Hamburg. Der Coach der Basketballer über eine mögliche Vertragsverlängerung, Spielmacher Hollatz, den EuroCup und Franzbrötchen.
Pedro Calles ist für seine Disziplin berüchtigt: als Cheftrainer des Basketball-Bundesligaclubs Hamburg Towers, aktuell Tabellenneunter, aber auch bei sich selbst. Der 38-Jährige pflegt einen asketischen Lebensstil und beeindruckt nach wie vor mit seiner Physis. Den Franzbrötchen, die Clubsprecher Florian Eisebitt beim Termin mit dem Abendblatt serviert, kann aber selbst der Spanier nicht widerstehen. Sein Zweijahresvertrag bei den Towers endet im Juni.
Hamburger Abendblatt: Señor Calles, schon allein der Franzbrötchen wegen sollten Sie Trainer in Hamburg bleiben, oder?
Pedro Calles: Die wären definitiv ein verlockender Grund. Generell würde ich die Stadt aber gern noch mehr genießen, was mir in den vergangenen zwei Jahren wegen der Pandemie und meiner Work-Life-Balance nicht so gut gelungen ist. Wann immer ich die Gelegenheit dazu erhalte, fahre ich mit meiner Familie an den Hafen. Zuletzt war ich zudem in zwei hervorragenden Restaurants.
Es gibt also eine Menge Gründe, Ihren Vertrag hier im Sommer zu verlängern.
Calles: Als ich 2020 bei den Towers unterschrieben habe, hatte ich nicht vor, nur für zwei Jahre hierzubleiben. Der Verein hat seitdem große Fortschritte gemacht. Für eine Vertragsverlängerung müssen die Umstände jedoch auf beiden Seiten passen. Wenn wir die Zeit dazu finden, darüber zu sprechen, sehen wir weiter.
Sie arbeiten jetzt seit zehn Jahren in Deutschland. Ist ein Wechsel in ein anderes Land für Sie überhaupt noch vorstellbar?
Calles: Ja, sonst würde ich meine Karriere als Basketballtrainer beschränken. Meine Familie und ich wollen nach Möglichkeit aber vorerst weiter in Deutschland bleiben. Das ist unsere derzeitige Priorität.
Wo sehen Sie die Bundesliga im Vergleich zu anderen europäischen Basketballligen?
Calles: Die Bundesliga (BBL) hat Fortschritte im wirtschaftlichen Bereich gemacht, auch was das basketballerische Level betrifft. Die spanische Liga ist allerdings der BBL noch deutlich voraus. Allein schon wegen der Tradition, die Basketball in Spanien genießt, die macht für mich den größten Unterschied aus. Die Budgets der Teams sind zudem höher.
Wegen budgetärer Nachteile gegenüber anderen Clubs mussten Sie zuvor in Vechta und nun in Hamburg oft mit fast komplett neuen Kadern in die Saison gehen. Wünschten Sie sich mehr Kontinuität?
Calles: Es ist ein gutes Zeichen, dass wir vielen Spielern die Plattform geboten haben, sich für höhere Weihen zu empfehlen. Das kommt uns als Verein zugute, weil sich andere talentierte Akteure eher uns anschließen. Dennoch sollten wir tunlichst auch dafür sorgen, große Talente künftig länger an uns binden zu können. Das funktioniert aber nicht über Nacht, wir müssen geduldig bleiben.
Was sind die nächsten sportlichen Schritte, die die Towers gehen müssen, um immer ein sicherer Play-off-Kandidat (Plätze eins bis acht) zu sein? Zum Beispiel ein fixes Spielsystem, das vom Trainer unabhängig ist?
Calles: Unsere Spielerrekrutierung ist bereits sehr gut. Wir müssen die Spieler, die zu uns kommen, im Training so entwickeln, um sie zu überzeugen, dass sie bei uns genau an der richtigen Adresse sind, um ihre Karriere voranzutreiben. Da erledigen meine Assistenten einen großartigen Job. Unser Budget ist indes noch nicht hoch genug, um Spieler zu verpflichten, die für ein festes System geeignet sind. Stattdessen müssen wir unseren Stil an die verfügbaren Spieler anpassen.
Wer ist für die Rekrutierung verantwortlich und hat dabei das letzte Wort?
Calles: Das mache ich mit unserem Sportdirektor Marvin Willoughby, wir treffen die Entscheidungen gemeinsam.
Worauf achten Sie bei der Verpflichtung neuer Spieler besonders?
Calles: Dass sie bereit sind, im Kollektiv zu arbeiten, und zu unserer Kultur passen. Ich biete den Spielern dafür an, ihnen so gut wie möglich zu helfen, sich zu verbessern, den nächsten Schritt in ihrer Karriere zu machen.
Dass Sie mittlerweile so viele Spieler signifikant verbessert haben, sollte doch ein gutes Argument sein, zu den Towers zu wechseln. Ihr Spielmacher Caleb Homesley ist das beste Beispiel dafür. Und dass jetzt Max DiLeo und Robin Christen vom Bundestrainer für die deutsche Nationalmannschaft nachnominiert wurden, können Sie sich doch ebenfalls auf Ihre Visitenkarte schreiben.
Calles: Nicht ich verbessere die Spieler, sie selbst verbessern sich mit ihrer Arbeit im Training. Mitunter sind es auch die Umstände, dass uns plötzlich ein Point Guard fehlt, die Spielern wie Caleb Homesley die Möglichkeit geben, ihr wahres Potenzial zu zeigen und auszuschöpfen.
Sie haben kürzlich einmal gesagt, Sie liebten Ihre Spieler. Warum so viel Zuneigung?
Calles: Weil sie hart arbeiten, sich auf und abseits des Feldes professionell verhalten und sich gegenseitig respektieren. Es macht mir Spaß, sie zu coachen.
Bei der Auswahl des Spielgestalters scheinen Sie dagegen kein glückliches Händchen gehabt zu haben. Trevon Bluiett ist in dieser Saison schon die zweite Nachverpflichtung der Towers auf dieser zentralen Position.
Calles: Gute Spielmacher will jeder Club haben, der Markt ist stark limitiert. Und dann hängt es immer auch davon ab, was wollen, was können wir ausgeben.
Hat der Verein da vielleicht an der falschen Stelle gespart?
Calles: Wir sparen nicht, wir versuchen unsere begrenzten Mittel optimal einzusetzen. Und das ist uns bisher auch weitgehend gelungen.
Der Dreijahresvertrag Ihres Nationalspielers Justus Hollatz läuft wie der Ihre am Saisonende im Juni aus. Beraten Sie ihn bei seiner Entscheidungsfindung, welcher Schritt für ihn jetzt der beste in seiner sportlichen Entwicklung sein könnte?
Calles: Ich bin nicht sein Berater, ich bin sein Trainer. Und in dieser Funktion sage ich ihm, wie er sein Spiel weiter verbessern kann, nicht welcher Verein jetzt möglicherweise der beste für ihn wäre. Wobei ich davon überzeugt bin, dass Justus bei den Hamburg Towers das Umfeld und die Möglichkeiten vorfindet, die nächsten sportlichen Schritte in seiner Karriere zu machen.
War es die richtige Entscheidung, angesichts von Corona in dieser Saison auch noch am reiseintensiven EuroCup teilzunehmen?
Calles: Wollen wir als Mannschaft und als Verein vorwärtskommen, müssen wir diese Erfahrungen sammeln. Ein wenig überrascht bin ich über das geringe Publikumsinteresse an diesen Spielen. Liegt es an der Corona-Situation? Dem bisher unbekannten Wettbewerb? Oder wollen die Hamburgerinnen und Hamburger europäische Spitzenteams wie Belgrad oder Badalona gar nicht sehen?
Badalona oder Belgrad sind in Hamburg bislang noch unbekannte Größen für viele.
Calles: Unser Ziel bleibt es, unserem Publikum die bestmöglichen Produkte anzubieten, dazu gehört nun mal der EuroCup. Wir sind dieses Risiko trotz Corona eingegangen. Und zeigen Sie mir mal den Verein, der im achten Jahr seiner Existenz, im dritten Jahr in der Bundesliga bereits erfolgreich in einem internationalen Wettbewerb spielt. Das spricht für die Entwicklung der Towers und die Professionalität der Organisation.
Ist Ihr Kader denn überhaupt groß genug für diese Doppelbelastung?
Calles: Im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten haben wir uns für diesen Kader entschieden. Die Spieler haben alle große Lust auf den EuroCup. Personelle Probleme kamen ja erst mit den vier Corona-Fällen auf. Die haben uns dann wahrscheinlich die Bundesligaspiele in Gießen (73:100) und in Bayreuth (71:90) gekostet. Ergebnisse sind aber nicht alles, wir sind in einem Prozess, da gehören Rückschläge dazu. Wichtig bleibt nur, wie wir mit ihnen umgehen. Und das tun wir sehr konstruktiv.
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Sollten Sie im Gegensatz zum vergangenen Jahr die Play-offs in der Bundesliga verpassen, wäre das ein Rückschlag für Sie?
Calles: Das hängt von den Umständen ab, zum Beispiel davon, wie viele Verletzte hatten wir, wie viele Corona-Fälle gab es. Grundsätzlich beurteilen wir den Erfolg unserer Arbeit nicht danach, ob wir ein Spiel mehr oder weniger gewinnen.