Thomas Broich (1. FC Köln) soll den Tschechen Filip Trojan in der kommenden Saison ersetzen und war zu ersten Verhandlungen bereits in Hamburg.

Hamburg. Im italienischen Edelrestaurant La Vela an der Elbe ist man prominenten Besuch bereits seit langem gewohnt. So gesehen waren die Angestellten am vergangenen Sonnabend auch wenig überrascht, als sich St. Paulis Trainer Holger Stanislawski mit seiner Ehefrau Michelle und Co-Trainer KaPe Nemet in der ehemaligen Hafenmühle gegenüber dem Stilwerk ankündigten. Durchaus überrascht durfte man aber über die Gäste sein, die das Trio am Tisch dabeihatte: Thomas Broich vom 1. FC Köln und seine Freundin.

Seit Mittelfeldregisseur Filip Trojan bekannt gegeben hat, dass er den Kiezklub im Sommer verlassen und zum FSV Mainz 05 wechseln wird, arbeiten St. Paulis Offizielle fieberhaft an einer Nachfolgelösung. Diese könnte nun in der Person Broich gefunden sein. Der 28-jährige Kreativspieler, der den 1. FC Köln im Sommer ablösefrei verlassen darf, könnte den wechselwilligen Tschechen nahtlos ersetzen. Broich hat in 79 Bundesliga- und 106 Zweitligaspielen für Wacker Burghausen, Borussia Mönchengladbach und den 1. FC Köln bereits hinlänglich bewiesen, dass er durchaus das Zeug hat, am Millerntor ab der kommenden Saison Trojans Rolle zu übernehmen. Und auch sein bislang sehr üppiges Gehalt sollte keine Hürde für den Hamburger Zweitligaklub sein. Zwar kann St. Pauli nicht das fürstliche Kölner Salär zahlen, hat aber durch den Abgang Trojans ausreichend Mittel zur Verfügung, um den früheren U-21-Nationalspieler adäquat zu bezahlen.

"Hamburg ist eine tolle Stadt, St. Pauli ein toller Verein. Ich kann jeden Profi beglückwünschen, der sich für diesen Klub entscheidet", sagt Broichs Spielerberater Michael Koppold vielsagend, um auch noch zu ergänzen, dass er ein guter Bekannter von Sportchef Helmut Schulte sei und bereits Thomas Meggle vor zwölf Jahren zum Kiezklub gelotst hätte. Schulte wollte die mögliche Verpflichtung Broichs zwar nicht kommentieren, sagte aber gleichzeitig, dass es im April einige überraschende Entscheidungen geben wird.

Ob Broich zu den Überraschungen gehören wird, dürfte sich bereits in Kürze entscheiden. Klar ist jedenfalls, dass der Allrounder, der im Mittelfeld sämtliche Positionen besetzen kann, keine Zukunft mehr in Köln hat. Der frühere Wunschspieler von Ex-Trainer Hanspeter Latour hat unter dessen Nachfolger Christoph Daum keine wirkliche Perspektive mehr in der Domstadt. In dieser Saison ist Broich nicht über die Rolle des Jokers hinausgekommen, durfte bei elf Einsätzen lediglich einmal über die gesamte Spielzeit sein Können beweisen. Trotzdem sollen neben St. Pauli auch der 1. FC Nürnberg, 1860 München und der SC Freiburg an ihm interessiert sein.

Den Ausschlag für den Kiezklub könnte Broichs Vorliebe für das Außergewöhnliche geben. Der gebürtige Münchner gilt in der Fußballszene als Querdenker und Exot, liest gern Arthur Schopenhauer und Rainer Maria Rilke und interessiert sich für Kunst. Im vergangenen Jahr war er mit dem Rucksack in Australien unterwegs, spielte dort mit anderen Backpackern am Strand Fußball. Wegen seiner Frisur und seiner Spielweise wurde er oft auch als "Fußball-Mozart" bezeichnet, was er selbst aber überhaupt nicht gern hört. "Wenn schon Klassik, dann Beethoven" stellte er vor einiger Zeit klar.

Ab der kommenden Saison könnte Broich dann St. Paulis Mittelfeld dirigieren. Der gemeinsame Abend mit Stanislawski und Nemet soll dem Kölner jedenfalls gut gefallen haben. Weitere Gespräche sollen in naher Zukunft geführt werden. Gut möglich also, dass die überraschten Angestellten im Ristorante La Vela den Gast aus Köln schon bald wieder beherbergen dürfen.