Hamburg. Bis zuletzt hatte es der Deutsche vermieden, zur Hamburger Kandidatur Stellung zu nehmen. Jetzt spricht er noch einmal über die Kosten.
Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), hatte zuletzt vermieden, öffentlich zum Stand der Bewerbung Stellung zu nehmen. Doch bei allem Willen zur Neutralität galt Bach intern als Sympathisant der Hamburger Bewerbung, da sie dem Willen des IOC zum Abschied von immer gigantischeren Spielen entsprach.
Glosse: Ja-Sager sind Nein-Kreuzer
Entsprechend enttäuscht äußerte sich Bach am Montag zum Scheitern des Referendums: „Wir sehen darin eine verpasste Chance für Hamburg und Deutschland. Die knappe Entscheidung wurde offensichtlich stark beeinflusst von der Diskussion über die Finanzierung des Projekts, das von der Kandidatenstadt Hamburg vorgeschlagen worden ist. Das Organisationsbudget für die Olympischen Spiele in Höhe von 3,4 Milliarden Euro war ausgeglichen. Das IOC hätte damit zum Erfolg der Spiele 1,7 Milliarden US-Dollar beigesteuert, die im Verhältnis zu den 1,2 Milliarden Euro zu sehen sind, die die Stadt in das Infrastrukturbudget in Höhe von 7,8 Milliarden Euro investieren wollte.“
Olympia-Referendum: Der Tag der Entscheidung
„IOC stellt Transparenz sicher“
Der IOC-Chef zog Parallelen zum Fifa-Skandal und der Dopingaffäre in der russischen Leichtathletik: „Die Entscheidung wurde möglicherweise beeinflusst von bedauernswerten Doping- und Korruptionsfällen in anderen Sportorganisationen. Das ist sehr schade, da das IOC Transparenz sicherstellt und strikte Antikorruptionsregeln mit seinem Reformprogramm anwendet. Diese entsprechen höchsten internationalen Standards.“
Internationale Pressestimmen zum Referendum
Das ist die zweite Niederlage einer deutschen Olympia-Bewerbung innerhalb von nur zwei Jahren. Zuvor hatten schon die Münchner gegen die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 gestimmt. Im März hatte das Olympische Komitee Hamburg Berlin vorgezogen, weil sie in der Hansestadt mehr Unterstützung erhofften als in der Metropole.
Paris hat einen Gegner weniger im Rennen um die Ausrichtung der Olympischen Spiele von 2014. Bleiben nur noch Los Angeles, Rom und Budapest.
Das ist eine Schmach für den Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland Alfons Hörmann. Noch vergangene Woche hat er auf den entscheidenden Elan des deutschen Sports auf allen Ebenen beharrt.
Rom verliert eine Rivalin für die Spiele 2024. Und es gibt da nichts zu feiern. (...) Vier Städte bleiben im Rennen: Rom, Paris, Los Angeles und Budapest. Und es bleibt die Gewissheit, dass Olympische Spiele im Augenblick nicht all zu sehr geschätzt werden.
Hamburg 2024 ist bei den Bürgern durchgefallen. Es bleiben noch drei Gegner für Rom im Rennen um die Olympischen Spiele 2024.
Für Deutschland ist es der zweite ins Leere laufende Olympiaversuch der letzten zwei Jahre.
Für Olympia in London hatte die britische Regierung rund neun Milliarden Euro ausgegeben. Hamburgs Organisatoren rechneten damit, dass ihre Spiele gut zwei Milliarden Euro weniger kosten würden. Die Kritiker des Olympia-Konzepts verwiesen indes darauf, dass das Londoner Budget in einem Punkt um ein Vielfaches höher war, nämlich der Sicherheit. Dabei dürfte ihre Bedeutung nach den Ereignissen von Paris noch erheblich zunehmen.
Eine der wohlhabendsten Städte des Kontinents traut sich also nicht zu, ein Sportfest für die Welt auszurichten. Es wird nun womöglich wieder in den USA oder gar in einer jener Diktaturen stattfinden, die weder auf ihre Bevölkerung noch auf die Umwelt irgendeine Rücksicht nehmen. Die intelligente, sanfte und die Stadt schonende Planung aus Hamburg kommt hingegen nicht zum Zug. Auch das haben die Wähler gestern mitentschieden. Trotz des fast schon trotzigen Positiv-Votums aus dem kleinen Kiel trägt dieser Sonntagabend eine traurige Botschaft in die Welt: Mit Deutschland ist bei großen, weltumspannenden Sportereignissen erst einmal nicht mehr zu rechen. Wie schade. Wie klein.
München wollte nicht, und Hamburg will nun auch nicht. Nach der anfänglichen Euphorie für die Olympia-Bewerbung im Jahr 2024 ist das eine faustdicke Überraschung. Und das Nein ist noch eines: sehr schade. Nicht nur, weil Sport-Deutschland damit das Signal sendet, kein Ort mehr für weltverbindende Sport-Großveranstaltungen sein zu wollen. Nein, schade ist es auch, weil offensichtlich die Terror-Attentate von Paris und das später abgesagte Fußball-Länderspiel gegen die Niederlande ihre Wirkung entfalten konnten. Man könnte auch sagen: Die Terroristen haben auch in Hamburg geschafft, was sie wollten - Angst verbreiten. Die ehemalige Hockey-Nationalspielerin Britta Becker nannte das Votum "ein bisschen mutlos". Ein bisschen? Sicher, der Sport und auch die Politik dürfen sich nach dem Votum auch an die eigene Nase fassen. Ob Fifa-Korruptionsskandal, das angeblich gekaufte Fußball-Sommermärchen, flächendeckendes Doping in der russischen Leichtathletik - nicht gerade Themen, die eine Stimmung der Sportbegeisterung in der Bevölkerung erzeugen können. Und die Politik? Sie trug zur Verunsicherung bei, weil bis zum Ende nicht klar war, welche Kosten denn nun auf die Hamburger zukommen und wie viel der Bund übernehmen würde. Das war dilettantisch vorbereitet, sowohl von Bürgermeister Olaf Scholz als auch von "Sportminister" Thomas de Maizière. Nun denn, die Bürger haben gesprochen. Hamburg wird sein Tor zur Welt nicht aufmachen, und Bremen darf seinen Schlüssel zum Tor nicht umdrehen. Schade, aber immerhin basiert das Nein auf einem Referendum. Wenigstens was.
Das Referendum war auch eine Abstimmung über die Frage: Passen milliardenteure Großveranstaltungen und Demokratien noch zusammen? Die Antwort: nein. Zumindest passen sie nicht so zusammen, wie es sich die Weltsportverbände, allen voran IOC und FIFA, vorstellen. Von Korruptionsvorwürfen rund um die Vergaben der Groß-Events einmal abgesehen, sorgen die Dreistigkeit und Selbstherrlichkeit der Sportfunktionäre für Olympia-Verdruss. Die Forderung nach Steuerbefreiungen, mit der sich die Verbände wie selbstverständlich über das Gesetz des jeweiligen Landes erheben, und die das Abwälzen der Kostenübernahme auf die veranstaltende Stadt sind da nur zwei Stichworte. So etwas lassen sich die Menschen, die in diesen unruhigen Zeiten andere Themen bewegen, nicht mehr gefallen.
Der Zeitpunkt des Referendums war unglücklich. Seit den Attentaten von Paris spielen Sicherheitsbedenken eine viel größere Rolle... Die Megaveranstaltung ist leider gestorben. Aus den Trümmern der Bewerbung lässt sich aber vielleicht noch etwas Brauchbares für den Sport, die Infrastruktur und die Zusammenarbeit von Hamburgern und Schleswig-Holsteinern zusammenbasteln.
Für den deutschen Sport ist das Ergebnis verheerend. Einmal mehr ist es den Verbänden und ihren Funktionären nicht gelungen, ihrem anspruchsvollen und gewiss auch kostspieligen Vorhaben zu der nötigen demokratischen Legitimation zu verhelfen. Im Falle Hamburgs mögen die Gründe vielfältig sein. Die weiterhin als große Belastung empfundene Flüchtlingssituation und die akute Terrorgefahr haben den Stimmungspegel zuletzt nicht in Richtung Olympia ausschlagen lassen. Am Ende haben es die Olympia-Befürworte nicht vermocht, die Befürchtungen der Skeptiker zu zerstreuen. Ein olympisches Sommermärchen wird es nicht geben. Nicht in Hamburg, und auf absehbare Zeit wohl auch in keiner anderen deutschen Stadt.
Allen optimistischen Prognosen zum Trotz: Hamburgs Bürger haben den olympischen Traum in der Elbe versenkt. Aus und vorbei. Das ist schade, aber kein Weltuntergang. Und der Sport wäre ein schlechter Verlierer, würde er die Ursachen seines Scheiterns nicht in erster Linie bei sich selbst suchen. Natürlich drückt der Flüchtlingsstrom auf die Stimmung, die Terroranschläge von Paris schüren diffuse Ängste. Aber das eindeutige Nein der Hansestadt zu einer Olympia-Bewerbung hat tieferliegende Gründe. Die Welt des Spitzensports hat zunehmend Probleme, sich zu legitimieren.
Hamburg will Olympia nicht. Es gab reichlich gute Gründe, der Bewerbung um die Spiele 2024 ablehnend gegenüberzustehen: die Milliardenkosten, die wachsende Terrorgefahr, die Ungewissheit angesichts der Flüchtlingsproblematik, die Korruption bei großen Sportverbänden, dazu die speziellen Hamburger Erfahrungen mit dem Großprojekt Elbphilharmonie. Alles richtig, aber alles zu kurz gedacht. Die Bürger haben es verpasst, ein Zeichen für Optimismus und Schaffenskraft zu setzen. Von einer kraftvollen Bewerbung hätten Impulse ausgehen können, die ins ganze Land hätten ausstrahlen können - und zwar weit über den Sport hinaus. Olympia hätte ein Leuchtturm-Projekt für Deutschland werden können, so wie es London 2012 in Großbritannien war. Auf absehbare Zeit wird es keine deutsche Bewerbung mehr geben können, nachdem die Bayern vor zwei Jahren einen Anlauf auf die Winterspiele 2022 gestoppt haben. Dabei wäre damals eine Kandidatur angesichts der schwachen internationalen Konkurrenz wie ein Elfmeter ohne Torwart gewesen. In Sachen Olympia ist Deutschland zu zaghaft. Schade.
Es ist ein Nein. Die Bürger in Hamburg wollen die Olympischen Spiele 2024 nicht. Es ist ein Nein zu den Chancen, denn die hatte es ja auch gegeben: Stadtentwicklung zum Vorzugstarif zum Beispiel. Aber die Menschen wollen es nicht. Nicht die Baustellen, nicht die Umstände, nicht die Kosten. Hamburg liegt damit auf einer Linie mit München, das hinsichtlich der Winterspiele 2022 schon dankend abgelehnt hatte. Das bedeutet: Die Menschen in Deutschland sehen es nicht mehr ein, warum Milliarden ausgegeben werden sollten für ein zweiwöchiges Sport-Ereignis, wenn Geld überall sonst fehlt: Bei der Bildung, bei der Integration, in der Infrastruktur. Wer will es den Menschen verdenken? Gerade in einer Zeit, in der so deutlich wie nie zu Tage tritt, wie intransparent, gierig und schmierig der Sport, seine Verbände und Organisationen sein können. Es ist ein kluges Nein dem unkalkulierbaren Milliarden-Wahnsinn in unübersichtlichen Zeiten. Aber es ist damit indirekt auch ein Nein dem Sport. Denn Deutschland wird eine Großveranstaltung dieser Art in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr aus nächster Nähe zu Gesicht bekommen. Für die Förderung des Sports und seine Vielfalt in Deutschland war das Hamburger Referendum eine Niederlage.
Olympische Winterspiele in Peking? Schon wieder in China? Nein, das darf nicht sein! Eine Fußball-WM in Katar? Geht gar nicht! Igittigitt! Es wurde und wird in Deutschland viel geschimpft über die Vergabe von Sportveranstaltungen an Länder, deren Machthaber mit Demokratie wenig bis gar nichts am Hut haben. An Länder, deren Klima nur bedingt für die betroffenen Spitzensportler geeignet ist. Genau wie die Münchner vor zwei Jahren haben am Sonntag nun auch die Hamburger Bürger gegen die Bewerbung ihrer Stadt um Olympische Spiele gestimmt. Das ist ebenso nachvollziehbar wie ärgerlich. Natürlich ging nach den Terroranschlägen von Paris die Angst um, dass auch Olympia an der Elbe zum Ziel von Anschlägen werden könnte. Natürlich hat der Dopingskandal um die russischen Leichtathleten ein schlechtes Licht auf eine olympische Kernsportart geworfen. Natürlich leidet der Spitzensport unter den Korruptionsaffären, die ans Licht kommen. Und auch, wenn der aktuellste Skandal aus dem Bereich des Fußball stammt, dürfte die Sommermärchen-Affäre der Sargnagel für Hamburgs Bewerbung gewesen sein. Wie gesagt: Es gibt Gründe, gegen Olympia zu sein. Und dennoch: Alles abzulehnen, was zunächst eine größere Investition erfordert, ist der falsche Weg. So schnell dürfte es keine deutschen Bewerbungen um Olympia oder Fußballturniere mehr geben. Doch soll Deutschland zum Land der Bedenkenträger werden? Darf gar nicht mehr groß gebaut und gedacht werden? Gegen jede Startbahn wird gekämpft, gegen jeden Bahnhof und demnächst, polemisch gesagt, gegen jede Bushaltestelle. Und immer, auch bei Olympia, wird dieses fürchterlich destruktive und zukunftsfeindliche "Es gibt Wichtigeres zu tun"-Argument ins Feld geführt. Doch sich heute zu verweigern, bedeutet eben auch, in der Zukunft nicht mehr vorne dabei zu sein. Anstatt zu beweisen, dass Deutschland es besser machen würde als andere, lässt man es halt sein. Zur Demokratie gehört, eine Mehrheitsentscheidung zu respektieren. Traurig ist sie trotzdem.