Hamburg. Das neue Format der Triathlon-WM, das erstmals in Hamburg ausgetragen wird, bietet viel Action für die Fans. Athleten auch begeistert.
Ein wenig verwirrt stolperte Lasse Nygaard Priester durch den Zielbereich vor dem Rathaus, und man konnte es ihm nicht verdenken. „Ist es Platz zehn oder elf?“, fragte der aus Quickborn stammende Nationalkader-Triathlet die Umstehenden, und als die Ergebnisliste ihn als Elftplatzierten des ersten von zwei Vorläufen bei der Supersprint-WM in der Hamburger Innenstadt auswies, waren Enttäuschung und Ärger gleichermaßen aus dem Gesicht des 27-Jährigen zu lesen.
Ein Platz unter den besten zehn wäre notwendig gewesen, um sich direkt für die Finalläufe an diesem Sonnabend (16.20 bis 19.40 Uhr/ARD) zu qualifizieren. Als Elfter musste der deutsche Meister am Freitagabend nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe in die Hoffnungsrunde, die in zwei 20er-Gruppen ausgetragen wurde, aus der die jeweils besten fünf das Top-30-Feld für den Sonnabend auffüllten.
Bis zu fünf Rennen bis zum Titel
Noch nie zuvor war in Hamburg, immerhin seit 2009 ununterbrochen Standort der Weltserie im Dreikampf, ein Einzelrennen im Supersprintformat ausgetragen worden. 300 Meter Schwimmen, 7,5 Kilometer Radfahren und 1,6 km Laufen stehen dabei auf dem Programm.
Was nach wenig klingt, wird zu einer großen Herausforderung, wenn man weiß, dass die WM-Titel bei Frauen und Männern erst nach drei Finalläufen vergeben werden. Das bedeutet: Wer eine Medaille will, muss im härtesten Fall fünf Wettkämpfe binnen 36 Stunden überstehen. Am Sonnabend starten zunächst die Top 30 gegeneinander, danach die besten 20, bis schließlich die stärksten zehn die Titel untereinander ausmachen.
„Es ist ein wirklich spannendes und anspruchsvolles Format. Für die Fans ist es super, weil dauernd etwas passiert. Für uns Athletinnen ist es hart, weil es nicht anders als mit Dauer-Vollgas geht. Das Rennen hat uns allen weh getan“, sagte am Freitagmittag nach dem zweiten Vorlauf der Frauen die beste deutsche Triathletin Laura Lindemann.
Fünf deutsche Frauen im Finale
Die 27-Jährige aus Potsdam hatte sich nach 21:52 Minuten als Dritte die Startberechtigung für die Finalläufe gesichert, mit nur einer Sekunde Rückstand rutschten zeitgleich auf Rang fünf und sechs auch Annika Koch (24/Griesheim) und Marlene Gomez-Göggel (30/Ulm) durch.
Während Lindemann das Format schon 2021 beim Testevent in Montreal (Kanada), wo im vergangenen Jahr erstmals WM-Medaillen im Supersprint vergeben worden waren, kennengelernt hatte, war es für Lisa Tertsch (24) Neuland.
Die deutsche Meisterin aus Darmstadt zeigte sich nach Rang vier (22:06 Minuten) im etwas langsameren ersten Vorlauf erleichtert darüber, sich einen freien Freitagabend erkämpft zu haben. „Die größte Herausforderung ist, morgen drei Rennen an einem Tag zu bestreiten. Das Taktieren dafür ist nicht einfach, ich muss mir gut überlegen, wie ich meine Kraft einteile“, sagte sie.
Zwei deutsche Männer direkt weiter
Als Siebte erlief sich zeitgleich Anabel Knoll das Ticket für die Finalrunden. Die 27-Jährige aus Ingolstadt war ein gutes Beispiel dafür, dass der Supersprint gewohnte Rangordnungen durcheinanderwirbeln kann. „Ich hätte nie gedacht, dass ich es direkt ins Finale schaffen würde. Aber dann lief es so gut, dass ich es durchziehen konnte. Die Top 30 waren mein Ziel, das habe ich jetzt schon erreicht, also kann ich es morgen ganz entspannt angehen“, sagte sie strahlend.
Fünf aus sieben direkt im Finale, das war eine herausragende Quote für die deutschen Frauen. Bei den Männern schafften es in Simon Henseleit (23/Nürnberg) als Siebter des ersten Vorlaufs (19:57 Minuten) und Tim Hellwig (24/Saarbrücken/19:47) als Fünfter des zweiten Durchgangs nur zwei von sieben direkt.
Tatsächlich, das wurde am Auftakttag deutlich, kommt es im Supersprint noch mehr auf Kleinigkeiten an als auf der Sprintdistanz (750 m Schwimmen, 20 km Rad, 5 km Laufen). Die Wechsel müssen passen, zudem müssen die Aktiven darauf achten, sich nicht zu weit hinten im Feld einzuordnen, weil schon Zeitverluste von wenigen Sekunden über das Weiterkommen entscheiden können.
Verzicht auf Einspruch
Zudem sind Unfälle auf der Strecke kaum auszumerzen. Leidtragender davon war Lasse Priester, der kurz vor der Zielgeraden auf der Laufstrecke abstoppen musste, weil Lasse Lührs (27/Bonn) vor ihm ins Straucheln geraten und gestürzt war.
„Mir ist jemand von hinten in die Hacken gelaufen, da konnte ich überhaupt nichts machen“, sagte Lührs, der sich aussichtsreich in Position gebracht hatte und nun mit Schürfwunden am Bein und der Aussicht auf den Hoffnungslauf ziemlich zerknirscht wirkte. Auf einen Einspruch verzichtete die deutsche Delegation, da sich der Unfallverursacher nicht zweifelsfrei ausmachen ließ.
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„Das war wirklich Pech“, sagte Lasse Priester, der seinen Kampfgeist aber schon kurz nach der Ernüchterung wieder zum Leben erweckte. „Jetzt muss ich erstmal das Laktat aus dem Körper kriegen, dann gut essen, schlafen und heute Nachmittag regenerieren, um im Hoffnungslauf voll anzugreifen.“
Bundestrainer will keine Spezialisierung
Eine besondere Vorbereitung auf das Format, das die meisten lediglich aus der Mixedstaffel kennen, die am Sonntag (14.15 Uhr/ARD) das WM-Programm beschließt, sei bislang noch nicht nötig, sagte Chefbundestrainer Thomas Moeller.
„Unser Training deckt von Supersprint bis zum halben Ironman alles ab. Zwar kann man mit 200-Meter-Tempoläufen vor einem Supersprint einen Reiz für die Beinschnelligkeit setzen, aber letztlich müssen die Athletinnen und Athleten auf Topniveau alles können.“ In erster Linie sei die mentale Einstellung entscheidend. „Es geht nur Hopp oder Topp. Wer im Lauf merkt, dass die Top Ten außer Reichweite ist, sollte locker auslaufen. Ansonsten muss man voll ans Limit gehen“, sagte er.
Selbst wenn der Supersprint 2032 in Brisbane (Australien) olympisch werden würde, sei eine Spezialisierung nicht vorgesehen, weil die Aktiven auch die traditionelle olympische Distanz (1,5 km Schwimmen/40 km Rad/10 km Laufen) absolvieren müssten. „Wir brauchen beides, Ausdauer und Tempo“, sagte der Bundestrainer. Was daraus wird, wenn man beides hat, das wird die Weltelite an diesem Hamburger WM-Wochenende eindrucksvoll unter Beweis stellen.