Hamburg. Towers knacken eigenen BBL-Punkterekord. Center der Hamburg Towers maßgeblicher Faktor bei 113:103-Rekordsieg.

Die Rekorde purzelten nur so. Maik Kotsar: 30 Punkte, Bestleistung. Justus Hollatz: 18 Zähler, Höchstmarke eingestellt. 113 als Mannschaft, nie erzielten die Hamburg Towers mehr in der Basketball-Bundesliga. Die wichtigste Bilanz hingegen, die von Sieg und Niederlage, war hingegen in Gefahr. Denn der Tabellenvorletzte s.Oliver Würzburg quälte die Mannschaft von Trainer Pedro Calles bei deren 113:103 (27:29, 60:54, 87:80)-Erfolg heftiger als erwartet. 

Um einen Eindruck vom Spielgeschehen der ersten zehn Minuten zu gewinnen, hätte eine auf beide Trainer fokussierte Kamera genügt. Die „Calles-Cam“ würde einen maulenden Hamburger Coach zeigen, der „Filipovski-Fokus“ einen frustrierten Würzburger Übungsleiter – beide vereint in der Verzweiflung über die non-existente Verteidigung ihrer Teams. Fehlwürfe besaßen Seltenheitswert. Besonders Würzburgs generös mit 1,83 Meter bemessener Uruguayer Luciano Parodi, halb Point Guard, halb Poltergeist, unterhielt die 1203 Zuschauer in der edel-optics.de Arena mit einem Auftritt voller Spielwitz. Auf der Gegenseite war Center Maik Kotsar unspektakulärer, dafür effizienter unterwegs.  

Der unter der Woche verpflichtete Neuzugang Trevon Bluiett feierte sein Debüt nach 5:07 Minuten. Im komplexen Offensivsystem der Hamburger noch kein Faktor, für den Spielzüge gelaufen werden, fokussierte sich der breitschultrige US-Amerikaner in seinen knapp 20 Minuten vorrangig auf die Defensivarbeit. Womit wir beim Thema wären: Nach zwölf Minuten war es Calles beim Stand von 29:35 satt, dass seine Akteure die aufmüpfigen Franken im Stil von Hotel-Concierges fragten, ob sie noch irgendetwas tun können, um ihnen den Aufenthalt an der Dreierlinie angenehmer zu gestalten. Auszeit. Check-out aus dem „Korbleger In“. Zur Tür geleitet von Kotsar, der sämtliche seiner neun Würfe in der ersten Hälfte verwandelte und den Löwenanteil an der 60:54-Pausenführung hatte. 

Von hieran normalerweise eine sichere Sache für einen Play-off-Aspiranten gegen einen auswärts sieglosen Vorletzten – wären die Towers in dieser Saison nicht unberechenbarer als die Division durch Null. Abermals subtrahierten die Mainstädter den Rückstand. Das große Plus der Wilhelmsburger hieß Kotsar. Neun Akteure auf dem Parkett mühten sich am Basketball-Ein-mal-Eins, der Este übte Integralrechnung. Nach 28 Minuten hatte er 26 Punkte gesammelt, seine Karriere-Bestleistung eingestellt und war noch immer ohne Fehlwurf. 

Für den neuen Rekord genügten dem Linkshänder 30 Sekunden und ein Hakenwurf im Schlussabschnitt. Der gastierende Abstiegskandidat tat zwar sein Möglichstes, Kotsars Ehrenabend noch zu ruinieren, musste sich aber geschlagen geben.   

Punkte: J. Brown (14), DiLeo (12), Homesley (13), Meisner (9), Christen (6), Kotsar (30), Hinrichs (4), Bluiett (5), Edigin (2), Hollatz (18).

Pedro Calles, Trainer Hamburg Towers: 

...zum Spiel: "Ich möchte meinen Spielern gratulieren. Defensiv haben wir allerdings zu viele Fehler begangen. Wir werden uns das genau auf Video ansehen und dann daran arbeiten, wenn es die personelle Situation zulässt."

...zum Rekord von Maik Kotsar: "Es freut mich für ihn. Allerdings hatte Würzburg mit Filip Stanic nur einen etatmäßigen Center als Gegenspieler. Ich möchte diese Leistung regelmäßig von ihm sehen."

...zum Debüt von Trevon Bluiett: "Er hat unser System schon gut verstanden und wird in den nächsten Wochen seine Mitspieler und deren Stärken sowie Schwächen besser kennenlernen. Dann sind wir überzeugt, dass er uns wirklich weiterhelfen kann."

Maik Kotsar, Center Hamburg Towers: 

...zum Spiel: "Ich hatte den Eindruck, dass Würzburg nicht danebenwerfen konnte. 69 Prozent Trefferquote aus dem Feld sind ein absurder Wert. Wir haben uns zu viele individuelle Fehler in der Verteidigung erlaubt, die wir als Team nicht ausgebügelt haben. Der Wendepunkt war im zweiten Viertel, als uns Ballgewinne und daraus resultierende Korbleger und Dunks gelungen sind. Das hat uns Selbstvertrauen gegeben."

...zu seinem Rekord: "Ich habe meinen Größenvorteil am Korb ausgenutzt und wurde von meinen Mitspielern gut in Szene gesetzt."

...zu seinem einzigen Fehlwurf, ausgerechnet dem letzten Versuch: "Das war egal, darüber können wir jede ein paar Späßchen machen."

Trevon Bluiett, neuer Flügelspieler der Hamburg Towers:

...zu seinen ersten Eindrücken: "Es ging erstmal darum, dass ich mich akklimatisiere, ein Gefühl dafür bekomme, wie das Spiel in der Bundesliga ist und wie meine Mitspieler gerne agieren. In der zweiten Halbzeit bin ich schon gut im Rhythmus gewesen. Die Mannschaft ist gut, wir halten an unserem Plan fest, alle spielen hart. Es ist offenkundig, dass hier schon eine erfolgreiche Kultur etabliert worden ist."

...über seine Rolle: "Das werden wir von Spiel zu Spiel sehen. Zunächst muss ich die Stärken und Schwächen meiner Mannschaftskameraden kennenlernen. Der Rest ergibt sich später von allein."

...über seine Stärken: "Mein Wurf, mit dem ich die Verteidigung auseinanderziehen kann. Dazu verteidige ich größere Gegenspieler besser als die meisten Akteure auf meiner Position."

...über den Wechsel nach Hamburg: "In der Türkei hat es für mich nicht mehr gepasst. Die Towers haben angerufen, dann kam eins zum anderen."

...seinen Bekannten und Mitspieler Jaylon Brown: "Jaylon hatte keinen Einfluss auf meinen Wechsel. Es hilft allerdings enorm, in meinem ersten Jahr in Übersee jemanden an meiner Seite zu wissen, den ich schon 15 Jahre kenne, auf den ich mich verlassen kann und der mir in einem neuen Land hilft, mich zurechtzufinden."