Hamburg. Vereine und Fitnessstudios leiden unter einem Corona-Schwund. Allerdings gibt es in einigen Sportarten sogar einen Zuwachs.
Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen zwei Jahren eine breite Schneise in den Mitgliederbestand der Hamburger Sportvereine, der Fitnessstudios und Gesundheitsanlagen geschlagen. Zählten Clubs und kommerzielle Anbieter in der Stadt im Dezember 2019 rund 957.000 Mitgliedschaften, waren es 24 Monate und zwei Lockdowns später noch etwa 794.000; ein historisch hoher Rückgang von 163.000 Mitgliedschaften, das sind 17 Prozent.
Weil Sporttreibende in mehreren Einrichtungen Mitglieder sein können, sprechen die Verbände von Mitgliedschaften. Die verteilen sich am Anfang dieses Jahres auf die 790 Vereine des Hamburger Sportbundes (HSB/rund 498.000), die 303 Fitnessstudios und Gesundheitsanlagen (geschätzte 266.000) und den Verein Sportspaß e.V. (geschätzte 30.000), der Ende 2016 aus dem HSB und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) austrat.
Am stärksten betroffen waren und sind die kommerziellen Fitnessstudios und Gesundheitsanlagen. Sie verloren seit Dezember 2019 in Hamburg etwa 25 Prozent ihrer einst 354.000 Mitglieder, rund 88.500 (Quelle: DSSV e.V.). Der Mitgliederbestand von Sportspaß halbierte sich während der Pandemie von 61.000 auf 30.000. Offizielle Zahlen fehlen hier allerdings. Bei einem durchschnittlichen monatlichen Mitgliedsbeitrag von 30 Euro entgingen den Vereinen und Studios allein vergangenes Jahr mindestens 60 Millionen Euro Einnahmen.
Schwund an Sportlern ist nicht überraschend
Der dramatische Schwund an organisierten Sportlerinnen und Sportlern überrascht nicht. In den vergangenen zwei Jahren waren Leibesübungen und Training an 284 Tagen in Hallen, Gymnastikräumen, überhaupt in allen Indoor-Einrichtungen vonseiten der Stadt untersagt. Der erste Lockdown dauerte 2020 vom 16. März bis zum 26. Mai, der zweite vom 2. November 2020 bis zum 2. Juni 2021. Entsprechend groß sind die Mitgliederverluste in den Bereichen Gesundheitssport, Fitness und Schwimmen; aber auch Basketball, Kampfsport und Tanzen litten unter den staatlich verordneten Einschränkungen. Bei Mannschaftssportarten im Freien wurden dagegen kaum Austritte gemeldet.
Detaillierte Zahlen hat jetzt der HSB vorgelegt, die er an diesem Donnerstag im Sportausschuss der Bürgerschaft präsentieren und erläutern will. Der Sportbund weist zum 31. Dezember 2021 497.900 Mitgliedschaften in 790 Vereinen aus, 327.821 (65,8 Prozent) davon sind männlich, 170.079 (34,2 Prozent) weiblich. Vor Beginn der Pandemie meldete der HSB im Dezember 2019 noch 542.406. Bereinigt um den freiwilligen Austritt des Hochschulsports Hamburg (10.290 Mitglieder) im Jahr 2020 haben die 865 Mitgliedsorganisationen des HSB in den vergangenen zwei Jahren 34.216 Mitgliedschaften (6,5 Prozent) verloren. Erstmals seit dem Jahr 2006 registriert der HSB wieder weniger als eine halbe Million Sportlerinnen und Sportler. 2016, als Sportspaß mit damals 71.000 Mitgliedern noch dem Sportbund angehörte, waren es fast 580.000.
Größten Verluste bei Clubs mit über 3000 Mitgliedern
Die größten Verluste mit minus 7,5 Prozent verzeichneten in den vergangenen zwei Jahren Clubs mit mehr als 3000 Mitgliedern. Aber nicht die beiden größten Sportvereine Hamburgs, der HSV e.V. (85.273/minus 2891 gegenüber Dezember 2019) und der FC St. Pauli (31.681/plus 1690), verloren dabei prozentual die meisten ihrer Clubangehörigen, sondern jene Vereine mit Mitgliederzahlen zwischen 3000 und 15.000. Überproportional fällt dabei im vergangenen Jahr mit minus 11.608 (6,4 Prozent) der Austritt weiblicher Mitglieder aus.
Dafür gelten zwei Gründe als wahrscheinlich: die oft schwierige Vereinbarkeit von Homeoffice, Kinderbetreuung und Sport sowie zweitens die Tatsache, dass weit mehr Frauen als Männer im Bereich Fitness aktiv sind. Weil Hallen und Studios monatelang geschlossen blieben, fielen viele Angebote aus. Nach den Wiedereröffnungen schränkten die Eindämmungsverordnungen die Teilnehmerzahlen bei Kursen massiv ein.
Mitgliederzuwächse beim Tennis, Volleyball und Segeln
„Auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie sehen wir einen Rückgang der Mitgliedschaften im organisierten Hamburger Sport. Vor dem Hintergrund des mehrmonatigen Sport-Lockdowns sind die Verluste über alle Mitgliedsorganisationen gesehen moderat, bei einzelnen Vereinen und Verbänden sind das aber drastische Rückgänge, die sehr bedrohlich anmuten“, sagt Daniel Knoblich, der neue HSB-Vorstandsvorsitzende.
Der Altonaer Turnverband von 1845 mit 3639 weniger Mitgliedern (2019: 8056/minus -45,2 Prozent), der HSV e.V. (minus 3,28 Prozent) und die TSG Bergedorf (minus 2471/minus 22,3 Prozent) beklagten in absoluten Zahlen den größten Aderlass (siehe Tabellen). Unter den Fachverbänden verlor der Fitnessanbieter Verband für Turnen und Freizeit (VTF) mit 21.837 die meisten Aktiven, das sind 20 Prozent. Es gab jedoch auch Gewinner in der Krise: Der Hamburger Tennis-Verband legte um 1602 Mitgliedschaften zu (plus 5,4 Prozent), der Volleyball-Verband um 464 (plus 8,2 Prozent), der Segler-Verband um 259 Mitgliedschaften (plus 2,23 Prozent).
Stadt verhinderte mit finanziellen Hilfen Insolvenzen
Dass es bisher nicht zu Insolvenzen unter den Vereinen kam, lag auch an den Hilfen der Stadt. Seit Pandemiebeginn hat der Senat den Sport mit zusätzlichen Mitteln von rund 30 Millionen Euro unterstützt, darunter direkte und nicht zurückzuzahlende Zuschüsse aus dem Nothilfefonds I und II, der Härtefallregelung sowie für Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Hinzu kommen die im August 2021 von der Stadt, dem HSB und dem Verband für Turnen und Freizeit aufgelegten Active-City-Startergutscheine, die einen Vereinsbeitritt mit 80 Euro bezuschussen. Von denen wurden bisher 12.462 eingelöst – das entspricht fast 997.000 Euro. Bis zu 20.000 sind über die Active-City-Homepage abrufbar.
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Die größte Unterstützung der Stadt, da sind sich HSB und Fitnessstudios einig, wäre jedoch, wenn alle Einschränkungen aufgehoben würden. Schließlich haben Vereine und Verbände inzwischen mehrere Millionen Euro in Hygienemaßnahmen und Luftfilter investiert. Hoffnung aber gibt es: Zuletzt legten die Mitgliederzahlen wieder leicht zu.