Die Beurlaubung von Torsten Fröhling, bisheriger Trainer der Ligamannschaft von Altona 93, wirft einige Fragen auf. Im großen abendblatt.de-Interview nimmt nun sein Nachfolger, Thomas Seeliger, Stellung zu seinem Engagement bei dem Hamburger Traditionsverein.
Abendblatt: Herr Seeliger, zu erst einmal: Wie geht es Ihnen?
Thomas Seeliger: Ich befinde mich zur Zeit in der Reha. Nach meinem Kreuzbandriss, den ich mir im März vergangenen Jahres zugezogen habe, wurde ich im Dezember operiert. Zum Glück verlief der Eingriff ohne Komplikationen, so dass es nun stetig bergauf geht.
Abendblatt: Sie sind momentan Gesprächsthema Nummer eins im Hamburger Amateurfußball. Nun gab Altona 93 offiziell bekannt, dass Sie mit sofortiger Wirkung den beurlaubten Trainer Torsten Fröhling ersetzen. Wie kam der Kontakt zu Stande?
Seeliger: Ich bin seit vielen Jahren gut mit Ronald Lotz befreundet, der nun in beratender Funktion beim AFC tätig ist. Mit ihm habe ich früher bei Eintracht Braunschweig zusammen gespielt. Als klar wurde, dass sich die Altonaer nach einem neuen Trainer umschauen müssen, hat er meinen Namen ins Spiel gebracht. Ich habe früher selbst fünf Jahre für den Verein gespielt, dessen Entwicklung ich seitdem immer genau verfolgte.
Abendblatt: Dann dürfte Ihnen auch nicht entgangen sein, dass Fröhling in der Vergangenheit sportlich hervorragende Arbeit geleistet hat, nun aber auf Grund finanzieller Einsparungen gehen musste. Können Sie die großen Fußstapfen, die er hinterlässt, ausfüllen?
Seeliger: Ich bin nicht Torsten Fröhling, sondern Thomas Seeliger. Jeder Trainer hat seinen eigenen Stil. Ich fange ja auch nicht komplett bei Null an. Ich gehe davon aus, eine intakte Mannschaft zu übernehmen und habe nicht vor, das Team nun komplett umzukrempeln. Sportlich hat man Torsten beim AFC auch keinen Vorwurf gemacht. Die finanzielle Situation des Vereins ist jedoch schon länger bekannt. Dass es im Rahmen der Einsparungen einzelne Personen trifft, ist immer wieder bitter, lässt sich aber nicht vermeiden. Am Ende geht es nicht um Personen, sondern um die gemeine Sache den Verein!
Abendblatt: Ihre bisherigen Trainerstationen in Lüneburg und beim Kreisligisten TSV Holm waren ein anderes Kaliber als ein Regionalligist...
Seeliger: Natürlich kann man das nicht vergleichen. Aber wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre, diese Aufgabe stemmen zu können, hätte ich das Angebot nicht angenommen. Unser Ziel muss sein, den sportlichen Klassenerhalt zu schaffen. Alles andere kann ich mit meiner Mannschaft nicht beeinflussen.
Abendblatt: Sollten Sie dieses Ziel erreichen: Tritt der Verein dann auch in der nächsten Saison in der Regionalliga an?
Seeliger: Davon gehe ich aus. In den Gesprächen mit dem Vorstand wurde mir immer wieder versichert, der Verein setze alle Hebel in Bewegung, um den finanziellen Klassenerhalt zu meistern. Mein Engagement hier ist dafür doch der beste Beweis: Warum sonst, wenn nicht aus finanziellen Gründen, hätte man sich von einem so erfolgreichen Trainer wie Torsten Fröhling trennen sollen?
Abendblatt: Haben Sie mit Herrn Fröhling gesprochen? Wenn nicht, tun Sie dies noch vor dem wichtigen Spiel gegen Hannover 96 II am Wochenende?
Seeliger: Ich kenne Torsten schon sehr lange, habe aber in den letzten Tagen nicht mit ihm telefoniert und auch nicht vor, dies vor dem Rückrundenstart noch zu tun. Er hat hier tolle Arbeit geleistet, diese Zeit ist nun vorbei. Ich will nicht noch zusätzliche Unruhe in die Mannschaft bringen es sollte jetzt erst einmal ein wenig Gras über die ganze Angelegenheit wachsen.
Abendblatt: Viel Zeit zur Eingewöhnung haben Sie nicht. Das Spiel am Sonnabend gegen den direkten Konkurrenten Hannover 96 II ist gleich ein sehr Wichtiges. Der Zeitpunkt des Trainerwechsels kurz vor dieser Partie mutet doch sehr unglücklich gewählt an. Glauben Sie, die Spieler können das Chaos der vergangenen Tage ausblenden und sich voll und ganz auf den Gegner konzentrieren?
Seeliger: Die Jungs sind alle ehrgeizig, wollen sich für den Klassenerhalt zerreißen. Sie sind hungrig auf Erfolg. Es passiert immer wieder, dass man sich kurzfristig an eine neue Situation gewöhnen muss. Ich denke schon, dass die Spieler Manns genug sind, den Schalter umzulegen und gegen Hannover ihre Leistung zu bringen. Gelingt das, werden wir 96 schlagen.
Abendblatt: Gestern leiteten Sie die erste Trainingseinheit. Wie war Ihr Eindruck von der Mannschaft?
Seeliger: Sehr positiv. Natürlich muss ich die Spieler erst noch kennen lernen. Insbesondere die Spieler aus dem zweiten Glied werde ich in Testspielen und im Training ganz genau beobachten, um ihnen dann eine Chance im Liga-Kader zu geben.
Abendblatt: Gerade, weil die Personaldecke nicht nur in der sportlichen Führung, sondern auch im Kader in der Winterpause ausgedünnt wurde? Vier Spieler mussten den Verein verlassen. Wird es künftig eine engere Zusammenarbeit auch mit der A-Junioren-Mannschaft geben müssen, die nach dem Rücktritt Cetin Sezgins zur Zeit ebenfalls auf der Suche nach einem neuen Übungsleiter ist?
Seeliger: Schon unter Torsten Fröhling wurde es so gehandhabt, dass interessante A-Juniorenspieler einmal wöchentlich mit der ersten Mannschaft trainiert haben. Gestern haben bei uns wieder drei Nachwuchsspieler mitgewirkt. Wenn die finanziellen Mittel begrenzt sind, muss zwangsläufig auf die Jugend gesetzt werden. Wir werden dabei aber den Fokus in der Talentsichtung nicht nur auf den eigenen Verein legen, auch im gesamten Hamburger Raum gibt es eine Menge hoffnungsvollen Nachwuchs.
Abendblatt: Gegenüber dem Internetportal "Sportnord" sagten Sie, sie planten vorerst nur bis zum Saisonende beim AFC. Gesetzt den Fall, es entwickelt sich folgendes Szenario: Der AFC hält die Klasse nicht, der SC Victoria von Ihrem Kumpel Ronald Lotz schafft den Aufstieg in die Regionalliga. "Vicky"-Trainer Bert Ehm wäre auf Grund von Lizenzbestimmungen nicht berechtigt, die Mannschaft zu trainieren stehen Sie dann in der nächsten Saison im blau-gelben Trainingsanzug an der Seitenlinie der Hoheluft?
Seeliger: Das ist doch alles bloße Spekulation. Nur weil ich gut mit Ronny befreundet bin, heißt das noch lange nicht, dass ich immer da sein muss, wo er auch ist. Beim AFC hat alles gepasst. Gespräche habe ich hier nicht nur mit ihm geführt, auch mit den anderen Verantwortlichen habe ich mich ausgiebig unterhalten und mich auf eine Zusammenarbeit geeinigt.
Abendblatt: Aber es stimmt, dass Sie erst einmal nur bis zum Saisonende engagiert sind?
Seeliger: Das steht noch nicht fest. Es ging in den letzten Tagen alles so schnell, da blieb noch gar keine Zeit, sich über vertragliche Details zu unterhalten. Bisher gibt es eine definitive mündliche Einigung, wir werden uns nun schnellstmöglich zusammensetzen und einen Vertrag aushandeln.
Abendblatt: Torsten Fröhling wurde gefeuert, weil er den Kluboberen zu teuer war Sind Sie denn wirklich eine so viel günstigere Lösung?
Seeliger: Es geht mir bei diesem Engagement nicht um den finanziellen Aspekt. Natürlich möchte ich nicht noch etwas zahlen müssen, um die Mannschaft trainieren zu dürfen, aber grundsätzlich sehe ich das Engagement bei Altona als Chance und auch als Herzensangelegenheit. Ich muss hier nicht das große Geld machen.
Abendblatt: Eine Herzensangelegenheit war für Sie auch Ihr alter Klub, der TSV Holm. Ihr Bruder Kai ist dort stellvertretender Abteilungsleiter. Er war von Ihrem Wechsel zum AFC wenig angetan, kritisierte die 93-Bosse für deren Vorgehen im Werben um Ihre Person.
Seeliger: Ich kenne meinen Bruder. Er ist immer mit Leib und Seele dabei. Für ihn ist die Situation natürlich sehr misslich, gerade jetzt den Trainer zu verlieren. Auch ich verlasse die Mannschaft nicht gerne, wir hatten beim TSV ein langfristiges Erfolgskonzept ausgearbeitet. Ich bin mir allerdings sicher, dass der Verein adäquaten Ersatz für mich findet. Und die Vorwürfe, es wäre bei meinem Wechsel mit unlauteren Methoden gearbeitet worden, muss ich entschieden verneinen. Kai war der Erste, den ich direkt nach meinen Gesprächen mit dem AFC-Vorstand angerufen habe, um ihn über die Entwicklung zu informieren.