Hamburg. Sportler und SPD-Politiker warnen vor „Freizeitchaos“ auf der Alster und den Kanälen – und entwickeln einen Vierpunkteplan.
Christian Dahlke kennt die Außenalster wie seine Westentasche. Schon seit 1983 rudert der 52-Jährige auf dem Fluss – und das mit viel Erfolg. 13-mal wurde er deutscher Meister in unterschiedlichen Bootsklassen, 12-mal startete er bei Ruder-Weltmeisterschaften. Heute gibt der selbstständige Sportberater Einzeltraining bei seinem langjährigen Heimatverein, dem Ruder-Club Allemannia. Zu seinen Schülern gehören Olaf Scholz, Markus Lanz und viele andere. Dahlke ist ein Typ, der weiß, wovon er spricht. Und nun spricht er Klartext: „Wenn es so weitergeht, wird es bald Tote geben“, sagt er ernst und blickt übers Wasser. „Die Stadt muss jetzt für die Alster handeln. Bald.“
Was Dahlke umtreibt, ist das massive Gedränge im Alsterbecken und den Kanälen an heißen Sommertagen. Vor allem treibt ihn um, dass die Stadt immer noch kein Konzept entwickelt, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Beinahezusammenstöße von Rudernden
Treffen im Clubhaus mit Dahlke und den SPD-Politikern Markus Schreiber und Alexander Mohrenberg. Dahlke ist ein optimistischer Typ, aber wenn er von seinen Alster-Erfahrungen der vergangenen Monate spricht, trübt sich seine Stimmung. Bei vielen Einzel- und Trainingsfahrten hat er immer wieder beobachtet, dass Rudernde den Schwimmerinnen und Schwimmern in den Kanälen nur „um Haaresbreite“ ausweichen konnten, weil diese oberhalb der Wasserfläche oft kaum zu erkennen waren.
Lesen Sie auch
- Viele Menschen sterben bei Badeunfällen im Norden
- Tödliche Badeunfälle: Elbe wird „gefährlicher Hotspot“
Dahlke deutet auf ein Tablett auf dem Tisch: Ein Ruderblatt aus Kohlefaser ist ungefähr halb so dick. „Wenn man sich vorstellt, dass ein 100-Kilo-Mann durch einen Alsterkanal pullt, wird klar, mit welcher Kraft solche Ruder durchs Wasser gezogen werden.“ Doch er sieht nicht nur die Gefahr für Schwimmende. Immer wieder komme es zu Beinahezusammenstößen von Rudernden, und oft habe es auch schon wirklich „geknallt“. Dabei habe es auch Verletzte gegeben, „die ganz große Katastrophe“ sei aber ausgeblieben – „noch“.
Ausweichmanöver werden immer schwerer auszuführen
Solche Gefahrensituationen hätten sich in den vergangenen Jahren deutlich potenziert, sagt Dahlke. Durch die vielen Freizeitsportler seien Ausweichmanöver immer schwerer auszuführen – zumal viele unerfahrene Hobbyruderer und -paddler in den Kanälen kaum Platz für Vereinsruderer ließen, die in der Regel mit höherem Tempo unterwegs seien. „Ich verstehe das gar nicht“, sagt Dahlke. „Wenn es um verstopfte Straßen mit so vielen verschiedenen Verkehrsteilnehmern ginge, hätten wir schon 25 Schilder. Und bei dem Freizeitchaos hier geschieht gar nichts.“
Wie berichtet, hatte die rot-grüne Koalitionsmehrheit in der Bürgerschaft den Senat bereits im vergangenen Herbst aufgefordert, „Lösungen zu entwickeln, um weiterhin die aktive Freizeitnutzung der Hamburger Gewässer im Einklang mit den Anforderungen von Artenschutz, Naturschutz und Lärmschutz zu ermöglichen“. Zudem sollte der Senat prüfen, inwieweit das Baden an ungeeigneten Stellen unterbunden werden könne. Wie kürzlich berichtet, sieht die Umweltbehörde nach ausführlichen Gesprächen mit zahlreichen Beteiligten aber aktuell keinen Anlass für regulierende Maßnahmen. Stattdessen werde an die einzelnen Gruppen appelliert, Rücksicht aufeinander zu nehmen.
Einweisungen gründlicher gestalten
Christian Dahlke findet das zu wenig und wandte sich jetzt an einen seiner Ruderer, den SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Markus Schreiber. Der frühere Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte holte noch den umweltpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Alexander Mohrenberg, mit ins Boot, und dann setzten sich die drei zusammen. Ergebnis ist ein Vier-punkteplan, den SPD-Mann Schreiber als „Hilfestellung“ für die grün geführte Umweltbehörde versteht.
Unter Punkt eins wird vorgeschlagen, die Einweisungen beim Vermieten, beispielsweise für Kanufahrten oder Stand-Up-Paddling (SUP), deutlich gründlicher zu gestalten. Punkt zwei sieht vor, dass an Brücken in den Kanälen Schilder aufgehängt werden, die an die Einhaltung der Verkehrsregeln erinnern sollen – zum Beispiel darauf, dass die Kanalmitte frei gehalten werden muss. Punkt drei schlägt versuchsweise eine locker befestigte Bojenkette vor, beispielsweise an der Harvestehuder Alsterseite ab Krugkoppelbrücke in Richtung Stadt. Auf diese Weise könnten vor allem trainierende Ruderer auf angedeuteten Bahnen leichter aneinander vorbeifahren.
Blick für Gefahrensituationen schärfen
Punkt vier dreht sich um die vielen Kanus, Paddel- und Ruderboote, die von Privatpersonen ohne eigenen „Wasseranschluss“ an Böschungen gelagert werden. Da die Nutzer ihr Boot einfach an Ort und Stelle zu Wasser lassen, werden oft Böschungsabschnitte beschädigt und Gelege von Wasservögeln zerstört. Hier schlägt das Trio vor, Sammelpunkte zu schaffen, an denen die Boote, vergleichbar einem Fahrradhaus, gelagert werden können.
Die drei wollen nicht als Spaßverderber rüberkommen, die nichts weiter als eine Überregulierung im Sinn haben. „Wir verstehen das als Vorschläge, aus denen sich Gutes entwickeln kann“, erläutert Mohrenberg. Und Schreiber sagt: „Es geht uns nicht darum, etwas zu verbieten, sondern den Blick für die Gefahrensituationen zu schärfen.“ Die Umweltbehörde bekräftigte auf Nachfrage, das Thema erst im Herbst angehen zu wollen.