Berlin. Nach seinem Corona-Video kriecht der Stürmer erneut zu Kreuze. Doch seinem Club wird der suspendierte Profi wohl nachhaltig schaden.

Die Sache ist so bizarr, dass das Offensichtliche als Erklärung für manche nicht ausreicht. Im Internet verbreitete sich schnell der Gedanke, Salomon Kalou habe mit dem verräterischen Kabinen-Video vielleicht genau diese verheerende Wirkung erzielen wollen. Auf Twitter wurde der Ivorer scherzhaft sogar für den Nannen Preis für die beste Undercover-Reportage vorgeschlagen.

Mit Klinsmann nahmen Herthas Probleme Fahrt auf

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen - wie oft die Verantwortlichen von Hertha BSC zuletzt wohl an dieses Sprichwort gedacht haben? Der possenreiche Kurz-Auftritt von Jürgen Klinsmann ("Handy-Gate"), dessen denkwürdiger Rücktritt ("HaHoHe, Euer Jürgen"), die anschließende Schlammschacht in den Medien ("Lügenkultur", "Ego-Wahn"), die drei Trainerentlassungen, das 80-Millionen-Euro-Shopping im Winter dank Investor Lars Windhorst: Kein anderer Bundesligist unterhielt die Öffentlichkeit in dieser Saison so sehr wie Hertha BSC.

Ex-Twitter-Sportchef: "Keine graue Maus mehr"

"Eine graue Maus sind wir ganz sicher nicht mehr, wenngleich das weniger mit unseren Kampagnen zu tun hat, sondern mehr mit der turbulenten Saison", hatte Herthas Markenchef Paul Keuter schon vor Kalous Fehltritt in der Berliner Morgenpost gesagt. Keuter schien das scherzhaft zu meinen, doch in dem Satz steckt wohl mehr Wahrheit, als dem ehemaligen Twitter-Sportchef in Deutschland lieb ist.

Windhorst und der Traum vom "Big City Club"

Hertha BSC will Aufmerksamkeit, um endlich auch über die Stadtgrenzen hinweg als Hauptstadtclub wahrgenommen zu werden - oder als "Big City Club", wie Windhorst es ausdrückt. Der Investor stellte dafür bislang 224 Millionen Euro zur Verfügung, mit denen spätestens ab der kommenden Saison die Europacupplätze angegriffen werden sollen. Parallel dazu arbeitet Keuters Team am Digitalisierungsprozess, um zusätzliche Einnahmen zu generieren und die Reichweite des Clubs zu vergrößern.

Neuer Hertha-Slogan wurde wieder abgesetzt

Mit vielen Ideen fremdeln aber Teile der Anhänger, der von einer Werbefirma hervorgebrachte Slogan "We try, we fail, we win" wurde schnell wieder abgesetzt. Keuter geriet zwischenzeitlich sogar zum Feindbild bei den organisierten Fans, denen das neue Konzept zu sehr zu Lasten der Tradition geht. Erschwerend kommt hinzu, dass Stadtrivale Union Berlin nach dem Aufstieg viele Sympathien in der Hauptstadt dazugewonnen hat.

Hertha gibt trotz aller Bemühungen derzeit weniger das Bild eines glamourösen Großstadtclubs ab, sondern wird in der Öffentlichkeit eher so wahrgenommen wie jahrelang der Hamburger SV: immer gut für einen Skandal.

Fall Kalou: Spahn und Söder kommentieren

Der Club bemüht sich wie im Fall Kalou stets eifrig um Richtigstellung und Konsequenzen, die Suspendierung des Stürmers von der Elfenbeinküste begrüßten sogar Gesundheitsminister Jens Spahn und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

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So ein Verhalten bringe "das ganze Konzept in Verruf“, sagte Söder (CSU). "Da macht die Liga hervorragende Konzepte, und dann gibt es Einzelspieler, wie jetzt zu lesen war, die sich sehr, sehr, sehr unglücklich verhalten.“

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Kalou: "Ich weiß, wer ich wirklich bin"

Kalou selbst trat am Dienstag den Canossagang an und entschuldigte sich nochmals bei seinen Mitspielern. "Ich trage die Verantwortung für diesen dummen Fehler“, sagte der Offensivspieler in einem Interview mit Sport1.

"Ich bin nicht sauer oder wütend“, sagte Kalou über die erfolgte Suspendierung. "Nein. Ich weiß, wer ich wirklich bin. Ich weiß, dass ich ein guter Mensch bin. Ich helfe den Menschen, setze mich gerade auch mit meiner Stiftung für hilfsbedürftige Menschen in Afrika ein“, betonte der 34-Jährige.

Eben noch im Corona-Training, jetzt schon suspendiert: Hertha-Profi Salomon Kalou, 34.
Eben noch im Corona-Training, jetzt schon suspendiert: Hertha-Profi Salomon Kalou, 34. © Imago/Nordphoto

Kalou begründet Video mit guter Laune

In einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erläuterte Kalou sein Handeln, das demnach vornehmlich aus Freude über die negativen Corona-Tests begründet war. "Seit wir zurück sind aus der Quarantäne, werden wir wöchentlich auf den Erreger getestet“, sagte er. "Bei uns gab es keine weiteren positiven Testergebnisse. Und da sollen wir uns nicht die Hand geben?"

Dennoch räumte der ehemalige Champions-League-Sieger (2012 mit dem FC Chelsea) ein: "Das Video hätte ich niemals machen dürfen. Es war respektlos und dafür möchte ich mich aufrichtig entschuldigen. Aber ich bin mehr als diese fünf schlechten Minuten, die man dort von mir in der Kabine sieht."

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Salomon Kalou hofft "auf ein Happy End"

Kalous Vertag bei der Hertha endet am 30. Juni. "Ich habe für einen großartigen Club in einer wundervollen Stadt gespielt. Ich kann sagen, dass ich eine sehr gute Zeit hatte. Wenn ich den Fehler rückgängig machen könnte, würde ich es tun. Ich hoffe auf ein Happy End", sagte er Sport1.

Man kann zwar getrost davon ausgehen, dass sich Fußballprofis nicht nur bei Hertha so sorglos und teils abgehoben verhalten, wie es Kalous Video auf erschreckende Weise dokumentiert.

Und trotzdem hat Hertha nun das Imageproblem, nicht nur die Bild-Zeitung spottete über den "Pannen-Verein". Womöglich wäre mancher im Club derzeit sogar froh über das alte Graue-Maus-Image.