Berlin. Tschentscher verkündet “einstimmigen Beschluss“. Den genauen Starttermin überlassen Merkel und die Länderchefs der DFL.

Die Erste und Zweite Fußball-Bundesliga dürfen ihre derzeit wegen der Corona-Krise unterbrochenen Spielzeiten ab der zweiten Mai-Hälfte mit Geisterspielen fortsetzen. Darauf einigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder bei ihrer Schalte am Mittwoch. "Der Beschluss war einstimmig", verkündete Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) auf der anschließenden Pressekonferenz.

Die Deutsche Fußball Liga will die Saison am 15. Mai fortsetzen. Über diesen Beschluss des DFL-Präsidiums seien die 36 Proficlubs am Mittwochabend informiert worden, bestätigte der Dachverband. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung berichtet. Noch neun Spieltage stehen aus.

Am Donnerstag will die DFL mit den 36 Clubchefs im Rahmen einer virtuellen Mitgliederversammlung die Ergebnisse des Polit-Gipfels erörtern. Die ersten Vereine haben mittlerweile bereits wieder das uneingeschränkte Mannschaftstraining aufgenommen.

Söder hält Kompromiss für "vertretbar"

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach nach dem Gipfel von einer "vernünftigen" Lösung. "Ich halte den Kompromiss für mehr als vertretbar", sagte Söder, der im Hinblick auf die Einhaltung der DFL-Hygienevorgaben nicht nur an die Vernunft der Vereine, sondern auch an die der Spieler appellierte.

Als mahnendes Beispiel erwähnte Söder in diesem Zusammenhang auch noch einmal das "schweres Eigentor“ des inzwischen suspendierten Hertha-Profis Salomon Kalou, der durch ein Live-Video aus dem Berliner Kabinentrakt gleich mehrere Missachtungen der Anti-Corona-Regeln offengelegt hatte.

DFB muss sich um 3. Liga und Frauen kümmern

Die Genehmigung für das Konzept gilt zunächst für die Bundesliga und die 2. Bundesliga. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wird in diesem Zusammenhang gebeten, "für die anderen Ligen tragfähige Zukunftskonzepte zu entwickeln“. Dies könnte die Frauen-Bundesliga und die 3. Liga betreffen, die auf eine Fortsetzung der derzeit unterbrochenen Spielzeit hoffen.

Es sei wichtig, dem Profisport "insgesamt eine Perspektive zu geben, auch dort geht es um wirtschaftliche Fragen", hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im ZDF-Morgenmagazin bereits wenige Stunden vor den Beratungen von Merkel und den Landeschefs gesagt.

Beschlussvorlage kurzfristig modifiziert

Ein exakter möglicher Termin war in der Beschlussvorlage des Bundes allerdings nicht genannt. Dort hieß es in einer am Mittwochmorgen aktualisierten Version: "Dem Beginn des Spielbetriebs muss, wie in dem geprüften Konzept vorgesehen, eine Quarantänemaßnahme, gegebenenfalls in Form eines Trainingslagers, vorweggehen."

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In einer ersten Fassung hatte die Formulierung gelautet: "Dem Beginn des Spielbetriebs muss eine zweiwöchige Quarantänemaßnahme, gegebenenfalls in Form eines Trainingslagers, vorweggehen." Bislang galten als möglicher Re-Start der 15. oder der 22. Mai.

Gesundheitswesen hat weiter "Priorität"

In der Beschlussvorlage hieß es außerdem, dass die "Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder“ die "Fortsetzung des Spielbetriebes und mithin die Begrenzung des ansonsten entstehenden wirtschaftlichen Schadens in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga für die dort startberechtigten 36 Vereine auf deren Kosten" für "vertretbar" halten.

Allerdings wird auch festgehalten, dass mit Blick auf die Testkapazitäten das Gesundheitswesen "jederzeit mit Priorität behandelt“ werden muss. Rund 20.000 Tests wird der Profifußball wohl bis zum Saisonende benötigen. In einer ersten Testreihe hatte es bei 1724 Tests insgesamt zehn positive Fälle gegeben.

Aue-Präsident: "Mit hoher Diszplin durchziehen"

Der Präsident des Zweitligisten Erzgebirge Aue, Helge Leonhardt, begrüßte die Geisterspiel-Entscheidung. "Wir müssen einfach anfangen, handeln und die restliche Saison mit einer hohen Disziplin durchziehen. Diese unnötigen Pro-und-Contra-Diskussionen ertragen die Menschen einfach nicht mehr“, sagte Leonhardt, dessen gesamter Kader aufgrund eines Corona-Falls im Funktionsteam bis Donnerstag unter häuslicher Quarantäne steht. Dann soll erneut getestet werden.

Auch Fabian Wohlgemuth, neuer Sport-Geschäftsführer des Bundesliga-Schlusslichts SC Paderborn, begrüßte die Saisonfortsetzung. Der 41-Jährige lobte das DFL-Konzept und sagte mit Bezug auf den eigenen Club: "Nun ist es die zentrale Aufgabe, das Infektionsrisiko innerhalb und außerhalb unseres Trainingszentrums so gering wie möglich zu halten."

Watzke: "Wäre nicht durchzuhalten gewesen"

Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke zeigte sich dankbar über die Erlaubnis der Politik. "Die Bundesliga so lange ruhen zu lassen, bis wieder Zuschauer in die Stadien dürfen, wäre für die Vereine wirtschaftlich allerdings nicht durchzuhalten gewesen“, sagte Watzke.

Vorerst erleichtert: BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke (Archiv).
Vorerst erleichtert: BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke (Archiv). © Imago/ActionPictures

Der BVB sei sich "einer großen Verantwortung bewusst“, meinte Watzke weiter. "Wir werden – im Wissen darum, dass es keine Garantien gibt – alles versuchen, um eine möglichst hohe Sicherheit zu gewährleisten, dass es zu keinen neuen Infektionen bei Spielern und deren Familien kommt."

Reaktionen auf den Geisterspiel-Beschluss

Peter Görlich (Geschäftsführer TSG Hoffenheim)

"Wir bedanken uns für das Vertrauen, dass die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin dem Profifußball entgegengebracht haben und das für uns nun natürlich auch eine Verpflichtung ist. Jetzt freuen wir uns, in interner Abstimmung mit der DFL die Details für einen Re-Start der Liga anzugehen."

Oliver Mintzlaff (Geschäftsführer RB Leipzig)

"Wir freuen uns sehr, dass uns die Politik mit ihrer Entscheidung die Möglichkeit gibt, die Saison im Mai weiterspielen zu können. Im Zuge der vielen bundesweiten Lockerungen ist dies eine aus unserer Sicht gute und richtige Entscheidung. Unser Blick geht jetzt nach vorn."

Ralf Minge (Sportgeschäftsführer Dynamo Dresden)

"Wir werden uns mit dieser Entscheidung anfreunden müssen, denn es gibt derzeit keine mehrheitsfähige Alternative zu Geisterspielen unter den Klubvertretern. Fußball ist ohne Wenn und Aber eine Publikumssportart. Was da in den kommenden Wochen auf uns wartet, wird nicht annähernd die Faszination des Fußballs entfalten können, die wir an diesem Sport so lieben."

Franz Reindl (Präsident Deutscher Eishockey-Bund)

"Der Fußball trägt mit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs der 1. und 2. Bundesliga eine große Verantwortung - mit der alle Beteiligten entsprechend sorgsam umgehen sollten. Das hat auch die Politik heute klar und deutlich dargelegt. Das Verhalten der Profis zum Beispiel wird sehr wahrscheinlich auch Auswirkungen auf andere Mannschaftssportarten haben, deshalb können wir uns dem entsprechenden Appell der Regierung nur anschließen. Wir arbeiten derzeit selbst intensiv an den Voraussetzungen für die schrittweise Rückkehr des Eishockeys in einen Trainings- und Spielbetrieb, das Hygienekonzept der DFL ist uns dabei eine große Hilfe."

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BVB-Chef wünscht sich den 15. Mai

Als Starttermin wünscht sich Watzke das Wochenende vom 15. bis 17. Mai. "Mein großer Wunsch wäre der 16. Mai, der würde uns wirklich in die Lage versetzen, die Saison vor dem 30. Juni ordentlich zu beenden, denn das müssen wir, weil wir ansonsten mit Regressverpflichtungen leben müssen, weil wir sonst Verhandlungen führen müssen", sagte er noch vor der Entscheidung im RTL-Frühmagazin.

"Aber wir haben momentan allen Grund zur Demut und wir haben einfach nur den Wunsch, aber die Politik muss entscheiden, das ist klar."

Neustart aufgrund der TV-Gelder wichtig

Für die Liga ist eine Fortsetzung der Saison von enormer Bedeutung, weil viele Vereine durch fehlende Einnahmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Bei einer Fortsetzung der Bundesliga wären zumindest die millionenschweren TV-Gelder gesichert. 25 Spieltage sind in den beiden höchsten deutschen Spielklassen absolviert, die verbleibenden neun Spieltage sollen nun nachgeholt werden.

Die DFL hatte für den schnellen Neustart ein Sicherheits- und Hygiene-Konzept entworfen, das unter anderem die dauerhafte und wiederholte Testung der Profis vorsieht. Die DFL hatte zuletzt mit einer Taskforce das Konzept ausgearbeitet, durch dessen Umsetzung ein sicherer Spielbetrieb während der Pandemie gewährleistet sein soll. In einer ersten Testreihe hatte es bei 1724 Tests in der 1. und 2. Liga zehn positive Fälle gegeben.

Watzke: Es spielen "Gesunde gegen Gesunde"

Laut Watzke sehe man durch die Testungen, dass der eine oder andere Fall aufgespürt worden sei, "wo man nicht merken konnte, dass derjenige Corona hatte, weil er null Symptome hatte. Wir sind jetzt in dem Prozess, dass wir relativ sicher sind, dass, wenn die Bundesliga wieder startet, Gesunde gegen Gesunde spielen und das ist die ideale Voraussetzung."

Trotz des jüngsten Skandal-Videos des umgehend suspendierten Hertha-Profis Salomon Kalou und anhaltender Bedenken der Kritiker stehen die Zeichen dafür nicht schlecht. Neben den Länderchefs und der Sportministerkonferenz hegen auch der für den Sport zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Spahn keine Zweifel am nachgebesserten Hygiene-Konzept der DFL.

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Fall Kalou: Spahn macht "Durchgreifen" an

Hertha-Stürmer Kalou hatte am Montag über Facebook ein Video veröffentlicht, in dem unter anderem zu sehen ist, wie bei seinem Mitspieler Jordan Torunarigha eine Probe für einen Corona-Test genommen wird. Zudem hatte der 34-Jährige Gespräche in der Umkleidekabine unter anderem mit Teamkollege Vedad Ibisevic aufgenommen. Während der Video-Sequenz gab Kalou immer wieder Mitspielern oder Vereinsmitarbeitern die Hand und verstieß damit gegen die von der DFL in ihrem Konzept gemachten Vorgaben.

Kalou zeigte sich einsichtig. "Es war ein großer Fehler", räumte der Ivorer in einem Interview bei Sport1 ein. Gesundheitsminister Spahn mahnte: "Wir haben in den letzten Tagen gesehen, bei dem einen oder anderen muss das Verständnis dafür, dass es hier um etwas geht, offensichtlich noch geweckt werden." Deswegen sei "ein klares Durchgreifen" der Deutschen Fußball Liga und der einzelnen Teams "ganz, ganz wichtig".