Frankfurt am Main/Hamburg. Überraschende Aussage eines Experten. Der Volksentscheid über Hamburgs Olympia-Pläne ist wohl erst nach der offiziellen Bewerbung.
Er ist ein einflussreicher Mann – und er schätzt die Chancen für Hamburg auf die Olympischen Spiele 2024 besser ein, als viele glauben. IOC-Mitglied Gian-Franco Kasper räumt Hamburg im Wettbewerb mit Boston, Paris oder Rom international eine "gute Chance" ein. "Mit einem starken Konzept könnte Hamburg auftrumpfen. Und im IOC wissen natürlich alle, dass Deutschland in der Lage ist, perfekte Spiele zu organisieren", sagte Kasper der "Bild am Sonntag". Der 71-jährige Schweizer glaubt, dass ein positives Votum der Hamburger bei der voraussichtlich im September stattfindenden Bürgerbefragung ein entscheidender Faktor gegenüber der Konkurrenz sein könnte. "Wenn man sieht, dass auch Boston Probleme mit Anti-Olympia-Protesten hat, dann ist es ein Vorteil für Deutschland, wenn man darauf verweisen kann, dass die große Mehrheit hinter der Bewerbung steht", meinte Kasper.
Der Sportfunktionär, der als Präsident des Internationalen Skiverbandes (FIS) fungiert, ist seit 2000 Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).
Nach der Olympia-Kür von Hamburg zur Kandidatenstadt für die Olympischen Spiele und Paralympics für 2024 in der Frankfurter Paulskirche steht nun viel Arbeit bevor. „Der Zeitplan ist sportlich. Wir müssen die Ärmel hochkrempeln“, sagte Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Nun geht es unverzüglich in die Detailarbeit und die Weiterentwicklung des hanseatischen Olympia-Konzeptes, mit dem man im internationalen Wettbewerb erfolgreich sein will.
Die Kosten der Bewerbung werden auf 50 Millionen Euro geschätzt. Davon muss Hamburg einen Teil tragen. Die Spiele insgesamt könnten einige Milliarden Euro kosten. Für den Bau der zusätzlich benötigten Sportstätten werden rund zwei Milliarden Euro veranschlagt. Eine seriöse Kostenberechnung gibt es nicht, denn man weiß nicht, was alles hineingerechnet werden soll. In jedem Fall steht Hamburg für nachhaltige Spiele, umweltbewusst und auf kleinem Raum, wie immer betont wird. Heißt unter anderem: Was gebaut wird, soll auch nach Olympia einen Nutzen haben.
Bereits für Dienstag hat der DOSB die Hamburger Olympia-Planer zu einem Workshop eingeladen, bei dem unter anderem die Modalitäten für die Gründung einer Bewerbergesellschaft besprochen werden soll. Allerdings heißt es an der Elbe erstmal, Vergnügen geht vor Arbeit: Für Montagabend hat die Olympia-Initiative um den Unternehmer Alexander Otto zu einem Abendessen für Sponsoren und Förderer der Bewerbung geladen. Es sollen der Anfangserfolg über den Mitkandidaten Berlin und das einhellige Votum der Mitgliederversammlung des DOSB für die Elbmetropole gefeiert werden.
Viel Arbeit werden die Hamburger und der DOSB für die Erstellung die 80-seitigen Bewerbungsunterlagen investieren müssen, die am 8. Januar 2016 beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) abgegeben werden müssen. „Wir haben schon etwas Vorarbeit geleistet“, sagte DOSB-Vorstandsmitglied Bernhard Schwank. Er hatte bereits die gescheiterte Winterspiele-Bewerbung von München für 2018 für den DOSB organisiert.
Volksentscheid wohl nach dem 18. September
Allerdings ist auch die Hamburger Politik in der Pflicht. Die Bürgerschaft muss die rechtlichen Voraussetzungen für ein Referendum schaffen, in dem die Bevölkerung der Stadt über Olympia 2014 abstimmen sollen. Der DOSB hatte nach dem Scheitern des zweiten Anlaufs von München für 2022 am Bürgerwiderstand diese Volksbefragung zur Bedingung gemacht.
Aller Voraussicht nach wird das Referendum erst nach der offiziellen Abgabe der Bewerbung beim IOC bis zum 15. September stattfinden können. „Dies ist noch offen“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird im Sommer 2017 in Lima/Peru über die Sommerspiele-Stadt für 2024 entscheiden. Als mögliche Konkurrenten von Hamburg gelten neben Boston und Rom auch Budapest, Doha, Paris, Istanbul und eine australische Stadt. Falls es Hamburg im ersten Anlauf nicht schaffen sollte, ist ein zweiter Versuch für 2028 vorgesehen.
Scholz wünscht sich, dass Zuspruch zunimmt
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) erwartet unterdessen bei einem Volksentscheid in der Stadt über Olympische Spiele eine große Zustimmung. „Wir werden weiter über unsere Pläne für kompakte, bürgerfreundliche und umweltschonende Spiele informieren„“, sagte Scholz am Sonntag in Hamburg.
„Angesichts der Zustimmung, die man heute schon in Hamburg spüren kann, glaube ich, dass es auch beim Referendum eine sehr große Zustimmung geben wird“, sagte Scholz. Er wünschte sich aber auch, dass der Zuspruch noch zunimmt. Zuletzt hatten sich 64 Prozent der Hamburger für das kostenträchtige Großprojekt ausgesprochen. Der SPD-Politiker ist überzeugt, mit dem „sehr kompakten und nachhaltigen Konzept“ auch den einen oder anderen Skeptiker noch überzeugen zu können. Für den im Herbst geplanten Volksentscheid muss die neugewählte Bürgerschaft die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Darum gibt es noch keinen genauen Termin.
Kommission entscheidet über Segel-Wettbewerb
Derweil geht das Ringen um den Status als Segelrevier-Partner von Olympia-Bewerber Hamburg in die entscheidende Runde: Eine sechsköpfige Kommission soll die Kandidaten Kiel, Rostock-Warnemünde und Lübeck-Travemünde am 9. und 10. April jeweils vor Ort prüfen und anschließend eine Empfehlung an den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und die Stadt Hamburg abgeben. Der Deutsche Segler-Verband (DSV) bestätigte am Sonntag entsprechende Informationen der „Lübecker Nachrichten“ (Sonntag) und der Deutschen Presse-Agentur. Demnach soll spätestens Ende April eine Entscheidung über das Segelrevier fallen.
Mitglieder der Auswahlkommission sind Hamburgs Sportsenator Michael Neumann und DOSB-Leistungssportdirektor Bernhard Schwank. Dazu kommen vier Experten aus dem Segelsport: DSV-Präsident Andreas Lochbrunner aus Lindau, DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner aus Hamburg, DSV-Jugendobmann Timo Haß aus München und der ehemalige DSV-Präsident Dierk Thomsen aus Kiel. Er war schon vor 13 Jahren bei der deutschen Olympia-Kampagne Mitglied der Evaluierungskommission des Nationalen Olympischen Komitees (NOK).
Anti-Doping-Gesetze ein Plus für Hamburg
Bundesjustizminister Heiko Maas sieht in dem neuen Anti-Doping-Gesetz einen positiven Impulsgeber für die Hamburger Olympia-Bewerbung. "Bewerber für Olympische Spiele aus einem Land, in dem es ein Anti-Doping-Gesetz gibt, sollten einen Vorteil haben gegenüber Bewerbern, bei denen es keine solchen Gesetze gibt", sagte der SPD-Politiker der "FAZ".
Wenn der Sport in einem Land den Kampf gegen Doping ernst nehme, so Maas, "sollte es eine Rolle spielen, inwieweit sich auch der Staat den Schutz der Athleten konsequent zur Aufgabe gemacht hat." Zudem wollten auch Sponsoren nichts mehr mit Doping zu tun haben. "Mit unserem Anti-Doping-Gesetz unterstützen wir die Olympiabewerbung Hamburgs", sagte der 48-Jährige.
Das neue Gesetz, dem in Deutschland heftige Debatten zwischen Sport und Politik vorausgingen, soll am Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden. Maas rechnet nicht mit viel Gegenwehr durch den deutschen Sport. "Ich glaube nicht, dass der DOSB ein grundsätzliches Problem mit der Strafbarkeit des Selbst-Dopings hat", sagte Maas.