Der französische Welthandballer Nikola Karabatic (Foto) will den THW Kiel verlassen. Das Verhandlungspoker mit den Rhein-Neckar Löwen geht in die nächste Runde. Die Folgen für die Bundesliga sind noch nicht absehbar - kleine Vereine könnten auf der Strecke bleiben.

Hamburg. Eigentlich war alles wie immer nach großen Turnieren: Erst einmal gab es Geschenke für Nikola Karabatic. Mit einer Goldmedaille war der Franzose von der Handballweltmeisterschaft in Kroatien nach Kiel zurückgekehrt. Dafür bekam er am Sonnabend von seinem Verein einen Strauß Blumen und einen Kuchen in den Nationalfarben überreicht, 10 250 Zuschauer in der Sparkassen-Arena applaudierten dazu stehend. Dann begann das Spiel, Karabatic warf sechs Tore, und der THW gewann gegen Balingen-Weilstetten am Ende klar mit 41:33.

Eigentlich aber ist in Kiel nichts mehr, wie es einmal war. Seit Karabatic, der Liebling der Fans, öffentlich erklärt hat, dass es ihn zu den aufstrebenden Rhein-Neckar Löwen und zu seinem Trainer-Freund Zvonimir Serdarusic zieht, ist die vormals heile THW-Welt ins Wanken geraten - und die Ausläufer des Bebens sind in der gesamten Bundesliga zu spüren. Zwei Millionen Euro soll der Rekordmeister aufgerufen haben, um seinen Welthandballer im Sommer aus dem bis 2012 laufenden Vertrag zu entlassen. Es wäre ein Transfer, der alle Rekorde sprengt.

Utopisch? "Realistisch", sagt THW-Manager Uwe Schwenker. Immerhin sei Champions-League-Sieger Ciudad Real anders als die Löwen auf die Kieler Ablöseforderung sofort eingegangen. "Das zeigt, dass unsere Vorstellungen marktgerecht sind." Doch Karabatic (24) will nicht nach Spanien, er will zu Serdarusic. Der war in Kiel nach der vergangenen Saison überraschend entlassen worden, was das Verhältnis zwischen dem Verein und seinem Vorzeigespieler irreparabel beschädigt hat.

Auf dem Handballmarkt könnte der erwartete Millionendeal nun eine Spirale in Gang setzen, von der keiner weiß, ob sie nach oben oder unten führt. "Die kleinen Klubs fürchten einen Dominoeffekt", weiß Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann. Im Sog der Spitzenverdiener, so das Szenario, könnten auch die Ausgaben für durchschnittlich begabte Spieler steigen.

Schon jetzt operieren viele Klubs finanziell am Limit - und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise sind noch gar nicht in die Etats durchgeschlagen. Essen meldete Zahlungsunfähigkeit an, Stralsund und Nordhorn konnten den Gang zum Insolvenzgericht nur mithilfe öffentlicher Gelder abwenden. Das ist die eine Seite der Skala. Auf der anderen bewegen sich die Rhein-Neckar Löwen. Hinter den Mannheimern stehen fünf finanzstarke Gesellschafter mit SAP-Gründer-Sohn Daniel Hopp an der Spitze. Bisher haben die Löwen nur gut gebrüllt. Erfolg hatten sie nicht. Karabatic und Serdarusic sollen das ändern - um jeden Preis. In dieser Woche will Geschäftsführer Thorsten Storm seinem Amtskollegen Schwenker ein neues Angebot vorlegen.

Mit Karabatic könnten sich auch die Kräfteverhältnisse im deutschen Handball verschieben. Selbst Schwenker hat für seinen Verein langfristig einen Wettbewerbsnachteil erkannt: "Vereine, die nur vom Handball leben, können sich solche Transfers gar nicht leisten." Doch Geld, und hier könnte Karabatic Recht behalten, wird auch in Zukunft im Handball nicht unbedingt über Titel entscheiden. Beim HSV Hamburg jedenfalls gibt man sich noch längst nicht geschlagen. "Wir wollen die Nummer eins im deutschen Handball werden, und da sehe ich uns auf einem guten Weg", sagt Andreas Rudolph.

15 Millionen Euro hat der Präsident und Mäzen seit 2004 in den Verein gepumpt. Für kommende Saison hat er einen Sparkurs verordnet. Trotzdem fürchtet er nicht, dass sein Klub zwischen Kiel und Mannheim zerrieben werden könnte. Man habe eine Mannschaft, die höchsten Ansprüchen genügt. "Spieler dieser Qualität", sagt Rudolph, "sind nur begrenzt auf dem Markt. Selbst mit sehr viel Geld kann man ihre Anzahl nicht erhöhen."

Doch es gibt auch gemeinsame Interessen. "Wir brauchen eine starke, ausgeglichene Bundesliga, sie ist die Grundlage unseres Etats", sagt Rudolph. Dass Vereine regelmäßig in Zahlungsschwierigkeiten geraten, gelte bei Sponsoren nicht gerade als vertrauensbildende Maßnahme. Die Liga, in deren Aufsichtsrat der HSV-Boss sitzt, hatte deshalb in der vergangenen Woche beschlossen, dass ihre Vereine alle drei Monate Einnahmen und Ausgaben offenlegen müssen. "Das war die richtige Maßnahme, sie reicht aber nicht aus", sagt Rudolph. Die wirtschaftliche Basis der Klubs müsste verbreitert, Rahmenbedingungen verbessert werden. Dass die Vereine die Anteilsmehrheit in ihren Betriebsgesellschaften halten müssen, dass Namensrechte nicht an Sponsoren verkauft werden dürfen, bleibt für den HSV-Boss ein Anachronismus: "Der Fußball mag sich diesen Luxus leisten können, der Handball nicht."

Langfristig werden hohe Ablösesummen im Handball zur Normalität werden, glaubt HSV-Sportchef Christian Fitzek. Umso wichtiger sei, dass der Verein den Profis ein optimales Umfeld biete: "Sie brauchen eine Atmosphäre, in der sie sich wohlfühlen." Karabatic selbst beschwor in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", dass es ihm nicht ums Geld gehe: "Es geht um Serdarusic, glauben Sie mir."

Kampflos scheint sich der Handball nicht den Gesetzen des Kapitals unterwerfen zu wollen. "Wir sind immer noch weit entfernt von den Dimensionen des Fußballs", mahnt HSV-Kapitän Guillaume Gille, der mit Karabatic Olympiasieger und Weltmeister wurde. Wichtig sei, dass die Werte nicht zerstört würden, für die der Handball stehe: "dass wir Spieler keine Stars sind, sondern ganz normale Menschen, die man ansprechen kann".