HAMBURG. Die Zuschauer waren begeistert und feierten ihn stürmisch: Adlerflug, den Triumphator im BMW 138. Deutschen Derby. Die Frage lautet jedoch: Kann dieser Vollblüter die Hamburger Leistung noch einmal wiederholen? Die Vergangenheit hat es gezeigt: Nur wenige Galopper werden anschließend internationale Größen. Nicaron zum Beispiel, der Derbysieger von 2005, versank anschließend in der Versenkung. Ähnliche Beispiele gibt es genügend. Das Derby hat nur wenige Helden geboren. Von Helden der Nation ganz zu schweigen.
Der Hamburger Kaffeekaufmann Albert Darboven hat eine etwas andere Meinung. Immer wenn er die Horner Rennbahn betritt, schaut er zu Pik König empor. Seit 1996 thront der von ihm gezüchtete Vollbluthengst, der 1992 Derbysieger wurde, als Bronzeskulptur über dem Eingangstor, das vor 100 Jahren Angehörige des Kaiserhauses in ihren Kutschen passierten. Hamburgs damaliger Bürgermeister Henning Voscherau hatte damals die Skulptur feierlich eingeweiht. "Für mich ist und bleibt Pik König ein Held", sagt Darboven.
Die Leistungen des Derbysiegers, der sich in einem Rennen in Baden-Baden schwer verletzte, und nur drei Jahre alt wurde, sind sicherlich fest im Gedächtnis vieler Turffreunde verankert. "Er endete tragisch, und überall herrschte damals große Trauer", sagt Albert Darboven. Euphorie herrschte, als Surumu, Königsstuhl und Acatenango ihre große Zeit hatten. Aber waren sie wirklich Helden der Nation?
Szenenwechsel. Am 29. Januar 2007 erschütterte die USA eine Nachricht, die bei allen Fernseh- und Hörfunk-Nachrichtensendern oberste Priorität hatte: Barbaro ist tot. Das Pferd, das ein Jahr zuvor in Louisville vor 160 000 begeisterten Zuschauern und Millionen an den TV-Geräten Sieger im legendären Kentucky-Derby geworden war, musste eingeschläfert werden. Acht Monate, nachdem er sich in einem Rennen in Baltimore ein Bein gebrochen hatte, trauerte die Nation um ihren Helden. Sie hatte ihre Sehnsucht nach Helden auf diesen Hengst projiziert.
Barbaros Besitzer, Roy Jackson und seine Frau Gretchen hatten alles versucht. Sie hatten mehr als eine halbe Million Dollar für die besten Tierärzte bezahlt, doch das half letztlich nicht. Im Internet bangten unzählige Barbaro-Fans um ihren Liebling. Einer schrieb auf der Website des Cracks: "Unsere Familie betet und hat Kerzen angezündet." Ein anderer forderte: "Wachse, Huf, wachse." Ein Reporter der Nachrichtenagentur Associated Press berichtete, nachdem er eine Videoaufnahme des Superhengstes in der Tierklinik gesehen hatte: "Es sah so aus, als ob er für die Kamera lächelte." Roy Jackson sagte: "Ich weiß nicht, warum alle dieses Pferd lieben."
Was Barbaro für Amerika war, das war Red Rum für England. Der gewann als erstes Pferd das berühmte Grand National in Aintree bei Liverpool (1973, 1974, 1977), und das war für Turffans bedeutsamer, als wenn England dreimal Fußball-Weltmeister geworden wäre. Als vor drei Jahren Red Rums Besitzer Ginger McCain durch Amberleight House zum vierten Mal das schwere Hindernisrennen gewann, schrieb die "Sunday Times": "Der Geist von Red Rum strich durch die Siegerkoppel". Red Rum liegt unter der Ziellinie in Aintree begraben.
Warten wir's ab: Vielleicht wird Adlerflug ja doch noch zum Helden der Nation - durch grandiose Leistungen auf der Rennbahn.