Hamburg. Sportspaß-Vorsitzendem Michael Weidmann steht Amtsenthebung bevor. Heute könnte ein jahrelanger Rechtsstreit enden.
Die Verhandlung im Raum A265 im Landgericht Hamburg am Sievekingplatz dauerte am Dienstagnachmittag mehr als zwei Stunden, dann kündigte Richter Dr. Tino Frieling eine Entscheidung für den heutigen Donnerstag an. Diese dürfte aller Voraussicht nach die ehrenamtliche Tätigkeit von Michael Weidmann als Vorsitzendem des Vereins Sportspaß e. V. und die des 3. Vorsitzenden Alexander Kramer per einstweiliger Verfügung mit sofortiger Wirkung beenden.
Endgültig wäre die Entmachtung nicht. Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht steht in den nächsten Wochen ein von Weidmann damals noch im Namen von Sportspaß angestrengtes Berufungsverfahren an. Einen Termin gibt es bisher nicht.
Sportspaß Hamburg: Rechtsstreit dauert anderthalb Jahre
Seit anderthalb Jahren beschäftigen juristische Auseinandersetzungen zwischen Sportspaß und dem 2. Vorsitzenden Stefan Friz die Gerichte, belasten den Verein atmosphärisch und finanziell. Mit rund 30.000 Mitgliedern ist Sportspaß weiter Hamburgs größter Verein Sporttreibender. In den vergangenen zwei Pandemie-Jahren verlor der Club, der seit Ende 2016 nicht mehr dem Hamburger Sportbund (HSB) angehört, allerdings die Hälfte seiner Mitglieder.
Im Rekordjahr 2014 waren es sogar mehr als 75.000. Besorgte Vereinsangehörige wandten sich zuletzt ans Abendblatt und fragten: „Ist die Existenz von Sportspaß gefährdet?“ Weidmann verneint das: „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren Ordnung in das zuvor herrschende Finanzchaos gebracht. Wirtschaftlich ist Sportspaß dank unserer Maßnahmen hervorragend aufgestellt und hat seine Verbindlichkeiten abbauen können.“
Viele Gehaltszahlungen stehen aus
Aktuell steht aber ein Großteil der Gehalts- und Honorarzahlungen an die 172 Mitarbeitenden und 1000 Trainerinnen/Trainer aus. Auch Rechnungen von Dienstleistern können nicht beglichen werden. Als das Landgericht Hamburg am 13. Januar dieses Jahres entschied, die Wahl Weidmanns und Kramers am 10. Januar 2020 sei nicht satzungskonform zustande gekommen und sei damit irregulär – was nicht Weidmanns Fehler war –, setzten die Richter den vorigen Vorstand mit den inzwischen ausgetretenen Rainer Steenbuck und Gerd Wöbke sowie Friz wieder ein.
Daraufhin entzog die Hamburger Sparkasse Weidmann und zwei Mitarbeitenden die Vollmacht für die Sportspaßkonten, erteilte sie dem ehemaligen Vorstand – dem Steenbuck nach Auffassung des Gerichts nicht mehr angehört, weil er im Herbst 2019 seinen Rücktritt eingereicht hatte.
Auslöser des Streits war ein Hausverbot
Sportspaß klagte dagegen vergeblich. Weil die Urteile nicht rechtskräftig seien, weigerte sich Weidmann, die Vertragsdaten zur Überprüfung an Friz herauszugeben, übermittelte diese nur der Haspa, die nicht tätig werden wollte, da Weidmann aus ihrer Sicht nicht mehr zeichnungsberechtigt ist. Kommt es heute zur entsprechenden einstweiligen Verfügung, müssten nun umgehend alle Sportspaß-Geschäftsunterlagen an Friz und Kollegen herausgegeben werden. Die Auszahlungen könnten erfolgen.
Einer der Auslöser des Dauerstreits war vor anderthalb Jahren ein Hausverbot, das Weidmann und Kramer am 28. Juni 2020 gegen Friz aussprachen. Der Rechtsanwalt klagte dagegen erfolgreich, auch sprachen die Gerichte ihm seine Rechte als 2. Vorsitzenden zu. Weidmann war indes selbst nach Androhung von Zwangsgeldern, bisher rund 32.000 Euro, nicht bereit, die Entscheidungen der Justiz in geforderter Weise umzusetzen – worauf weitere Klagen vonseiten Friz' gegen Sportspaß folgten.
Ein finales Urteil steht aus
Von den Richtern angeregte Mediationsverfahren kamen bislang nicht zustande. Beide Parteien bezichtigen die andere, kein Interesse daran zu haben. Weidmann behauptete zudem in einer eidesstattlichen Versicherung, Friz als kommissarischen 2. Vorsitzenden nicht daran gehindert zu haben, sein Amt auszuüben.
Friz’ langjähriger Freund Jens Jaenecke, Mitglied des Beschwerdeausschusses von Sportspaß, gegen den zwischenzeitlich auch Hausverbote ausgesprochen und dem der Vereinsausschluss angedroht wurde, legte dem Gericht daraufhin zahlreiche Vorgänge vor, die das Gegenteil beweisen sollen. Hier steht ein finales Urteil ebenfalls aus.
Spekulationen über die Motive Weidmanns
Für das Chaos im Verein sei allein Friz verantwortlich, sagte Weidmann jetzt dem Abendblatt. Er müsse die Mitarbeitenden vor dessen (angeblichen) Übergriffen schützen. Beweise dafür legte er bislang nicht vor. Auf Abendblatt-Nachfrage beim Betriebsrat sagte der Vorsitzende Petro Peltekis, dass sich im Herbst 2019 Mitarbeitende über Friz beschwert hätten. Friz bestreitet die Vorwürfe, der damalige Vorstand verfolgte sie nicht, ordnete sie als Missverständnisse ein. Die Mitarbeitenden sahen später von weiteren Schritten ab.
Über die Motive Weidmanns in dieser Affäre kann nur spekuliert werden. Stadtbekannt war der Verleger von 1992 bis 2012 als Präses des Zentralausschusses Hamburgischer Bürgervereine von 1886. Auch hier sorgte Weidmann für Unruhe. „Die Zeit“ berichtete dazu am 27. Januar dieses Jahres: „Am Schluss saß er allein in dem eigentlich achtköpfigen Präsidium, das die traditionsreichen Vereine vertritt. Die anderen Präsidiumsmitglieder waren zurückgetreten, weil es ,keine tragfähige Grundlage mehr für eine weitere Zusammenarbeit‘ gebe, wie es die damalige Vizepräses Jutta Möller-Diedrichsen schrieb.“ Weidmann bestreitet diese Darstellung.
„Das Amtsgericht sollte schnell handeln“
Wie es bei Sportspaß weitergehen könnte, dazu hat der Betriebsratsvorsitzende Peltekis beim Vereinsregister einen Vorstoß unternommen. Er schlug dem Amtsgericht die Einsetzung eines Notvorstandes vor: „Wir brauchen unabhängige Personen, die bereit sind, alle Vorgänge aufzuarbeiten, und eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Der neue Geschäftsführer Michael Otto könnte dabei helfen.“ Die Entscheidung des Gerichts steht aus.
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Auch der renommierte Hamburger Vereinsrechtler Claus Runge sieht darin die einzig gangbare Lösung, die Richter Frieling am Dienstag ebenfalls vorschlug. „Das Amtsgericht sollte schnell handeln, einen Notvorstand einsetzen, der die Geschäftsführung übernimmt und eine Mitgliederversammlung vorbereitet“, sagte Runge. Der Anwalt leitete in der Vergangenheit zahlreiche Mitgliederversammlungen bei Sportspaß, vertrat am Dienstag erstmals die verbliebenen Vorstände Friz und Wöbke vor Gericht.
„Das Dilemma bei Sportspaß ist, dass der Verein nicht mitgliederbasiert ist, dass die meisten ihn als reinen Dienstleister ansehen und sich für den Club als Institution nicht interessieren“, sagt Runge. Als in der Vergangenheit einmal eine grundlegende Satzungsänderung anstand, kamen gerade mal 19 Mitglieder der damals rund 70.000 Mitglieder zur Versammlung. Weidmann wurde im Januar 2020 übrigens mit rund 40 Stimmen zum Vorsitzenden gewählt.