meine erste Priorität“, sagt sie. Die Zeit mit der Familie genieße sie intensiv, „ich schaue bei Hotelbuchungen jetzt vor allem darauf, ob sie kinderfreundlich sind und nah an der Reitanlage liegen.“
Dennoch habe sie gelernt, sich auf die Hilfe anderer zu verlassen, um ihr Kind gut versorgt zu wissen. „Das muss ich allein schon aus Respekt vor meinen Pferden, denn in der Vorbereitung auf die Wettkämpfe und bei den Wettkämpfen muss ich zu 100 Prozent für die Tiere da sein. Auch da trage ich Verantwortung für andere Lebewesen“, sagt sie. Friedrich, der seine Eltern auf allen Reisen begleitet, scheint darunter nicht zu leiden. Er ist ein echter Sonnenschein, lacht viel und wirkt so, als sei die Bindung an seine Mutter naturgemäß hoch.
Im kommenden Jahr will Janne Friederike Meyer-Zimmermann im April beim Weltcupfinale in Omaha (USA) starten. Ihren Saisonauftakt hat sie vom 19. bis 22. Januar in Leipzig geplant. Und dann ist da ja noch das eigene Turnier, das sie mit ihrem Mann und ihrem Team seit 2021 auf Hof Waterkant veranstaltet. „Unser Gelände ist dafür eigentlich zu klein, die Infrastruktur und Logistik sind schwierig. Aber wir hatten so eine tolle Resonanz und ein sehr gutes Gespräch mit der Pinneberger Bürgermeisterin, sodass wir 2023 die dritte Auflage planen“, sagt sie. Als Termine sind der 26. bis 30. Juli und der 2. bis 6. August in der engen Wahl.
Die Reiterin kämpfte erfolgreich für die Besserstellung von Müttern
Das Geschäft im Pferdehandel, das vorrangig ihr Ehemann führt, hat sich stabilisiert, „wir sind wieder fast auf Vor-Corona-Niveau“. Und noch einen Erfolg konnte die Mannschaftsweltmeisterin von 2010 verbuchen, die aktuell für den Norddeutschen und Flottbeker Reiterverein (NFR) startet, aber 2023 mit dem eigens gegründeten Reitverein Hof Waterkant Hamburg-Holstein e. V. ihre Geburtsheimat Hamburg und die Wahlheimat Schleswig-Holstein verbinden will.
Ihr Kampf mit dem Weltverband FEI um eine fairere Behandlung von Müttern, die auf die Turniertour zurückkehren, war erfolgreich. Statt sechs Monaten Zwangspause zum Mutterschutz einlegen zu müssen, in denen keine Punkte für die Weltrangliste erkämpft werden können, sollen es nur noch drei sein. „Unser Ziel war zwar 100 Prozent Flexibilisierung, um allen Müttern die Freiheit zu verschaffen, ihre Rückkehr in Absprache mit ihren Ärzten selbst zu bestimmen. Aber das ist ein erster wichtiger Schritt“, sagt sie.
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Alles Gold also in 2022 für Janne Friederike Meyer-Zimmermann? Nicht ganz. Der Umbau ihres Privathauses auf Hof Waterkant, der schon hätte abgeschlossen sein sollen, verzögert sich, sodass die kleine Familie seit Wochen bei Jannes Schwester in Blankenese wohnt und auch nicht zu Hause Weihnachten feiern kann. „Aber wir werden von der Familie so gut aufgefangen, dass uns auch das nicht die Laune verdirbt“, sagt sie. Alles andere wäre auch wirklich schade nach diesem Jahr voller positiver Überraschungen.