Hamburg. Alfons Hörmann über die Lehren aus dem verlorenen Referendum, eigene Fehler und die Chancen einer erneuten Bewerbung.

Die Anstecknadel mit dem Feuer-und-Flamme-Symbol hat Alfons Hörmann noch nicht vom Revers seines Jacketts entfernt. „Die bleibt erst einmal dran“, sagt der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds, bevor er sich in die HafenCity aufmacht. Dort will er sich von den Mitarbeitern der Bewerbungsgesellschaft verabschieden.

Hamburger Abendblatt: Herr Hörmann, sehen Sie Hamburg seit Sonntagabend mit anderen Augen?

Alfons Hörmann: Olympia war eine einmalige Chance für Hamburg und die Metropolregion, die nun leider verpasst wurde. Das Vertrauen, das ich in die Stadt und die Bürger gesetzt hatte, hat sich ganz knapp nicht erfüllt. Das ändert aber nichts daran, dass die Politik und viele haupt- und ehrenamtliche Kräfte ihren Job im Sinne der Sache hervorragend gemacht haben. Ich wüsste niemanden, dem ich dieses Ergebnis ankreiden würde.

Worauf ist die Niederlage dann zurückzuführen?

Hörmann : Der Zeitpunkt des Referendums war zweifelsohne alles andere als ideal. Das ist aber kein Vorwurf an die Stadt, sondern war der zeitlichen Abfolge der notwendigen Entscheidungen geschuldet. November ist allein von der Jahreszeit her unglücklich, da hat man andere Dinge im Kopf als Sommerspiele. Unmittelbar nach Olympia in Rio wäre das Gefühl vielleicht ein anderes gewesen. Ein späterer Termin aber wäre ein zusätzlicher Angriffspunkt für die Gegner gewesen und hätte eine Niederlage noch ärgerlicher gemacht. Für die Begleitumstände – Flüchtlinge, Paris – kann keiner etwas.

Wie sehr hat Sie das Ergebnis überrascht?

Hörmann : Ich habe viele Veranstaltungen an der Basis, in denen offensichtlich kontrovers diskutiert wurde, nicht persönlich miterlebt. Wo immer ich aufgetreten bin, musste man den Eindruck gewinnen: Da kann nichts schiefgehen. Da gab es kaum kritische Nachfragen, aber mir war klar, dass viele eben einfach ihr Kreuz ohne öffentliche Diskussion setzen.

War der Wahlkampf möglicherweise zu wenig kontrovers – auf Kosten des nötigen Kampfgeists?

Hörmann : Die Situation war in der Tat eine völlig andere als vor zwei Jahren beim Münchner Referendum gegen Winterspiele 2022. Damals hat es viele Bürger gar nicht interessiert, aber die Gegner waren viel aktiver, da wurde gestritten, es ging hoch her. Meine Sorge in Hamburg war immer: Gibt es eine schweigende Mehrheit, die gegen Olympia ist? Offenbar ja. Ein Gegner, der auf Konfrontation geht, gibt einem die Chance, Argumente zu entkräften. Wobei einige sich auch einer einfachen rationalen Erklärung entziehen: die Anschläge von Paris, die Affäre um die Fußball-WM-Vergabe. Da spielen auch starke Gefühle mit rein. Und aus der Emotion statt aus der Ratio zu entscheiden, ist das gute Recht der Bürger.

Woran denken Sie, wenn Sie von einer verpassten Chance sprechen?

Hörmann : Hamburg hätte aus der Reihe der sogenannten Second Cities auf die Ebene der international wahrgenommenen Metropolen aufrücken können. Irgendwo habe ich die Schlagzeile gelesen: „Hamburg verschließt das Tor zur Welt.“ Die Kraft von Olympia ist mit PR und internationaler Kommunikation auf keinem anderen Weg wettzumachen.

Welche Lehren sind zu ziehen?

Hörmann : Dass die Zeit für Olympische Spiele in Deutschland noch nicht reif ist. Wir haben annähernd das gleiche Ergebnis wie in München 2013. Und wenn man sieht, wie viel im Vergleich zu Hamburg damals falsch gelaufen ist und wie wenig unternommen wurde, ist das ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich hier mustergültig engagiert haben.

Welche Fehler würden Sie einräumen?

Hörmann : Mit mehr Zeit hätte man das Thema Finanzierung vielleicht besser klären können. Ich kann aber auch der Bundesregierung nicht böse sein, dass sie bei dieser Größenordnung nicht ohne intensive Prüfung einen Haken hinter den Kostenvoranschlag macht.

In Berlin gibt es offenbar Klagen, dass man von Hamburg nicht frühzeitig in die Planungen einbezogen wurde.

Hörmann : Das stimmt so nicht. Wir haben im März die Entscheidung für Hamburg getroffen. Im April fiel die Entscheidung, dass der Bund in die Bewerbungsgesellschaft einsteigt. Diese wurde Ende Juni gegründet, bis dahin gab es noch gar keine Strukturen. Ab diesem Zeitpunkt sind die Grundzüge der Bewerbung und alle Entscheidungen über die Steuerungsgruppe gemeinsam besprochen und protokolliert worden.

Internationale Pressestimmen zum Referendum

Le Monde (Frankreich)

Das ist die zweite Niederlage einer deutschen Olympia-Bewerbung innerhalb von nur zwei Jahren. Zuvor hatten schon die Münchner gegen die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 gestimmt. Im März hatte das Olympische Komitee Hamburg Berlin vorgezogen, weil sie in der Hansestadt mehr Unterstützung erhofften als in der Metropole.

L'Equipe (Frankreich)

Paris hat einen Gegner weniger im Rennen um die Ausrichtung der Olympischen Spiele von 2014. Bleiben nur noch Los Angeles, Rom und Budapest.

Le Figaro.fr (Frankreich)

Das ist eine Schmach für den Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland Alfons Hörmann. Noch vergangene Woche hat er auf den entscheidenden Elan des deutschen Sports auf allen Ebenen beharrt.

La Stampa (Italien)

 Rom verliert eine Rivalin für die Spiele 2024. Und es gibt da nichts zu feiern. (...) Vier Städte bleiben im Rennen: Rom, Paris, Los Angeles und Budapest. Und es bleibt die Gewissheit, dass Olympische Spiele im Augenblick nicht all zu sehr geschätzt werden.

La Repubblica (Italien)

Hamburg 2024 ist bei den Bürgern durchgefallen. Es bleiben noch drei Gegner für Rom im Rennen um die Olympischen Spiele 2024.

Corriere della Sera (Italien)

Für Deutschland ist es der zweite ins Leere laufende Olympiaversuch der letzten zwei Jahre.

Lidove noviny (Tschechien)

Für Olympia in London hatte die britische Regierung rund neun Milliarden Euro ausgegeben. Hamburgs Organisatoren rechneten damit, dass ihre Spiele gut zwei Milliarden Euro weniger kosten würden. Die Kritiker des Olympia-Konzepts verwiesen indes darauf, dass das Londoner Budget in einem Punkt um ein Vielfaches höher war, nämlich der Sicherheit. Dabei dürfte ihre Bedeutung nach den Ereignissen von Paris noch erheblich zunehmen.

Hannoversche Allgemeine

Eine der wohlhabendsten Städte des Kontinents traut sich also nicht zu, ein Sportfest für die Welt auszurichten. Es wird nun womöglich wieder in den USA oder gar in einer jener Diktaturen stattfinden, die weder auf ihre Bevölkerung noch auf die Umwelt irgendeine Rücksicht nehmen. Die intelligente, sanfte und die Stadt schonende Planung aus Hamburg kommt hingegen nicht zum Zug. Auch das haben die Wähler gestern mitentschieden. Trotz des fast schon trotzigen Positiv-Votums aus dem kleinen Kiel trägt dieser Sonntagabend eine traurige Botschaft in die Welt: Mit Deutschland ist bei großen, weltumspannenden Sportereignissen erst einmal nicht mehr zu rechen. Wie schade. Wie klein.

Weser Kurier (Bremen)

München wollte nicht, und Hamburg will nun auch nicht. Nach der anfänglichen Euphorie für die Olympia-Bewerbung im Jahr 2024 ist das eine faustdicke Überraschung. Und das Nein ist noch eines: sehr schade. Nicht nur, weil Sport-Deutschland damit das Signal sendet, kein Ort mehr für weltverbindende Sport-Großveranstaltungen sein zu wollen. Nein, schade ist es auch, weil offensichtlich die Terror-Attentate von Paris und das später abgesagte Fußball-Länderspiel gegen die Niederlande ihre Wirkung entfalten konnten. Man könnte auch sagen: Die Terroristen haben auch in Hamburg geschafft, was sie wollten - Angst verbreiten. Die ehemalige Hockey-Nationalspielerin Britta Becker nannte das Votum "ein bisschen mutlos". Ein bisschen? Sicher, der Sport und auch die Politik dürfen sich nach dem Votum auch an die eigene Nase fassen. Ob Fifa-Korruptionsskandal, das angeblich gekaufte Fußball-Sommermärchen, flächendeckendes Doping in der russischen Leichtathletik - nicht gerade Themen, die eine Stimmung der Sportbegeisterung in der Bevölkerung erzeugen können. Und die Politik? Sie trug zur Verunsicherung bei, weil bis zum Ende nicht klar war, welche Kosten denn nun auf die Hamburger zukommen und wie viel der Bund übernehmen würde. Das war dilettantisch vorbereitet, sowohl von Bürgermeister Olaf Scholz als auch von "Sportminister" Thomas de Maizière. Nun denn, die Bürger haben gesprochen. Hamburg wird sein Tor zur Welt nicht aufmachen, und Bremen darf seinen Schlüssel zum Tor nicht umdrehen. Schade, aber immerhin basiert das Nein auf einem Referendum. Wenigstens was.

Landeszeitung (Lüneburg)

Das Referendum war auch eine Abstimmung über die Frage: Passen milliardenteure Großveranstaltungen und Demokratien noch zusammen? Die Antwort: nein. Zumindest passen sie nicht so zusammen, wie es sich die Weltsportverbände, allen voran IOC und FIFA, vorstellen. Von Korruptionsvorwürfen rund um die Vergaben der Groß-Events einmal abgesehen, sorgen die Dreistigkeit und Selbstherrlichkeit der Sportfunktionäre für Olympia-Verdruss. Die Forderung nach Steuerbefreiungen, mit der sich die Verbände wie selbstverständlich über das Gesetz des jeweiligen Landes erheben, und die das Abwälzen der Kostenübernahme auf die veranstaltende Stadt sind da nur zwei Stichworte. So etwas lassen sich die Menschen, die in diesen unruhigen Zeiten andere Themen bewegen, nicht mehr gefallen.

Dithmarscher Landeszeitung (Heide)

Der Zeitpunkt des Referendums war unglücklich. Seit den Attentaten von Paris spielen Sicherheitsbedenken eine viel größere Rolle... Die Megaveranstaltung ist leider gestorben. Aus den Trümmern der Bewerbung lässt sich aber vielleicht noch etwas Brauchbares für den Sport, die Infrastruktur und die Zusammenarbeit von Hamburgern und Schleswig-Holsteinern zusammenbasteln.

Berliner Zeitung

Für den deutschen Sport ist das Ergebnis verheerend. Einmal mehr ist es den Verbänden und ihren Funktionären nicht gelungen, ihrem anspruchsvollen und gewiss auch kostspieligen Vorhaben zu der nötigen demokratischen Legitimation zu verhelfen. Im Falle Hamburgs mögen die Gründe vielfältig sein. Die weiterhin als große Belastung empfundene Flüchtlingssituation und die akute Terrorgefahr haben den Stimmungspegel zuletzt nicht in Richtung Olympia ausschlagen lassen. Am Ende haben es die Olympia-Befürworte nicht vermocht, die Befürchtungen der Skeptiker zu zerstreuen. Ein olympisches Sommermärchen wird es nicht geben. Nicht in Hamburg, und auf absehbare Zeit wohl auch in keiner anderen deutschen Stadt.

Stuttgarter Nachrichten

Allen optimistischen Prognosen zum Trotz: Hamburgs Bürger haben den olympischen Traum in der Elbe versenkt. Aus und vorbei. Das ist schade, aber kein Weltuntergang. Und der Sport wäre ein schlechter Verlierer, würde er die Ursachen seines Scheiterns nicht in erster Linie bei sich selbst suchen. Natürlich drückt der Flüchtlingsstrom auf die Stimmung, die Terroranschläge von Paris schüren diffuse Ängste. Aber das eindeutige Nein der Hansestadt zu einer Olympia-Bewerbung hat tieferliegende Gründe. Die Welt des Spitzensports hat zunehmend Probleme, sich zu legitimieren.

Rheinische Post (Düsseldorf)

Hamburg will Olympia nicht. Es gab reichlich gute Gründe, der Bewerbung um die Spiele 2024 ablehnend gegenüberzustehen: die Milliardenkosten, die wachsende Terrorgefahr, die Ungewissheit angesichts der Flüchtlingsproblematik, die Korruption bei großen Sportverbänden, dazu die speziellen Hamburger Erfahrungen mit dem Großprojekt Elbphilharmonie. Alles richtig, aber alles zu kurz gedacht. Die Bürger haben es verpasst, ein Zeichen für Optimismus und Schaffenskraft zu setzen. Von einer kraftvollen Bewerbung hätten Impulse ausgehen können, die ins ganze Land hätten ausstrahlen können - und zwar weit über den Sport hinaus. Olympia hätte ein Leuchtturm-Projekt für Deutschland werden können, so wie es London 2012 in Großbritannien war. Auf absehbare Zeit wird es keine deutsche Bewerbung mehr geben können, nachdem die Bayern vor zwei Jahren einen Anlauf auf die Winterspiele 2022 gestoppt haben. Dabei wäre damals eine Kandidatur angesichts der schwachen internationalen Konkurrenz wie ein Elfmeter ohne Torwart gewesen. In Sachen Olympia ist Deutschland zu zaghaft. Schade.

Westfalen Post (Hagen) 

Es ist ein Nein. Die Bürger in Hamburg wollen die Olympischen Spiele 2024 nicht. Es ist ein Nein zu den Chancen, denn die hatte es ja auch gegeben: Stadtentwicklung zum Vorzugstarif zum Beispiel. Aber die Menschen wollen es nicht. Nicht die Baustellen, nicht die Umstände, nicht die Kosten. Hamburg liegt damit auf einer Linie mit München, das hinsichtlich der Winterspiele 2022 schon dankend abgelehnt hatte. Das bedeutet: Die Menschen in Deutschland sehen es nicht mehr ein, warum Milliarden ausgegeben werden sollten für ein zweiwöchiges Sport-Ereignis, wenn Geld überall sonst fehlt: Bei der Bildung, bei der Integration, in der Infrastruktur. Wer will es den Menschen verdenken? Gerade in einer Zeit, in der so deutlich wie nie zu Tage tritt, wie intransparent, gierig und schmierig der Sport, seine Verbände und Organisationen sein können. Es ist ein kluges Nein dem unkalkulierbaren Milliarden-Wahnsinn in unübersichtlichen Zeiten. Aber es ist damit indirekt auch ein Nein dem Sport. Denn Deutschland wird eine Großveranstaltung dieser Art in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr aus nächster Nähe zu Gesicht bekommen. Für die Förderung des Sports und seine Vielfalt in Deutschland war das Hamburger Referendum eine Niederlage. 

Schwäbische Zeitung (Ravensburg) 

Olympische Winterspiele in Peking? Schon wieder in China? Nein, das darf nicht sein! Eine Fußball-WM in Katar? Geht gar nicht! Igittigitt! Es wurde und wird in Deutschland viel geschimpft über die Vergabe von Sportveranstaltungen an Länder, deren Machthaber mit Demokratie wenig bis gar nichts am Hut haben. An Länder, deren Klima nur bedingt für die betroffenen Spitzensportler geeignet ist. Genau wie die Münchner vor zwei Jahren haben am Sonntag nun auch die Hamburger Bürger gegen die Bewerbung ihrer Stadt um Olympische Spiele gestimmt. Das ist ebenso nachvollziehbar wie ärgerlich. Natürlich ging nach den Terroranschlägen von Paris die Angst um, dass auch Olympia an der Elbe zum Ziel von Anschlägen werden könnte. Natürlich hat der Dopingskandal um die russischen Leichtathleten ein schlechtes Licht auf eine olympische Kernsportart geworfen. Natürlich leidet der Spitzensport unter den Korruptionsaffären, die ans Licht kommen. Und auch, wenn der aktuellste Skandal aus dem Bereich des Fußball stammt, dürfte die Sommermärchen-Affäre der Sargnagel für Hamburgs Bewerbung gewesen sein. Wie gesagt: Es gibt Gründe, gegen Olympia zu sein. Und dennoch: Alles abzulehnen, was zunächst eine größere Investition erfordert, ist der falsche Weg. So schnell dürfte es keine deutschen Bewerbungen um Olympia oder Fußballturniere mehr geben. Doch soll Deutschland zum Land der Bedenkenträger werden? Darf gar nicht mehr groß gebaut und gedacht werden? Gegen jede Startbahn wird gekämpft, gegen jeden Bahnhof und demnächst, polemisch gesagt, gegen jede Bushaltestelle. Und immer, auch bei Olympia, wird dieses fürchterlich destruktive und zukunftsfeindliche "Es gibt Wichtigeres zu tun"-Argument ins Feld geführt. Doch sich heute zu verweigern, bedeutet eben auch, in der Zukunft nicht mehr vorne dabei zu sein. Anstatt zu beweisen, dass Deutschland es besser machen würde als andere, lässt man es halt sein. Zur Demokratie gehört, eine Mehrheitsentscheidung zu respektieren. Traurig ist sie trotzdem.

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Hätte sich der Bund festlegen müssen?

Hörmann : Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat am Donnerstag klar gesagt, dass wir in konstruktiven Gesprächen und auf einem guten Weg waren. Dass er gekommen ist, war aus meiner Sicht ein klares und wertvolles Bekenntnis zu Hamburg. Die Hamburger Bürger hatten vom Bürgermeister eine klare Aussage erhalten, auf deren Grundlage sie entscheiden konnten.

Teilweise kam bei den Veranstaltungen der emotionale Aspekt von Olympia zu kurz. Hätte man mehr Sportler in die Bewerbung einbinden sollen?

Hörmann : In München haben wir damit teilweise den gegenteiligen Effekt erzielt. Es gelingt nur wenigen Athleten, aus der Ich-Rolle herauszukommen und ihre Emotionen und schönen Erlebnisse der Allgemeinheit so näherzubringen, dass sie es teilen kann.

Im Fernsehen erzielen Olympische Spiele die besten Einschaltquoten. Vor der Tür wollen wir sie nicht. Wie erklären Sie sich das?

Hörmann : Auf dem Sofa sind wir Deutschen Weltmeister. Wenn es darum geht, sich zu bewegen, wird es bisweilen schwierig. Nur das Vorhandene zu bewahren reicht aus meiner Sicht nicht.

Was bedeutet dieses Votum für den Sport in Deutschland?

Hörmann : Dass der Schub, den wir uns vom weiteren Bewerbungsverfahren versprochen haben, nicht kommt. Die olympischen Sportarten drohen noch mehr an den Rand gedrängt zu werden. Die Zweiklassengesellschaft zwischen Fußball und anderen Disziplinen droht noch stärker ausgeprägt zu werden. Den aktuellen Sportlern fehlt die Perspektive auf ein olympisches Heimspiel.

Olympia-Referendum: Der Tag der Entscheidung

Enttäuschte Gesichter bei Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz and DOSB-Chef Alfons Hörmann
Enttäuschte Gesichter bei Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz and DOSB-Chef Alfons Hörmann © Bongarts/Getty Images | Stuart Franklin
Frederik und Gerrit Braun (Miniatur Wunderland) mit Nikolas Hill, Geschäftsführer der Hamburger Olympia-Bewerbungsgesellschat
Frederik und Gerrit Braun (Miniatur Wunderland) mit Nikolas Hill, Geschäftsführer der Hamburger Olympia-Bewerbungsgesellschat © Roland Magunia | Roland Magunia
Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt und Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke
Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt und Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke © WITTERS | ValeriaWitters
Moderator Lou Richter, Vorstandsvorsitzender Dietmar Beiersdorfer (HSV), Helmut Schulte, Ex-Sportchef vom FC St. Pauli
Moderator Lou Richter, Vorstandsvorsitzender Dietmar Beiersdorfer (HSV), Helmut Schulte, Ex-Sportchef vom FC St. Pauli © WITTERS | ValeriaWitters
v.l. Gerrit und Frederik Braun (Miniatur Wunderland)
v.l. Gerrit und Frederik Braun (Miniatur Wunderland) © WITTERS | ValeriaWitters
Dr. Nikolas Hill (Bewerbungsgesellschaft Hamburg 2024)
Dr. Nikolas Hill (Bewerbungsgesellschaft Hamburg 2024) © WITTERS | ValeriaWitters
Die Ex-Hockeyspieler Britta Kerner-Becker und Michael Green
Die Ex-Hockeyspieler Britta Kerner-Becker und Michael Green © WITTERS | ValeriaWitters
Die Party zum Olympia-Referendum in der Barcleycard Arena Arena:  HSV-Handballer Johannes Bitter und Unternehmer Alexander Otto
Die Party zum Olympia-Referendum in der Barcleycard Arena Arena: HSV-Handballer Johannes Bitter und Unternehmer Alexander Otto © Roland Magunia | Roland Magunia
Auch Edina Müller, Nationalspielerin im Rollstuhlbasketball, ist zu der Party gekommen
Auch Edina Müller, Nationalspielerin im Rollstuhlbasketball, ist zu der Party gekommen © Roland Magunia | Roland Magunia
Gäste in der Arena:  Rüdiger Kruse (CD) und Hans-Jörg Schmidt-Trenz (Handelskammer Hamburg)
Gäste in der Arena: Rüdiger Kruse (CD) und Hans-Jörg Schmidt-Trenz (Handelskammer Hamburg) © Roland Magunia | Roland Magunia
Lightshow in der Barcleycard Arena: Die Olympia-Befürworter warten auf die Bekanntgabe des Ergebnisses
Lightshow in der Barcleycard Arena: Die Olympia-Befürworter warten auf die Bekanntgabe des Ergebnisses © WITTERS | ValeriaWitters
Ein Musiker in einem Wahllokal in einer Stimmkabine
Ein Musiker in einem Wahllokal in einer Stimmkabine © dpa | Axel Heimken
Seit 8 Uhr sind die Wahllokale in Hamburg und Kiel geöffnet
Seit 8 Uhr sind die Wahllokale in Hamburg und Kiel geöffnet © dpa | Axel Heimken
Noch bis 18 Uhr können die Bürger über die Olympia-Bewerbung abstimmen
Noch bis 18 Uhr können die Bürger über die Olympia-Bewerbung abstimmen © dpa | Axel Heimken
Ein Wahlhelfer händigt einem Bürger in einem Wahllokal Wahlunterunterlagen aus
Ein Wahlhelfer händigt einem Bürger in einem Wahllokal Wahlunterunterlagen aus © dpa | Axel Heimken
Eine Hamburgerin gibt ihre Stimme ab
Eine Hamburgerin gibt ihre Stimme ab © dpa | Axel Heimken
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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat an den Sport appelliert, dafür zu sorgen, dass er seine „Liebenswürdigkeit“ nicht verliere. Sind die Sportverbände generell in einer Krise?

Hörmann : Die Vorfälle im DFB und in der Fifa müssen aufgeklärt werden. Aber deshalb sollte man nicht das gesamte System schlechtreden. Wo wären wir in Sportdeutschland ohne einen starken DFB? Umso wichtiger ist, dass die Hausaufgaben gemacht werden.

Sie haben eineinhalb Jahre für Hamburg gekämpft. War das alles umsonst?

Hörmann : Nein. Im Zuge der Bewerbung wurden interessante Perspektiven entwickelt. Die Stadtgesellschaft hat sich intensiv wie wohl nie zuvor mit ihrer künftigen Entwicklung auseinandergesetzt. Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere Plan auch ohne Olympia umgesetzt wird – aber erst in der nächsten Generation. Zum anderen sind für mich hochinteressante Beziehungen in die Stadt entstanden. Für Sportdeutschland bleibt als Wert, dass wir uns einstimmig hinter ein gemeinsames Ziel gestellt und gekämpft haben.

Hätte man sich das Referendum sparen sollen?

Hörmann : Dann hätte es mit Sicherheit ein Gegenreferendum gegeben. Das ist in unserer Demokratie so verankert und auch zu akzeptieren. Meiner Ansicht nach ist es allemal besser, selbst in die Offensive zu gehen und die Bevölkerung um Zustimmung für ein Projekt dieser Tragweite zu bitten.

Ist die Entscheidung ein Rückschlag für die Agenda 2020, mit der IOC-Präsident Thomas Bach den Spielen hin zu mehr Transparenz, mehr Nachhaltigkeit und weniger Gigantismus reformieren will?

Hörmann : Das glaube ich nicht. Paris, Rom, Budapest und Los Angeles sind Kandidaten, die allesamt die Spiele ausrichten können. Selbst wenn einer von ihnen wegfallen sollte, hat das IOC noch die Chance, die Agenda vernünftig umzusetzen. Jeder dieser Mitbewerber tritt mit einer entsprechenden Botschaft an, zum Beispiel was die Nutzung vorhandener Sportanlagen angeht. Das war übrigens auch der Berliner Ansatz.

Bedauern Sie es im Nachhinein, sich nicht für Berlin entschieden zu haben?

Hörmann : Nein. Es ist müßig zu spekulieren, wo wir in Berlin gelandet wären. Wenn sich 50 Prozent der Bevölkerung an einem Referendum beteiligen, zeigt das, dass es ein stadtrelevantes Thema war. Zudem hat Hamburg alle damaligen Versprechungen eingehalten.

Wäre eine gemeinsame Bewerbung Hamburg/Berlin denkbar? Laut Umfragen findet eine Mehrheit der Bevölkerung diese Idee gut.

Hörmann : Wir haben das im Zuge der Entscheidung zwischen Berlin und Hamburg diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass eine Zweiteilung der Spiele über eine solche Strecke nicht der Erfolg versprechende Ansatz ist. Ein solches Konzept dürfte es auch in Zukunft schwerhaben.

Was muss passieren, damit Hamburg noch einmal eine Chance bekommt?

Hörmann : Hamburg hat selbst mit dem Slogan geworben: „Das gibt’s nur einmal.“ Aus heutiger Sicht muss man sagen: Das war’s wohl. Dass der Sport noch einmal auf eine Stadt setzt, die dann mit Nein stimmt, scheint mir für einen längeren Zeitraum unrealistisch. Wenn überhaupt, müsste der umgekehrte Weg beschritten werden: Eine Stadt bringt den Nachweis, dass sie bereit, willens und in der Lage ist, ein solches Projekt anzustoßen.

Streicht der DOSB das „Olympischer“ jetzt aus seinem Namen?

Hörmann : Nein. Es ist ja nur den wenigsten Nationalen Olympischen Komitees vergönnt, den Traum von Spielen im eigenen Land umzusetzen. Unser Auftrag bleibt, den olympischen Gedanken des gesamten Sports umzusetzen.

Wie motiviert sind Sie noch, diesen Auftrag zu erfüllen?

Hörmann : Die Niederlage war ein Schlag in die Magengrube. Wie viel Motivation es gekostet hat, wird schon die DOSB-Mitgliederversammlung in dieser Woche zeigen.