Hamburg. Serie führt zu den schönsten Wassersportorten im Norden. Teil 4: Die verborgene Schönheit von Wilhelmsburg.

Dass ich nach meiner MS-Erkrankung das Rudern als neuen Sport für mich entdeckt habe, das kann ich nur als Glücksfall bezeichnen. Meine große Leidenschaft Laufen war ja seit 2013 nicht mehr möglich, aber natürlich hatte und habe ich immer den Drang, mich auszupowern, mich zu bewegen. Rudern ist deshalb für mich der ideale Sport. Ich kann Vollgas geben im sportlichen Wettkampf, ich kann aber auch einfach über das Wasser gleiten und die Schönheiten Hamburgs von der Wasserseite aus genießen. Rudern gibt mir ein Stück Bewegungsfreiheit.

Leider haben wir in Hamburg noch nicht so viele barrierefreie Steganlagen, wo Menschen mit körperlichen Einschränkungen ohne allzu große Probleme ins Boot steigen können. Deshalb ist der barrierefreie Ausbau von Steg und Bootshaus bei der RG Hansa, der von der Stadt mit 300.000 Euro gefördert wurde, so toll. Auch das Landesruderzentrum in Allermöhe soll im Zuge der Erweiterung bis 2024 komplett barrierefrei werden. Hoffentlich bewilligt der Bund das entsprechende Geld.

Renovierung beim Wilhelmsburger Ruder Club

Auch bei meinem eigenen Verein, dem Wilhelmsburger Ruder Club, tut sich was. Wir renovieren unser Clubhaus mithilfe des Bezirksamtes, hier soll der Zugang zum Wasser in Zukunft für Rollstuhlfahrer und Rollstuhlfahrerinnen noch einfacher werden. Im Februar 2022 wird das alte Clubhaus abgebrochen, ich freue mich schon auf die Zukunft. Immerhin ist der Steg jetzt bereits ebenerdig zu erreichen, das hilft sehr.

Ich bin natürlich unzählige Kilometer in Wilhelmsburg auf dem Aßmannkanal gefahren. Bis zum Bürgerhaus Wilhelmsburg sind es 2000 Meter geradeaus. Wer sich in Wilhelmsburg nicht auskennt, der ist erstaunt über diese Wassernatur mitten in der Stadt. Es geht vorbei an Kleingärten und Wohnbebauung. Dann kommt eine Hundewiese, wo auch immer etwas los ist, ein Bauspielplatz, ein breiter Uferstreifen. Spaziergänger und Vogelgesang, Enten und Schwäne auf dem Wasser, es ist immer schön.

Beachclub „Zum Anleger“: Blick aufs Wasser

Der Sportplatz am Vogelhüttendeich soll jetzt bald mit Wohnungen bebaut werden, mal sehen, wie das dann wird. Leider ist der Kanal relativ schmal, sodass Wenden für Ungeübte nicht ganz einfach ist.

Praktisch direkt neben unserem Clubhaus liegt an der Einmündung zur Wilhelmsburger Dove-Elbe der Beachclub „Zum Anleger“, wo man mit einem wunderbaren Blick aufs Wasser praktisch mitten in der Natur sein Getränk genießen und auch etwas essen kann – wenn es das Virus denn ermöglicht. Und das Beste ist: Im „Anleger“ gibt es auch ein Bootshaus, wo jedermann sich Kanus und Tretboote mieten kann – um damit selbst die oft verborgene Schönheit von Wilhelmsburg vom Wasser aus zu entdecken.

Viel los auf der Außenalster

Dass es auf der Außenalster schön ist, muss ich ja nicht extra erwähnen. Obwohl: Ich finde es manchmal anstrengend, da zu rudern. Es ist einfach so viel los an schönen Tagen. Segelboote, Tretboote, andere Ruderer, Stand-up-Paddler – darunter auch immer einige, die nicht besonders geübt sind.

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Da muss man schon sehr aufpassen und immer voll konzentriert sein. Dann kommen noch die Alsterdampfer dazu, die ja immer Vorfahrt haben. Ich fahre deshalb am liebsten in die Kanäle bis zum Stadtparksee, da entspannt es sich dann etwas, und man kann sich treiben lassen. Das ist aber nur für die Freizeit etwas, für sportliches Rudern natürlich nicht.

Schönstes Rudererlebnis: 2017 in Sarasota

Mein schönstes Rudererlebnis überhaupt hatte ich, so glaube ich, bei der Weltmeisterschaft 2017 in Sarasota in Florida. Da konnte man parallel zur Ruderstrecke auf einem großen See fahren. Das habe ich einige Male morgens um 7 Uhr gemacht. Rechtzeitig zum Sonnenaufgang hinter Palmen, diese Stimmung war einfach wunderschön. Es war dann auch schon warm, aber eben noch nicht richtig heiß, und es sind auch noch nicht so viele andere Menschen draußen. Dafür viele Vögel und Wildtiere – gut, an den Alligator in einem Tümpel vor dem Hotel musste ich mich erst gewöhnen. Aber es ist ja gut gegangen.

Sylvia Pille-Steppat (53) war vor ihrer MS-Erkrankung Hamburgs beste Marathonläuferin. Seit 2013 hat sie das Rudern für sich entdeckt. Bei der WM 2017 gewann sie ebenso Bronze im Einer wie bei der EM 2020. Im Sommer (24. August bis 5. September) startet sie bei den Paralympischen Spielen in Tokio. Protokoll von Andreas Hardt.

Tipps und Anreise

Wie kommt man hin?

Das Bootshaus des Wilhelmsburger Ruder Clubs liegt direkt am Aßmannkanal, Vogelhüttendeich 120. Mit dem Pkw sollte man die Wilhelmsburger Reichsstraße an der Ausfahrt 6 (Veddel) verlassen und der Harburger Chaussee nach links folgen. Dann links in die Schlenzigstraße, über die Brücke und direkt dahinter rechts. Auf der linken Seite kommt nach ca. 75 Metern dann die Einfahrt zum Wilhelmsburger Ruder Club. Mit dem HVV: Metrobus 13 bis Vogelhüttendeich fahren. Von dort aus etwa fünf Minuten zu Fuß.

Wen trifft man da?

Vor allem Kanuten, Ruderer und SUPler, die Sportgeräte kann man auch mieten – pandemiebedingt geht das zurzeit nur per E-Mail: biergarten@zum-anleger.de. Direkt neben dem Vereinsheim (Vogelhüttendeich 123) liegt die Strandbar „Zum Anleger“. In dem Biergarten lassen sich im Sommer mit Blick auf den Kanal wunderbar Snacks und Getränke genießen. Leider ist es längst kein Wilhelmsburger Geheimtipp mehr.