Hamburg. Mitglieder des DOSB votieren einstimmig für Olympiabewerbung der Hansestadt. Berlins Bürgermeister gratulierte als Erster.

Michael Neumann, 45, Hamburgs nimmermüder Sportsenator, gestand hinterher, er habe zweimal kräftig schlucken müssen, andere Mitglieder der Delegation gaben später freudestrahlend zu, „doch die eine oder andere Träne verdrückt zu haben“. Es war auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in der Frankfurter Paulskirche dieses einstimmige Votum der 101 Delegierten und die angekündigte uneingeschränkte Unterstützung der Hamburger Olympiabewerbung für die Sommerspiele 2024 oder 2028 durch alle Redner und Sportverbände, die diese kollektiven Emotionen auslöste.

„Hamburg hat jetzt einen großen Auftrag erhalten, den wir erfüllen wollen und werden“, sagte Bürgermeister Olaf Scholz, 56, und es klang diesmal schon ein wenig Stolz aus seiner Stimme. „Ich empfinde Freude und Respekt vor der Aufgabe. Aber gerade im Sport ist es ja so, dass man sich freiwillig vornimmt, sich anzustrengen. Das tun wir. Wir haben eine gute Bewerbung, die genau zu dem passt, was das Internationale Olympische Komitee (IOC) sich im vergangenen Dezember mit seiner Reformagenda 2020 vorgenommen hat, weg vom Gigantismus hin zu Nachhaltigkeit und Solidität.“ Es sei leicht, Olympia zu kritisieren, „wir können aber nun zeigen, dass wir es mit unserer demokratischen Bürgergesellschaft unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Kräfte besser machen können.“

410 Stimmen für Hamburgs Olympia-Bewerbung

Selfie nach der einstimmigen Abstimmung für Hamburg: Hockey-Olympia-Sieger Moritz Fürste ist mit nach Frankfurt gereist
Selfie nach der einstimmigen Abstimmung für Hamburg: Hockey-Olympia-Sieger Moritz Fürste ist mit nach Frankfurt gereist © Bongarts/Getty Images | Alex Grimm
Die DOSB-Vollversammlung kürt  Hamburg während der außerordentlichen Mitgliederversammlung in der Paulskirche in Frankfurt am Main zum deutschen Olympia-Bewerber für die Olympischen Spiele 2024
Die DOSB-Vollversammlung kürt Hamburg während der außerordentlichen Mitgliederversammlung in der Paulskirche in Frankfurt am Main zum deutschen Olympia-Bewerber für die Olympischen Spiele 2024 © dpa | Christoph Schmidt
Willi Lemke (Sonderberater des UN-Generalsekretärs für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung, v.l.), Peter Beuth (Hessischer Minister des Innern und für Sport), Michael Neumann (Senator für Inneres und Sport Hamburg), Michael Müller (Regierender Bürgermeister von Berlin), Olaf Scholz (Erster Bürgermeister Hamburg), Kirsten Bruhn (Schwimmen, Behindertensport) Deutscher Olympischer Sportbund bei der ausserordentlichen Mitgliederversammlung in der Frankfurter Paulskirche
Willi Lemke (Sonderberater des UN-Generalsekretärs für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung, v.l.), Peter Beuth (Hessischer Minister des Innern und für Sport), Michael Neumann (Senator für Inneres und Sport Hamburg), Michael Müller (Regierender Bürgermeister von Berlin), Olaf Scholz (Erster Bürgermeister Hamburg), Kirsten Bruhn (Schwimmen, Behindertensport) Deutscher Olympischer Sportbund bei der ausserordentlichen Mitgliederversammlung in der Frankfurter Paulskirche © WITTERS | ThorstenWagner
Gruppenfoto mit Präsident Alfons Hörmann (Deutscher Olympischer Sportbund), Michael Neumann (Senator für Inneres und Sport), Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Olaf Scholz (Erster Bürgermeister Hamburg) Deutscher Olympischer Sportbund bei der ausserordentlichen Mitgliederversammlung in der Frankfurter Paulskirche
Gruppenfoto mit Präsident Alfons Hörmann (Deutscher Olympischer Sportbund), Michael Neumann (Senator für Inneres und Sport), Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Olaf Scholz (Erster Bürgermeister Hamburg) Deutscher Olympischer Sportbund bei der ausserordentlichen Mitgliederversammlung in der Frankfurter Paulskirche © WITTERS | ValeriaWitters
DOSB-Präsident Alfons Hörmann (l-r), Hamburgs Senator für Inneres und Sport, Michael Neumann, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Nationalen Paralympischen Komitees, halten in der Paulskirche in Frankfurt am Main (Hessen) während der außerordentlichen Mitgliederversammlung des DOSB symbolisch ein Paddel mit dem Wappen von Hamburg (r) und dem DOSB (l) in den Händen
DOSB-Präsident Alfons Hörmann (l-r), Hamburgs Senator für Inneres und Sport, Michael Neumann, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Nationalen Paralympischen Komitees, halten in der Paulskirche in Frankfurt am Main (Hessen) während der außerordentlichen Mitgliederversammlung des DOSB symbolisch ein Paddel mit dem Wappen von Hamburg (r) und dem DOSB (l) in den Händen © dpa | Christoph Schmidt
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) spricht während der Mitgliederversammlung in der Frankfurter Paulskirche
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) spricht während der Mitgliederversammlung in der Frankfurter Paulskirche © WITTERS | ThorstenWagner
Ausserordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbunds in der Frankfurter Paulskirche
Ausserordentliche Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbunds in der Frankfurter Paulskirche © WITTERS | ThorstenWagner
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) plädiert für die Hamburger Bewerbung - natürlich
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) plädiert für die Hamburger Bewerbung - natürlich © WITTERS | ThorstenWagner
Michael Neumann (Senator für Inneres und Sport) ist einer der führenden Promoter der Hamburger Olympia-Bewerbung
Michael Neumann (Senator für Inneres und Sport) ist einer der führenden Promoter der Hamburger Olympia-Bewerbung © WITTERS | ThorstenWagner
Generaldirektor Michael Vesper (Deutscher Olympischer Sportbund, v.l.), Claudia Bokel, Präsident Alfons Hörmann (Deutscher Olympischer Sportbund), Ole Bischof (Vizepräsident Leistungssport, DOSB) auf dem Podium in der Paulskirche
Generaldirektor Michael Vesper (Deutscher Olympischer Sportbund, v.l.), Claudia Bokel, Präsident Alfons Hörmann (Deutscher Olympischer Sportbund), Ole Bischof (Vizepräsident Leistungssport, DOSB) auf dem Podium in der Paulskirche © WITTERS | ThorstenWagner
Präsident Alfons Hörmann (Deutscher Olympischer Sportbund) mit den fünf Olympischen Ringen
Präsident Alfons Hörmann (Deutscher Olympischer Sportbund) mit den fünf Olympischen Ringen © WITTERS | ThorstenWagner
Willi Lemke (Sonderberater des UN-Generalsekretärs für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung) hält eine flammende Rede für die deutsche Olympia-Bewerbung
Willi Lemke (Sonderberater des UN-Generalsekretärs für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung) hält eine flammende Rede für die deutsche Olympia-Bewerbung © WITTERS | ThorstenWagner
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Es ist das erste Mal in der Geschichte der Stadt, dass sich Hamburg für Olympische Spiele bewerben darf. Am 12. April 2003 hatte in der finalen Runde der nationalen Ausscheidung für die Sommerspiele 2012 Leipzig den Zuschlag erhalten, 1989 wiederum hatte Hamburg zugunsten des wieder vereinten Berlins auf eine Kandidatur für das Jahr 2000 verzichtet. Berlin scheiterte später kläglich. Unklar bleibt, ob es bereits im Jahr 1912 einen ähnlichen Vorgang gab. Auch damals soll Hamburg bei der Bewerbung um die Spiele 1916, die dann wegen des Ersten Weltkrieges ausfielen, Berlin den Vortritt gelassen haben. Der neu zu bauende Stadtpark war angeblich als Hamburgs Olympiazentrum vorgesehen. 2024 sollen die Spiele hauptsächlich auf der Elbinsel Kleiner Grasbrook stattfinden.

Erst 1936 fanden in Garmisch-Partenkirchen (Winter) und in Berlin (Sommer) Olympische Spiele in Deutschland statt. 1972 folgte in München die bislang letzte Austragung. 52 Jahre später soll nun Hamburg Olympia wieder ins Land holen.

Auf Hamburg kommt in den nächsten neun Monaten eine Menge Arbeit zu

„Wir sind überzeugt, dass Olympia Deutschland guttut, sagen aber auch ohne falsche Bescheidenheit: Olympia in Deutschland, in einem gastfreundlichen, toleranten Land mit einer gewachsenen Bürgergesellschaft, tut auch der Welt gut“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in seiner Rede. Dafür erhielt er großen Beifall, noch größeren für seinen Nachsatz: „Wer die deutsche Bewerbung schlagen will, der muss eine ganze Menge bieten.“ Die Aufgabe sei es, das Land hinter diesem Ziel zu vereinen. „Das kann der Sport“, sagte de Maizière. „Und wir können Großprojekte!“

DOSB-Präsident Alfons Hörmann hatte zuvor von einem „nationalen Projekt“ gesprochen. stellte mit bewegenden Worten die historische Verantwortung des Landes heraus und erinnerte an „das menschenverachtende Hitler-Regime“, das die Spiele in Garmisch-Partenkirchen und Berlin 1936 für seine Zwecke manipulierte, und an das „schreckliche Attentat“ bei den Sommerspielen in München 1972. Seine Botschaft: „Deutschland hat an Olympia noch etwas gutzumachen.“ Mit Hamburg, davon ist der DOSB-Chef überzeugt, könnte das gelingen.

Das Präsidium des Sportbundes hatte am vergangenen Montag in Frankfurt der Mitgliederversammlung offiziell „nicht einstimmig, aber einmütig“ empfohlen, Hamburg und nicht Berlin ins internationale Rennen zu schicken. Auch die olympischen Sportverbände hatten sich mit 18:11 für Hamburg ausgesprochen, vier der 33 Organisationen sahen beide Städte als geeignet an. Dass Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller („Es tut immer noch ein bisschen weh“) dennoch zur Krönungsmesse des Konkurrenten nach Frankfurt reiste und Hamburg die volle Unterstützung der Hauptstadt versprach, wurde als große Geste empfunden. Müller war es auch, der SPD-Parteifreund Scholz nach der Abstimmung als Erster gratulierte.

Auf Hamburg kommt in den nächsten neun Monaten eine Menge Arbeit zu. Am Dienstag treffen sich Vertreter der Stadt um Sportsenator Neumann mit Experten des DOSB zu einem Workshop im Rathaus. „Wir müssen jetzt die Ärmel hochkrempeln“, mahnte DOSB-Vorstandschef Michael Vesper. „Der Zeitplan bis zur Abgabe der Bewerbungsunterlagen, dem Bid Book, am 8. Januar 2016 beim IOC ist sportlich.“ Zudem muss das Referendum gesetzlich und organisatorisch vorbereitet werden. Die Volksabstimmung über Olympia dürfte rund vier bis fünf Millionen Euro kosten „Über alles, was mir machen, werden wir umgehend Drucksachen für die Bürgerschaft erstellen“, sagte Neumann und versprach Transparenz auf allen Ebenen, bei Planungen wie bei Kosten. Das Parlament hatte im vergangenen Mai eine ergebnisoffene Machbarkeitsstudie beim Senat in Auftrag gegeben. Neumann: „Wir werden alle Punkte abarbeiten und die Resultate sofort veröffentlichen.“

Am heutigen Montag wird in Hamburg kurz gefeiert. Scholz will sich in der Handelskammer bei allen Sponsoren bedanken. Olympiabotschafter Alexander Otto, der fast eine Million Euro bei seinen Unternehmerkollegen für die Kampagne eingesammelt und selbst einen sechsstelligen Betrag gespendet hatte, bittet zum Abendessen. „Jetzt müssen wir das Konzept vertiefen und vor allem die Bürger mitnehmen“, forderte Otto in Frankfurt. „Es gibt noch sehr viel zu tun. Wir sind erst am Anfang eines langen Weges.“