Im zweiten Teil unserer Reihe “Tabu“ berichtet der 27 Jahre alte Kiezkicker von rassistischen Beschimpfungen.
Hamburg. Morike Sako kann richtig schön böse gucken, wenn er möchte. St. Paulis Stürmer legt seine Stirn in Falten, kneift seine Augen zusammen und schiebt seine Lippen drohend nach vorne. Der pechschwarze Franzose mit malischen Vorfahren sieht dann wie jemand aus, dem man lieber nicht im Dunkeln auf der Straße begegnet - besonders wenn man auch noch seine imposante Körperlänge von 2,02 Metern bedenkt. Dabei braucht niemand Angst vor dem 27-Jährigen zu haben. Denn auch wenn der leidenschaftliche Kickboxer bereits als Türsteher gearbeitet hat, kann er eigentlich keiner Fliege etwas zuleide tun. Eigentlich.
Denn am 26. September dieses Jahres wurde aus dem sonst so gutmütigen Sturmriesen ein brodelnder Vulkan, der nur zu gerne explodiert wäre. Sako spielte an jenem Abend mit seinem FC St. Pauli bei Hansa Rostock und verlor die Partie sang- und klanglos mit 0:3. Es war eine der schlechtesten Saisonleistungen des Kiezklubs - doch der Grund für Sakos Wut war ein ganz anderer: "Ich wollte mich nach dem Spiel nur bei den mitgereisten Fans aus Hamburg bedanken, als plötzlich zahlreiche Hansa-Anhänger anfingen mich zu beleidigen", erinnert sich Sako noch heute ganz genau an die Vorfälle in der DKB-Arena. "Sie schrien: 'Nigger, Nigger, Nigger' und machten laute Affengeräusche." Was den farbigen Fußballprofi am meisten verärgerte: "Ich verstand einfach nicht, warum sie mich beleidigten, anstatt sich über ihren Sieg zu freuen." Sako tobte, ließ sich dazu hinreißen, den pöbelnden Fans anzudeuten, sie sollen doch zu ihm kommen, wenn sie sich trauten: "Ich war tief getroffen, wollte die Rufe nicht einfach so hinnehmen."
Erst als die Mitspieler Fabian Boll und Ralph Gunesch lange auf ihn einredeten, beruhigte sich der in Paris geborene Fußballer wieder. Doch die demütigenden Geräusche hat er bis heute nicht vergessen.
Der 26. September war nicht der einzige Tag in seinem Leben, an dem Sako wegen seiner Hautfarbe beschimpft wurde - und es wird mit Sicherheit auch nicht der letzte Vorfall bleiben. "Als ich nach Deutschland kam, war ich innerlich darauf vorbereitet, dass ich wegen meines Aussehens bepöbelt werden könnte", sagt Sako, der als Profi in Frankreich und England nie derartige Probleme hatte, und ergänzt: "Trotzdem ist man dann verärgert oder zumindest traurig, wenn so etwas passiert."
Wirklich traurig macht ihn, dass nach dem Attentat auf den Passauer Polizeipräsidenten Alois Mannichl zwar derzeit ganz Deutschland über das Rassismus-Problem diskutiert, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Fremdenfeindlichkeit in den Stadion aus seiner Sicht aber immer noch nicht genügend bekämpft. "Was ist denn nach den Vorfällen in Rostock passiert?", fragt er, und gibt die Antwort selbst: "Nichts!" Dabei hätten doch alle gehört, was von den Tribünen geschrien wurde. Auf Abendblatt-Nachfrage beim DFB heißt es lediglich: "Der Kontrollausschuss des DFB sieht von der Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen den FC Hansa Rostock und den FC St. Pauli ab, da nach den vorliegenden Beweisangeboten sportrechtswidrige Verhaltensweisen von Zuschauern beider Vereine nicht mit einer für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden können." Eine Antwort, die Sako nicht verstehen kann und will. Seiner Meinung nach könne niemand von den im Stadion Anwesenden behaupten, von den Rufen in Rostock nichts mitbekommen zu haben.
Anders sei das bei Beschimpfungen von Gegenspielern während eines Spiels, die wirklich keiner außer er selbst hören kann. An zwei Vorfälle in dieser Saison kann er sich erinnern. In den Partien gegen 1860 München und Alemannia Aachen sei er erneut als "Neger" und "Baboon" ("Affe") beschimpft worden. Welche Gegenspieler ihn so beleidigten, will er nicht verraten. "Was bringt das schon? Ich will nicht im Nachhinein wie ein kleines Mädchen petzen gehen", sagt Sako, der aber zugibt, dass ihn derartige Vorfälle jedes Mal sehr verletzen. Am liebsten würde er dann sofort auf dem Platz noch reagieren, den jeweiligen Spieler packen. Doch Sako weiß selbst, dass es genau das ist, was seine Gegner zu erreichen versuchen.
Während der Franzose all das erzählt, ist seine Stirn in tiefe Falten gelegt, seine Augen sind zusammengekniffen. Aber explodieren will er trotzdem nicht, denn "dann hätten die ja gewonnen". Und schließlich blitzt bei der Verabschiedung doch noch kurzzeitig ein Lächeln mit weißen Zähnen in seinem dunklen Gesicht auf. Nein, vor so jemandem wie Morike Sako braucht man wirklich keine Angst zu haben - noch nicht mal im Dunkeln. Traurig ist nur, dass ausgerechnet er weiterhin Angst in deutschen Fußballstadien haben muss - Angst vor rassistischen Beschimpfungen.