Norderstedt. Die Hamburger Voltigiererin Kathrin Meyer erläutert, wer die wichtigen Menschen hinter ihrem Sieg im Weltcupfinale sind.
Kathrin Meyer ist gerade dabei, ihr gesamtes Team zu loben, als sich die Tür zur kleinen Gaststätte im Hof Nordpol öffnet und Heiko Bade den Raum betritt; der Mann, der mit seiner Ehefrau Sabine die Reitanlage in Norderstedt leitet.
„Ich habe eine Überraschung für dich“, sagt er und erzählt der erstaunten 22-Jährigen, dass ein befreundeter Schlosser ihren alten Holzschrank, in dem sie auf Turnieren ihr Equipment transportiert, zum Nulltarif durch eine Maßanfertigung aus Metall ersetzen wird. Kathrin und ihre Mutter Sonja Meyer, die neben ihr sitzt, haben Tränen der Rührung in den Augen, als Bade wieder geht.
Es sind Anekdoten wie diese, die beschreiben, wie das System Leistungssport in Nischensportarten wie dem Voltigieren häufig funktioniert, und die gleichzeitig unterstreichen, warum Kathrin Meyer zur aktuell erfolgreichsten deutschen Athletin der Akrobatik auf dem Pferderücken werden konnte.
Voltigieren: Sieg im Weltcup vor 6000 Fans
Am vergangenen Sonnabend gewann die Langenhornerin in Omaha (US-Bundesstaat Nebraska) auf ihrem 16 Jahre alten Oldenburger Wallach San Classico S und longiert von ihrer Mutter das Weltcupfinale. Es war ihre Premiere in diesem Wettbewerb, nachdem sie 2022 WM-Vierte im Einzel und 2021 Teamweltmeisterin gewesen war.
Auch wenn Kathrin Meyer den WM-Ehren sportlich eine etwas höhere Bedeutung einräumt, weil sie sich in Omaha nur gegen sieben Konkurrentinnen behaupten musste, hat dieser Titel für sie einen besonderen Stellenwert. „Ich konnte erstmals mit eigenem Pferd einen solch hochklassigen Wettkampf gewinnen. Außerdem waren beim Finale 6000 Zuschauer da, vor so vielen bin ich noch nie aufgetreten“, sagt sie.
In den USA ist das Voltigieren praktisch unbekannt, viele Fans hätten sie nach ihrem Sieg begeistert angesprochen und sich für die anregende Kür bedankt. „Das war für mich eine große Ehre und ein tolles Gefühl, als Vorbild wahrgenommen zu werden“, sagt sie.
Erstes Training mit vier Jahren
Als Vierjährige hatte sie ihre Mutter, die früher zum Bundeskader im klassischen Springreiten zählte, bei Ivonne Heitmann in Tangstedt zum Voltigieren geschickt, weil sie den Umgang mit Pferden erlernen sollte. „Mich hat der Sport sofort gepackt und nie mehr losgelassen, auch wenn ich einige andere Sportarten ausprobiert habe. Richtig reiten kann ich aber bis heute nicht“, sagt Kathrin Meyer. Was natürlich charmant untertrieben, aber angesichts der Komplexität ihres Sports dennoch nicht ganz falsch ist.
Von den rund 20 Stunden, die sie pro Woche ins Training investiert, verbringt sie maximal die Hälfte auf dem Pferderücken. Zweimal die Woche geht es für eineinhalb Stunden ins Fitnessstudio, weitere zwei bis drei 90-Minuten-Einheiten absolviert sie auf dem „Movie“, einem per Motor angetriebenen Holzpferd, auf dem sich die Turnelemente akribisch einstudieren lassen.
Dazu kommen mehrere Stunden Turntraining am Boden, um die Technik zu perfektionieren. Dafür fährt die 1,78 Meter große Athletin zwei- bis dreimal pro Woche in den Landkreis Stade, wo sie beim RV Fredenbeck, dem sie seit 2018 angehört, bei Gesa Bührig trainiert.
Bundestrainer wichtigster Ansprechpartner
Um sich in der Weltspitze zu behaupten, braucht es allerdings noch einige Menschen mehr um das Kernteam aus Voltigiererin, Longenführerin und Pferd herum. In Omaha war Kai Vorberg, der zu dieser Saison das Amt des Bundestrainers Voltigieren übernahm und sich beim Weltcupfinale auch über die Siege von Jannik Heiland im Männereinzel und des Duos Chiara Congia/Justin van Gerven freuen durfte, wichtigster Ansprechpartner.
Außerdem war die Osteopathin und Physiotherapeutin Gyde Dendler als Betreuerin für San Classico S in den USA dabei, weil dieser auch Heiland zum Sieg tragen sollte. „Was sie für das Pferd geleistet hat, war Wahnsinn“, sagt Sonja Meyer, die sich täglich um die Fitness des Wallachs kümmert, „ohne sie wären die Erfolge nicht möglich gewesen. Ich habe Sunny noch nie so entspannt erlebt.“
Pferd Sunny ist vollwertiges Familienmitglied
Das Wohlergehen ihres einzigen eigenen Pferds, das seit 2013 im Besitz der Meyers ist und als vollwertiges Familienmitglied angesehen wird, steht immer vornean. „Sunny ist ein klassisches Dressurpferd, er ist in den USA von vielen Dressurreitern gelobt worden. Auf ihm fallen mir meine Wettkämpfe leichter als auf allen anderen Pferden“, sagt Kathrin Meyer.
Das Grundprogramm, mit dem sie in Omaha die Wertungsrichter überzeugte, hatte die Hamburgerin mit ihren Fredenbecker Trainern ausgearbeitet. Daraus entwickelte die Norderstedter Tanzpädagogin Antonia Reumann die tänzerische Choreographie, die Kathrin Meyer in vier intensiven Einheiten im Tanzstudio einübte. „In der Form habe ich so etwas zum ersten Mal erarbeitet“, sagt sie.
Ihre Physiotherapeutin Silke Anselmino hatte deshalb mehr Arbeit als gewöhnlich, um die physische Leistungsfähigkeit zu optimieren. „Alle diese Menschen haben einen großen Anteil an unserem Erfolg“, sagt Kathrin Meyer, die bereits seit 2015 dem Bundeskader angehört.
Bauunternehmen Weidler ist ihr Sponsor
Voltigieren finanziell auskömmlich zu betreiben, das ist in Deutschland nicht denkbar. Im Bauunternehmen Wilhelm Weidler hat sie zwar einen Sponsor, die Unterstützung auf dem Hof Nordpol, wo „Sunny“ seit fünf Jahren steht, ist ebenfalls hoch willkommen.
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Den Hauptteil der Finanzierung trägt aber ihre Mutter, die als Chemikerin das Produktmanagement eines Hamburger Großkonzerns leitet. „Die Mutter-Tochter-Beziehung ist nicht immer einfach, aber wir haben eine klare Aufgabenteilung, so dass es keine Streitigkeiten mehr gibt“, sagt Kathrin Meyer.
Um sich noch professioneller auf die EM Ende Juli in Schweden und die WM 2024 in der Schweiz vorbereiten zu können, will sie nach Abschluss ihres Bachelorstudiums in Sportmanagement im Herbst in die Sportfördergruppe der Bundeswehr eintreten. Der Teamspirit allerdings wird immer die wichtigste Zutat im Meyerschen Erfolgsrezept bleiben.