Hamburg. Entscheidung und Vorgehen des Senats, die Pläne für ein Drittliga-Stadion zu begraben, sorgen fraktionsübergreifend für Empörung.
Freude bei Altona 93, Unverständnis bei Teutonia 05, Empörung bei Altonaer Bezirkspolitikern: Dass am künftigen Fern- und Regionalbahnhof Diebsteich ein Regionalliga- und kein Drittliga-taugliches Stadion gebaut wird, hat bei den Betroffenen unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.
Am Donnerstagabend hatten Vertreter von vier Hamburger Behörden im Altonaer Rathaus vor dem Hauptausschuss der Bezirksversammlung die im Grundsatz bereits im März getroffene Entscheidung begründet. Der Bau könnte in zwei Jahren beginnen und Ende des Jahres 2026 fertiggestellt sein. Am Montag soll der Siegerentwurf für das Stadion mit maximal 4909 Plätzen gekürt werden. Zwölf Architektenbüros konkurrieren um den Zuschlag.
„Wir freuen uns wahnsinnig, dass unsere Tausenden Planungsstunden nun zu Ergebnissen führen werden. Altona 93 steht kurz vor einer neuen Heimat“, sagte Ragnar Törber, 2. Vorsitzender des fünftklassigen Oberligavereins. „Wir wollen mit unseren künftigen Nachbarn ein enges Miteinander entwickeln. Wir planen eine Volksküche, karitative Anlaufstellen und Angebote für Senioren, bringen auch unsere jungen Mitglieder an diesen Ort.“
Kein Drittliga-Stadion am Diebsteich verärgert Teutonia
Beim benachbarten FC Teutonia 05 herrscht dagegen Fassungslosigkeit. Der viertklassige Regionalligaclub hatte im letztem Moment auf eine politische Wende gehofft, auf die Bereitschaft, die Planungen in Richtung eines größeren Drittliga-Stadions zu öffnen. „Ich fühle nur noch Leere“, sagte Teutonias Vorsitzender Liborio Mazzagatti, „unser Ziel, mittelfristig in die Dritte Liga aufsteigen zu wollen, ist weggebrochen. Die Stadt hat unsere Interessen ignoriert. Wir müssen uns jetzt mit unseren Sponsoren zusammensetzen und beraten, wie es weitergehen soll.“
2007 hatte Altona 93 seine Adolf-Jäger-Kampfbahn an der Griegstraße für 11,25 Millionen Euro verkauft. Bis zum 31. Dezember 2026 soll der Verein das Grundstück räumen. Dort sollen später mehr als 350 Wohnungen entstehen. Zum Ausgleich hatte die Stadt dem Club eine neue Heimspielstätte versprochen, diese am Diebsteich gefunden. Als die Planungen schon fortgeschritten waren, meldete vor gut einem Jahr Teutonia seine Ambitionen an.
Für ein Drittliga-Stadion existiert aber ein Anforderungskatalog des Deutschen Fußball-Bundes: mindestens 5001 Plätze, Stellflächen für Kameras, Übertragungswagen, VIP- und Medienräume. Mehraufwand: 30 Millionen Euro. Für den Gesamtkomplex mit Sportpark, Arena, Mantelbebauung, Tiefgarage, Nebenplätzen, Zufahrtswegen hatte der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) Ende 2021 mit Kosten von 159 Millionen Euro kalkuliert, davon bis zu 40 Millionen Euro für das Fußballstadion. Altona rechnet mit zehn Millionen Euro.
Stadion-Ärger am Diebsteich: Bezirk schimpft über Senat
Die Ablehnung eines Drittliga-Stadions löste im Bezirk fraktionsübergreifend Kopfschütteln aus. „Ich kann darüber nur lachen“, sagte Andreas Bernau, Sprecher für Sport der SPD Altona. „Wir verpassen eine einmalige Chance – nicht nur für Altona, sondern für die ganze Sportwelt in Hamburg.“
FDP-Fraktionschefin Katarina Blume ergänzte: „Diese leider vorhersehbare Entscheidung erscheint mir sehr kurzsichtig. Die Stadt zeigt keinen Mut.“ Und Sven Hielscher, Vorsitzender der CDU-Bezirksfraktion, meinte: „Der Sportstaatsrat hätte als erster Vertreter des Hamburger Sports für dessen Interessen kämpfen müssen. Das hat er aber nicht.“
Christoph Holstein (SPD), Staatsrat für Sport, entgegnet den Vorwürfen: „Wir bauen am Diebsteich eine Bezirkssportanlage mit Altona 93 als Hauptnutzer. Bedarf für eine größere Arena besteht in absehbarer Zeit nicht. Und: Profivereine, und die Dritte Liga ist die erste offizielle Fußball-Profiliga, müssen ihre benötigte Infrastruktur selbst bezahlen. Die Stadt ist hier nicht in der Pflicht.“
Stadion-Geschenk für Altona 93 am Diebsteich?
Besonders kritisiert wird von den Bezirkspolitikern, dass die Nutzung der Trainingszeiten unklar sei. Bislang lägen den Abgeordneten keine Informationen vor, ob die Stadt oder der Bezirk Eigner des neuen Stadions werde. Die Befürchtung sei groß, Altona 93 könnte den Platz alleine nutzen. „Altona 93 soll eine neue Heimat bekommen, aber ich habe ein Problem damit, dass der Verein ein 159-Millionen-Euro-Geschenk bekommt und über die Nutzung bestimmt“, klagt Bernau. „Das wäre den Bürgern nicht zu vermitteln“, ergänzt Gesche Boehlich, Fraktionschefin der Grünen.
Zudem sei die Finanzierung noch unklar. „Den Bezirksfraktionen fehlen Informationen, aus welchem Haushaltstopf das Stadion finanziert werden soll“, sagt Bernau.
Nach Abendblatt-Informationen soll nach Inbetriebnahme der Anlage das Sportreferat des Bezirks Altona über die Nutzungszeiten für die ortsansässigen Vereine mitentscheiden. Vorgesehen ist bisher, dass die erste und zweite Männermannschaft und das erste Frauenteam von Altona 93 am Diebsteich spielen und trainieren.
Aus für Drittliga-Stadion am Diebsteich: Kritik am Senat
Für Missstimmungen sorgte zudem das Vorgehen des Senats, eine Pressemitteilung über das Aus einer Drittliga-Arena verschickt zu haben, bevor der Hauptausschuss tagte. „Die Entscheidung stand längst fest. Wir sind vor vollendete Tatsachen gesetzt worden, das empört mich“, schimpft Boehlich von den Grünen.
Holsteins Antwort darauf: „Wir sind aus Respekt vor der Bezirksversammlung dahingefahren, um das Ergebnis mitzuteilen und um die Diskussion um ein Drittliga-Stadion am Diebsteich zu beenden.“ Zum Verständnis: Das Projekt Diebsteich ist eine städtische Angelegenheit, der Bezirk hat bei der finalen Entscheidung formell kein Mitspracherecht.