Hamburg. US-Quarterback Preston Haire soll Hamburgs American-Football-Team Sea Devils zum Titel in der Europaliga ELF werfen.
An der Auswahl seiner Kleidung ist abzulesen, dass Preston Haire neu in Hamburg ist. Für einen, der aus Texas stammt und sein bisheriges Leben in den USA verbracht hat, mag es logisch sein, im Mai Shorts und T-Shirt zu tragen, wenn die Sonne scheint. Dass in seiner neuen Heimat die Menschen bei zweistelligen Temperaturen zwar Cabrio fahren, aber dazu Daunenjacke tragen, gehört zu den vielen Dingen, die der 25-Jährige noch lernen wird.
Aber wenn man den Menschen glaubt, die seit einer Woche eng mit ihm zusammenarbeiten, dann dürfte der Lerneffekt nicht lang auf sich warten lassen. „Bei Preston passiert alles schnell. Er wirft schnell, läuft schnell, lernt schnell. Er ist ein überdurchschnittlicher Spieler, und als Mensch und Anführer ist er außergewöhnlich“, sagt Brett Morgan.
Der 39 Jahre alte US-Amerikaner ist der neue Offensive Coordinator der Hamburg Sea Devils und in seiner Funktion so etwas wie der Vorgesetzte des Mannes, der die Hamburger in der am 3. Juni mit einem Gastspiel bei den Wroclaw Panthers in Polen beginnenden dritten Saison in der American-Football-Europaliga ELF als Quarterback anführen soll.
Haire ist selbstbewusst, aber kein Lautsprecher
Was ihn dazu befähigt, umreißt Preston Haire in für US-Profifootballer zwar typischem Selbstbewusstsein, aber doch mit viel Bedacht. „Ich habe das vergangene Jahr genutzt, um mental und physisch auf ein neues Level zu kommen“, sagt der 1,83 Meter große Spielmacher, der am College für die Oklahoma Baptist Bisons auflief.
Ein Kurztrainingslager bei den New Orleans Saints aus der US-Eliteliga NFL konnte er im vergangenen Jahr ebenso wenig wie Vorspielgelegenheiten in den zweitrangigen Profiligen CFL und XFL nutzen, um sich für einen Vertragsabschluss zu empfehlen.
Also freundete er sich mit dem Gedanken an, die Profikarriere in Übersee fortzuführen. Und weil er dank der Verbindung zu Brett Morgan auf die ELF aufmerksam geworden war, begann er sich mit der Historie seines Sports in Europa zu beschäftigen. „Ich habe einiges über die Zeit gelesen, als es die NFL Europe gab. Schon damals waren die Sea Devils ein großes Team, und ich bin sehr gespannt darauf, nun ein Teil davon zu sein“, sagt er.
Der Neue will Anführer sein
Weil man im Leben niemals eine zweite Chance bekommt, einen ersten Eindruck zu hinterlassen, habe er sich vom ersten Training an vorgenommen, „mein Wissen mit meinen neuen Mitspielern zu teilen und ihnen ein ruhiger und richtiger Anführer zu sein.“ Überrascht sei er dennoch gewesen, wie schnell er in die Gemeinschaft der Meeresteufel aufgenommen wurde. „Die Herzlichkeit, mit der meine Mitspieler und alle im Club mich hier willkommen heißen, weiß ich sehr zu schätzen.“
Dass er mit Verantwortung umzugehen weiß, lässt sich aus seiner Vita ablesen. In der achten Klasse an der Highschool lernte er seine große Liebe Emalee kennen. Mit 19 führte er sie vor den Traualtar, zwei Jahre später wurde die gemeinsame Tochter Fallon geboren, im Januar 2022 folgte die zweite Tochter Braelynn.
Frau und Kinder ziehen im Juli nach
Die Familie wird im Juli zu ihm nach Farmsen ziehen, „und dass die Sea Devils mir ermöglichen, meine Frau und meine Kinder bei mir zu haben, hat eine wichtige Rolle beim Vertragsabschluss gespielt. Es wird eine bereichernde Erfahrung für uns alle, gemeinsam eine neue Kultur kennenzulernen“, sagt er.
So früh Vater geworden zu sein, habe auch seine Perspektive auf den Beruf verändert. „Ich war immer schon ein für mein Alter reifer Mensch, aber ich arbeite seitdem noch disziplinierter und fokussierter“, sagt er. Niemand solle glauben, er sehe seine erste Auslandsstation in erster Linie als Erweiterung des Horizonts.
Haire studiert im Bus Spielzüge
„Das ist hier definitiv kein Urlaub für mich. Natürlich möchte ich Land und Menschen kennenlernen, aber eine Balance ist wichtig.“ Und so nutzt er den in Texas vollkommen unbekannten öffentlichen Nahverkehr, um in Bus und Bahn Spielzüge zu studieren. Auch Fahrradfahren steht bei ihm hoch im Kurs. „Das machen in den USA nur Kinder. Deshalb fühle ich mich an meine Kindheit zurückerinnert“, sagt er.
Ein Kinderspiel wird die ELF zwar nicht für den neuen Anführer, Cheftrainer Charles Jones allerdings ist überzeugt, dass Preston Haire die Offensive „auf ein neues Level heben“ kann. In den Planspielen von Brett Morgan, der die Offensive in der Vorbereitung auf links krempelt und viele neue Optionen einstudieren lässt, ist der Mann, der mit der Rückennummer zwölf auflaufen wird, als unbestrittener Starter eingeplant.
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Die beiden deutschen Quarterbacks Salieu Ceesay und Moritz Maack, die in der vergangenen Saison nicht immer höchsten Ansprüchen genügten, sollen von ihm lernen. „Sie sind sehr talentiert und die besten Teammates, die man sich vorstellen kann“, sagt der Neue höflich über seine Vorgänger.
Am Freitag ist er beim HSV
Ein Lautsprecher, so viel wird beim ersten Gespräch deutlich, ist er nicht, dieser Preston Haire. Natürlich wisse er um die Erwartungshaltung in Hamburg, dass nach zwei Finalniederlagen in den ersten beiden ELF-Spielzeiten im dritten Anlauf der Titel folgen soll.
„Das wollen wir alle, aber es ist ein Prozess, den wir Schritt für Schritt gehen müssen“, sagt er. Dass ihm im ersten Heimspiel gegen Düsseldorf Rhein Fire am 11. Juni bis zu 30.000 Fans im Volksparkstadion auf die Hände schauen werden, findet er „sehr spannend, an der Highschool habe ich maximal vor 25.000 Menschen gespielt.“
An diesem Freitag wird er sich auf Einladung des HSV bei dessen Heimspiel gegen Paderborn mit der Atmosphäre vertraut machen. Jetzt muss ihm nur noch jemand sagen, dass man sich in Hamburg manchmal warm anziehen muss.