Die Medien kritisierten, die Fans grummelten und sogar die Spieler forderten mehr Defensive in der DFB-Elf. Der Bundestrainer lässt sich jedoch nicht beirren und predigt weiter die Flucht nach vorne.

München. Joachim Löw sucht sein Heil weiter in der Offensive: Trotz energischer Forderung mancher Spieler will der Bundestrainer an seinem Spielsystem festhalten. Zwar hofft Löw, die „Schießbude“ durch mehr Konzentration und eine bessere Balance schließen zu können. Das Motto dazu lautet jedoch nicht mehr Absicherung nach hinten, sondern Flucht nach vorne. „Ich bin nicht bereit, dass wir uns jetzt hinten reinfallen lassen und nur noch auf Konter spielen“, sagte der 53-Jährige zwei Tage vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen den ersten Verfolger Österreich in München (20.45 Uhr/im Liveticker bei abendblatt.de).

„Wir werden uns nicht in der eigenen Hälfte verschanzen und den Gegner kommen lassen. Die Mannschaft muss nicht nur offensiv stark sein, sondern auch defensiv die richtigen Dinge machen. Aber deshalb muss sie nicht in ihrer gesamten Ausrichtung defensiver werden.“ Mittelfeldspieler Sami Khedira, den Löw am Mittwoch als „Führungsspieler“ lobte, hatte tags zuvor gefordert, die Mannschaft „dürfe nicht nur spektakulär offensiv spielen, sondern müsse auch zurück zu den alten Tugenden“.

Die Schwächen in den letzten drei Länderspielen gegen Paraguay (3:3), die USA (3:4) und Ecuador (4:2) sind auch Löw natürlich nicht entgangen. „Es ist klar, dass wir uns nach den letzten Ergebnissen über die Defensiv-Leistung unterhalten haben“, erklärte Löw. Am Dienstagabend arbeitete er das Paraguay-Spiel mit den einzelnen Mannschaftsteilen beim Videostudium auf. Dabei seien „elementare Dinge“ besprochen worden. Am Mittwoch kam Löw zehn Minuten zu spät zur Pressekonferenz, weil das Training länger gedauert hatte als geplant.

Abgesehen davon, dass es gegen Paraguay „individuelle Fehler“ gegeben habe, macht sich Löw um die Abwehr als solche aber wenig Sorgen. Sein Zauberwort heißt Kompaktheit: „Immer wenn wir kompakt waren, haben wir gute Spiele gemacht. Wenn wir weit auseinander gestanden haben, haben wir schlechte Spiele gemacht.“ Weil man zudem unterscheiden müsse zwischen Vorbereitungsspielen, „in denen ich gerne etwas austeste“, und Qualifikationsspielen, ist sich der Bundestrainer sicher, „dass wir gegen Österreich auf jeden Fall mehr Tore schießen werden als wir bekommen. Es wird, was die Defensive angeht, eine ganz andere Mannschaft auf dem Platz stehen, da bin ich relativ sicher.“

„Wir haben nichts zu verschenken“

Die prompte Nachfrage der österreichischen Journalisten, ob sein Team den 55. der Weltrangliste nicht unterschätzte, widerlegte Löw umgehend: „Sie können davon ausgehen, dass das nicht der Fall ist. Wir wissen, dass Österreich ein ernst zu nehmender Gegner ist. Wir haben nichts zu verschenken und sind uns des Ernsts der Situation bewusst.“ Problematisch bei der Suche nach Balance könnte für Löw jedoch der personelle Notstand auf der so wichtigen „Sechser“-Position sein, wo kein einziger seiner Kandidaten voll fit ist.

Bastian Schweinsteiger und Ilkay Gündogan fehlen im Aufgebot, Sami Khedira und Sven Bender pausierten am Dienstag mit dem Training, Lars Bender am Mittwoch. Um den Leverkusener bangt Löw ernsthaft, Khedira wird dagegen wohl einsatzfähig und damit gesetzt sein. Als sein Nebenmann kommt außer einer der Bender-Zwillinge auch Toni Kroos infrage. Der kurzfristige und spektakuläre Wechsel von Spielmacher Özil zum FC Arsenal hat die Vorbereitung auf das Spiel - in dem Kapitän Philipp Lahm vor heimischen Publikum sein 100. Länderspiel absolviert und Miroslav Klose endlich den fehlenden Treffer zu Gerd Müllers Tor-Rekord erzielen soll - jedenfalls nicht beeinträchtigt.

„Das interessiert mich überhaupt nicht“

Özil wirke auf ihn „absolut glücklich und zufrieden. Man merkt ihm nichts an. Er ist konzentriert. Das Thema ist bei uns abgehakt“, sagte der Bundestrainer. Für die Nationalmannschaft sei der Wechsel „sogar gut. Er hat einen Toptrainer und spielt künftig bei einer Mannschaft, die fußballerisch auf einem technisch sehr hohen Niveau ist. Das kommt ihm entgegen“. Gleichwohl ist es nicht nur für Özils bisherige Kollegen Khedira und Cristiano Ronaldo („Ich bin wütend“), sondern auch für Löw „ein Stück weit unverständlich, dass Real Madrid seinen Topscorer der letzten Jahre abgibt. Aber so ist eben das Geschäft.“

Die schwarze Bilanz bei WM-Qualifikationsspielen in München (kein Sieg, zwei Niederlagen, zwei torlose Unentschieden) interessiert den Bundestrainer nach eigener Auskunft derweil „überhaupt nicht“. Zumal ihr gegenüber eine positive Bilanz steht: Seit 1986 gewann Deutschland alle acht Spiele gegen den Nachbarn.

Die voraussichtliche deutsche Aufstellung:

Neuer - Lahm, Mertesacker, Boateng, Schmelzer - Khedira, Kroos (Lars Bender) - Müller, Özil, Reus - Klose.