Hamburg. Auch eine 3:0-Führung reichte bei Dynamo Dresden nicht zum Erfolg. Trainer Luhukay beklagt individuelle Fehler.

Ruhe. Nichts los am Sonntag an der Kollaustraße und rund um das Millerntor. Trainingsfrei, abschalten, abhaken. Vielleicht auch ablenken, mit den Familien oder Freunden. Irgendwie diese erneute Enttäuschung wegpacken – was bleibt den Profis vom FC St. Pauli auch anderes übrig? „Das ist totale Scheiße“, sagte Mittelfeldspieler Marvin Knoll und drückte damit wohl die Gefühlslage des gesamten Teams und der Fans nach dem 3:3 bei Dynamo Dresden am Sonnabend aus.

Selbst eine 3:0-Führung im über 30 Grad heißen Glutofen des Rudolf-Harbig-Stadions reichte den Hamburgern nicht zum zweiten Dreier der Saison. „Wir haben zum dritten Mal nacheinander ein sehr gutes Auswärtsspiel gezeigt“, stellte Trainer Jos Luhukay fest, „aber wieder konnten wir das Ergebnis nicht über 90 Minuten retten, wieder waren wir sehr naiv.“

Leider den Ball verloren

Dimitrios Diamantakos (13., 29.) und Waldemar Sobota (16.) hatten jeweils nach Vorarbeit des sehr guten Mats Möller Daehli für die vermeintlich klare Führung gesorgt. „Unser Plan ist vollständig aufgegangen“, sagte Luhukay. Die Räume wurden eng gemacht, die Zweikämpfe angenommen, die Dresdner kamen überhaupt nicht dazu, ihr Kombinationsspiel aufzuziehen. Die Viererkette stand insgesamt sicher, klare Chancen spielte sich Dresden kaum raus. Dennoch reichte es nicht zum Sieg. Jannis Nikolaou (40., 54.) und fünf Minuten vor Spielende Moussa Koné glichen die Partie noch aus. „Wir verteidigen dreimal schlecht und kassieren drei Gegentore. So einfach ist das“, sagte Möller Daehli, „beim Ausgleich habe ich leider den Ball verloren.“

Späte Gegentore verhinderten schon in Bielefeld (1:1) und Stuttgart (1:2) eine bessere Ausbeute. „Das darf einfach nicht passieren“, trieb Knoll eine kollektive Selbstanklage, „es ist so ärgerlich, wir hätten sechs Punkte mehr haben müssen.“ Na gut – tatsächlich sind es fünf, die in drei Schlussphasen auf Gegners Platz verloren gingen.

Abstiegsgefahr vor dem Derby

Jetzt steht St. Pauli vor dem Lokalderby gegen den HSV mit nur fünf Zählern aus fünf Partien auf Platz 13. Abstiegsgefahr. „In der Gesamtheit ist es keine Professionalität, wie wir die Führung immer herschenken“, klagte Kapitän Daniel Buballa, „wir waren nicht konsequent genug beim Verteidigen.“

Dazu kommen eben diese individuelle Fehler. Diesmal war Torwart Robin Himmelmann der Unglücksrabe. Seine Aussetzer vor dem 1:3 und vor allem dem 3:3 waren so offensichtlich, dass selbst der Trainer gegenüber der Presse nicht darum herumreden wollte. „Letzten Montag gegen Kiel hat uns Robin gerettet, diesmal hat Robin die Punkte für uns verloren“, sagte Luhukay, „das waren zwei Momente, die er hätte anders lösen können.“ Bei einem Eckball vor der Pause kam er nicht an den Ball, vor allem aber verschätzte er sich beim Rauslaufen derart fürchterlich, dass Koné wenig Mühe hatte, das Tor zu erzielen. „Da sehe ich nicht gut aus“, gab Himmelmann zu, „ich würde es jetzt versuchen, anders zu lösen.“

Keine Vorwürfe von Luhukay an Torwart Himmelmann

Torhüter-Schicksal. „Ich werde Robin keine Schuld geben“, sagte Luhukay deshalb natürlich auch. Tatsächlich wäre es zu dem entscheidenden Patzer gar nicht gekommen ohne den Ballverlust in der gegnerischen Hälfte. Da spielte St. Pauli seit einer Minute in Überzahl, weil der schnelle Christian Conteh von Nikolaou nur per grobem Foulspiel gestoppt werden konnte – Rot nach Videobeweis. Conteh, der gerade 20 Jahre alt gewordene Shootingstar, begann das Spiel auf der Bank.

„Er war gegen Kiel nach 60 Minuten platt“, erklärt Coach Luhukay. Die Idee, den flinken Stürmer ab der 60. Minute als frische Kraft für Konter zu bringen, ging zudem auf – theoretisch. Conteh war an zwei erstklassigen Konterchancen beteiligt, die eine etwas cleverere Mannschaft auch besser nutzt. „Christian hätte das Spiel entscheiden können“, sagte Luhukay deshalb, „dann wäre alles gut gewesen.“

St. Pauli spielt Jugendfußball

Hätte, wäre, könnte – es waren einige Konjunktive in der Schnellanalyse des Spiels zu hören. „In der zweiten Hälfte hat uns die Entschlossenheit gefehlt, die Bälle zu gewinnen und das Tor zu machen, um den Deckel draufzumachen“ kritisierte der „stocksaure“ Buballa. Mittelfeldabräumer Knoll kritisierte: „Da war auch ein bisschen Jugendfußball drin.“

Das ist ja auch der Weg von Luhukay. In Finn Ole Becker (19), Florian Carstens (20) und Niklas Hoffmann (22) standen drei Youngsters in der Startelf, Conteh (20) kam in der 61. Minute, Verteidiger Leo Östigard (19) in der 79. Minute. Alterfahrene Kräfte wie Christopher Buchtmann und Jan-Philipp Kalla haben einen schweren Stand. der Preis dafür können dann halt körperliche Probleme ab der 80. Minute sein – auch in Dresden gab es Krämpfe – und naive Fehler aus Unerfahrenheit. Von dem am Freitag verpflichteten Rechtsverteidiger Sebastian Ohlsson (26) erhoffen sich die Braun-Weißen deshalb mehr Erfahrung in der Abwehr. „Er war bei IFK Göteborg eine absolute Stütze“, sagte Sportchef Andreas Bornemann, „ein absoluter Führungsspieler.“

Jeder muss Gas geben

Der Schwede wird am Dienstag erstmals auf dem Trainingsplatz stehen, ebenso wie Youba Diarra (21), der von RB Salzburg ausgeliehen wurde. Beide sollen am Mittwoch (12 Uhr) im Testspiel in Norderstedt gegen den dänischen Erstligisten Aalborg BK getestet werden. 35 Spieler hat der FC St. Pauli im Kader. Luhukay wechselt deshalb munter durch. Noch keinmal stand dieselbe Startelf auf dem Platz. Für Marvin Knoll ist das aber kein Problem: „Konkurrenzkampf, das ist gut. Jeder muss immer Gas geben.“

Damit können sie ab Dienstag wieder beginnen. Dresden verdrängt – und das Derby schon im Kopf. Und die Folgen des 3:3 für die Psyche? „Keine“, sagt Buballa, „jetzt ist Länderspielpause, und dann geht es von vorne los.“