Am Donnerstag gibt Bundestrainer Löw sein vorläufiges Aufgebot für die WM bekannt. Vier Hamburger hoffen auf ein Ticket nach Südafrika.
München. „High Noon“ in Stuttgart: Joachim Löw wird an diesem Donnerstag (12.00 Uhr) endlich seine WM-Karten aufdecken – und neben möglichen Härtefällen wie Thomas Hitzlsperger und einer im Raum stehenden Last-Minute-Nominierung von Bayern-Entdeckung Holger Badstuber wird einmal mehr die Torhüterfrage im Blickpunkt stehen. Nach dem bitteren WM-Aus des verletzten René Adler wird der Bundestrainer wohl Bayern Münchens Meister-Schlussmann Hans-Jörg Butt als dritten Schlussmann neben dem Schalker Manuel Neuer und Bremens Tim Wiese nominieren.
Die „Bild“-Zeitung vermeldete diese Entscheidung bereits am Mittwoch als perfekt und berief sich auf geheime DFB-Quellen. Eine Bestätigung dafür war vom Trainerteam der Nationalmannschaft nicht zu erhalten. Und DFB-Sprecher Harald Stenger erklärte offiziell: „Bis zur Bekanntgabe des Kaders gibt es keine Stellungnahme.“
Zwei Jahre nach der überraschenden Ausbootung von Timo Hildebrand für die Europameisterschaft 2008 würde Löw mit dem 35 Jahre alten Butt auf große Routine und erwiesene Teamfähigkeit setzen statt ein Vabanquespiel mit der spektakulären Lösung Jens Lehmann zu wagen. „Jogi Löw muss klar sein: Falls er sich für Lehmann entscheidet, dann nur als Nummer 1. Den kannst du nicht auf die Bank setzen“, gab Franz Beckenbauer, der Weltmeister-Teamchef von 1990, zu bedenken.
Butt würde zudem den Bayern-Block vergrößern, auf den Löw ohnehin bei der Weltmeisterschaft in Südafrika setzen muss. „Jörg ist mit uns deutscher Meister geworden. Die Erfahrung spricht für ihn“, hob Teamkollege Philipp Lahm am Mittwoch die Vorzüge von Butt heraus.
Eigentlich war Butt selbst vom deutschen Rekordmeister zu einem Pressegespräch angekündigt gewesen, wurde dann aber kurzfristig von der Besetzungsliste gestrichen, um „nicht herumeiern“ zu müssen, wie es hieß. „Der Trainer und Jörg müssen das entscheiden“, erklärte Lahm vielsagend zu einem offensichtlichen WM-Angebot für Butt.
Erwartet wird, dass Löw Adler-Ersatz Butt am Donnerstag nicht von vornherein als Nummer 3 ausruft, die der Routinier schon bei zwei Turnieren (EM 2000, WM 2002) war, sondern das Rennen um die Nummer 1 auch zwischen Neuer und Wiese offen lässt. Mit drei Länderspielen ist Butt, der zuletzt am 1. Juni 2003 beim 4:1 gegen Kanada in Wolfsburg 45 Minuten lang das deutsche Tor hütete, sogar erfahrener als die beiden Nummer-1-Favoriten Neuer und Wiese (je 2). „Über die Torhüter brauchen wir uns keine Sorgen zu machen bei der WM“, meinte Lahm trotz der geringen Nationalmannschafts-Erfahrung aller Kandidaten.
Problematisch für Löw scheint vielmehr, dass die Bayern-Spieler erst mit zwölf Tagen Verspätung am 24. Mai, zwei Tage nach dem Champions-League-Finale gegen Inter Mailand, in die Vorbereitung einsteigen werden. „Eine deutsche Mannschaft hat stets ausgezeichnet, dass sie sich gut vorbereiten konnte“, bemerkte dazu selbst Lahm, der Löw dennoch empfahl, auf die Münchner Sieger-Typen zu setzen: „Wir sind Meister und im Champions-League-Finale – da spricht einiges für einen Bayern-Block.“ Neben den Fix-Startern Lahm, Bastian Schweinsteiger, Miroslav Klose, Mario Gomez und Senkrechtstarter Thomas Müller könnte im letzten Moment auch noch Holger Badstuber auf den WM-Zug aufspringen.
Weil neben den Bayern-Profis auch die Bremer Pokalfinalisten und Kapitän Michael Ballack beim ersten Testspiel gegen Malta am 13. Mai sowie zu Beginn des Trainingslagers in Sizilien fehlen werden, wird Löw zunächst mehr als 23 Akteure berufen. Wie vor der EM 2008 deutet sich ein erneutes Turnier-Casting mit 26 Akteuren an, was Lahm als leistungsfördernd bezeichnete: „Im Training ist dann viel Feuer und Tempo drin.“ Bis zum 11. Mai muss Löw dem Weltverband FIFA eine Liste mit maximal 30 Spielern benennen, die endgültig am 1. Juni auf 20 Feldspieler und drei Torhüter reduziert werden muss.
Schon bei der heißdiskutierten Absage an Schalke-Stürmer Kevin Kuranyi bewies Löw, welche Kriterien er anlegt. „Alles ist unserer Spielerphilosophie untergeordnet“, hat der 50-Jährige immer wieder betont. Verdienste im Nationalteam wie bei Klose und Lukas Podolski können mehr wiegen als Topleistungen im Verein.
Zittern um ihr WM-Ticket müssen Wackelkandidaten wie der Lazio- Rom-Reservist Hitzlsperger oder auch der Hamburger Piotr Trochowski. Dessen Vereinskollege Marcell Jansen hofft, nach einer Fußverletzung doch noch mitfahren zu dürfen. Zudem muss Löw auf Perspektivspieler aus der U 21 wie den Dortmunder Mats Hummels oder Schalkes Benedikt Höwedes sowie einen Torwart zurückgreifen, um die großen personellen Lücken beim WM-Test gegen Malta zu schließen. „Na klar ist man gespannt auf die Nominierung“, sagte Lahm am Mittwoch, aber er fügte auch hinzu: „Das wird ja noch nicht der endgültige Kader sein.“ HSV-Verteidiger Jerome Boateng gilt als gesetzt, Dennis Aogo hat höchstens Außenseiterchancen.
Der mögliche erweiterte deutsche WM-Kader mit 26 Spielern: Tor (3): Neuer, Wiese, Butt
Abwehr (8): Badstuber, Boateng, Friedrich, Lahm, Mertesacker, Schäfer, Tasci, Westermann
Mittelfeld (10): Ballack, Jansen, Khedira, Kroos, Marin, Müller, Özil, Schweinsteiger, Träsch, Trochowski
Angriff (5): Cacau, Gomez, Kießling, Klose, Podolski
Auf Abruf in der 30-Mann-Liste: Beck, Gentner, Hitzlsperger, Weidenfeller