Bad Oldesloe. Im Hospiz Lebensweg in Bad Oldesloe kehrt jetzt festliche Stimmung ein. Und eine Besucherin aus Übersee feiert mit.

  • Im Hospiz Lebensweg in Bad Oldesloe freuen sich die Bewohnerinnen und Bewohner auf Weihnachten
  • Es ist das Haus voller letzter Wünsche
  • Eine Besucherin hat einen besonders weiten Weg auf sich genommen

Susann Meier ist vor vier Tagen eingezogen. Zimmer vier ist ihr neues Zuhause – und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch ihr letztes. Ihr großer Wunsch, noch einmal – das erste Mal seit 20 Jahren – mit ihrer jüngeren Schwester zusammen Weihnachten zu feiern, soll hier in Erfüllung gehen. In dem Haus voller (letzter) Wünsche.

Und die sind vielfältig. Der Herr in Zimmer sieben zum Beispiel wünscht sich nach dem Essen eine Portion Eis mit Sahne. Seine Nachbarin würde gern noch einmal ihr Lieblingslied hören. Und der Gast in Zimmer zwei bereitet sich auf den Besuch seiner Kinder vor, die ihm für die Festtage seinen Sessel von zu Hause mitbringen. Es sind kleine, aber besondere Wünsche, die im Hospiz Lebensweg geäußert und erfüllt werden. In dem mit Holz verkleideten und von Grün umgebenen Bungalow in der Straße Sandkamp im Bad Oldesloer Westen sind derzeit zwölf Menschen zu Gast, deren Lebensweg bald zu Ende sein wird.

Hospiz Bad Oldesloe: Weihnachten im Haus der letzten Wünsche

In der Vorweihnachtszeit herrscht eine friedvolle Atmosphäre im Hospiz. Das bedeutet aber nicht, dass es still ist. Gründerin Sabine Tiedtke sagt: „Gerade jetzt ist die lebendigste Zeit bei uns. An jedem Tag im Dezember gibt es eine besondere Aktion, die die Gäste und ihre Angehörigen auf die Feiertage einstimmt.“ Es werden Sterne gebastelt, Waffeln gebacken, Cocktails gemixt. Musikerinnen und Musiker spielen Weihnachts- und Lieblingslieder auf Gitarre, Klavier und Bratsche, Chöre halten Konzerte, und die hospizeigenen Alpakas Cremchen, Bernd und Enyo kommen auf einen Besuch in den Zimmern vorbei.

„Wer nicht allein sein will, der ist es hier auch nicht“, sagt Sabine Tiedtke, die im Lauf der vergangenen vier Jahre seit Gründung des einzigen stationären Hospizes im Kreis Stormarn viele Menschen beim Sterben begleitet hat. „So, wie jedes Leben unterschiedlich ist, ist auch der Prozess an dessen Ende nie derselbe. Wir respektieren individuelle Bedürfnisse, zwingen niemandem einen bestimmten Tagesrhythmus auf.“ 39 Hauptamtliche und 70 Ehrenamtliche sorgen Tag und Nacht für die Gäste jeden Alters, jeder Religion und Herkunft. Wie lange sie jeweils bleiben, weiß niemand.

Weihnachten im Hospiz: Schwester aus Sydney reist sofort an

Zurück zu Susann Meier, die vor vier Tagen eingezogen ist. Die Hamburgerin hatte Gleichgewichtsstörungen, kommt im September mit Verdacht auf Schlaganfall ins Krankenhaus. Dort stellen die Ärzte eine unerwartete Diagnose: Krebs. Eine Operation sei nicht mehr sinnvoll, überall im Körper haben sich bereits Metastasen gebildet. Die 68-Jährige ruft sofort ihre Schwester Rosita an. Die lebt seit knapp 30 Jahren in Sydney, Australien. Mit ihr hat sie eigentlich einen gemeinsamen Urlaub geplant, nachdem die beiden im Frühjahr ihre an Demenz erkrankte Mutter an ihren letzten Lebenstagen begleitet hatten. Die Schwestern wollten sich zusammen von der anstrengenden, traurigen und aufwühlenden Zeit erholen.

Susann Meier mit Hospiz-Gründerin Sabine Tiedtke. 
Susann Meier mit Hospiz-Gründerin Sabine Tiedtke.  © Verena Künstlner | Verena Künstner

„Als Susann anrief, war das wie ein Weltuntergang“, sagt Rosita Sunna. Die 63-Jährige packt ohne zu zögern wieder ihre Koffer, bucht einen Flug nach Hamburg. „Es war völlig klar, dass ich sie mit dieser Nachricht nicht allein lasse.“ Im November geht es Susann sehr schlecht, doch dank guter Pflege des Palliativteams der Großhansdorfer Lungenklinik kommt sie wieder zu Kräften. „Sie haben mir geraten, mich nach einem Platz in einem Hospiz umzuschauen“, erzählt die gelernte Arzthelferin, die ihre berufliche Erfüllung im Organisieren und Durchführen von Hochsee-Angelreisen gefunden hat. „Das nimmt einem zunächst jede Hoffnung, denn Hospize verbindet man sofort mit Tod und Trauer.“

Hospiz Lebensweg in Bad Oldesloe: Zunächst war kein Zimmer frei

Doch Susann und Rosita erleben „ein Wunder“. So nennt Rosita die Aufnahme ins Hospiz Lebensweg. „Eigentlich war kein Zimmer frei, die Warteliste lang. Ich bin trotzdem nach Bad Oldesloe gefahren, um mir zusätzlich zur Internetrecherche ein eigenes Bild zu machen.“ Beim Betreten des Hauses habe sie ein Gefühl des Angekommenseins verspürt. „Das ist der Ort, an dem meine Schwester gut aufgehoben ist“, denkt sie. Und betet.

Es vergehen einige Tage. Kurz bevor sie sich schweren Herzens bei einem anderen Hospiz anmelden, klingelt das Telefon. „Als ich die Oldesloer Vorwahl gesehen habe, wusste ich sofort: Es hat geklappt!“, sagt Rosita Sunna, der bei der Erinnerung daran wieder Tränen in die Augen steigen. Nach großer Verzweiflung und vielen Schmerzen fühlt sich Susann das erste Mal seit Wochen wohl. Sie sagt: „Solchen Menschen begegnet man nicht jeden Tag. Ich bin so froh, dass ich hier bin.“

Hospiz Lebensweg in Bad Oldesloe: Stiftung unterstützt dir Arbeit des Hauses

Vielleicht liegt das auch an den wunderbaren Zufällen, die den Schwestern hier widerfahren. Jedem der zwölf Gästezimmer im Hospiz sind Bäume zugeordnet. „Wir haben uns für heimische Arten entschieden“, sagt Gründerin Sabine Tiedtke. Es gibt also das Birken-Zimmer, das Linden-Zimmer und so weiter. Doch Nummer vier, Susanns Zimmer, fällt aus dem Rahmen. Hierfür hat Kay Gladigau die Einrichtung gespendet und den Namen gewählt. Der Bauingenieur, der mit der unter dem Dach der Bürger-Stiftung Stormarn gegründeten Karl Gladigau-Hospiz-Stiftung von Beginn an großer Unterstützer der Oldesloer Einrichtung ist, wählt „Baobab“. Der Affenbrotbaum wächst in Afrika – und in Australien, der Wahlheimat von Susanns Schwester Rosita. „Der Baobab wird häufig auch Lebensbaum genannt, das fand ich sehr passend“, sagt Kay Gladigau, der mit der Stiftung seines Großvaters Karl gedenkt.

Mit dessen Erbe gründet Gladigau 2020 den Stiftungsfonds, um dessen Verwaltung, Anlage und Formalitäten sich die Experten der Dachstiftung kümmern. Die Erträge und Zustiftungen kommen dem Hospiz zugute, das fünf Prozent der Betriebskosten selbst erwirtschaften muss. „Ohne Spenden könnten wir den Gästen nicht das bieten, was ihnen so guttut“, sagt Sabine Tiedtke. Dabei geht es nicht nur um Geld.

Weihnachten im Hospiz: Ehrenamtler spenden viel Zeit

Corinna Grimm-Habeck beispielsweise spendet jede Woche Zeit. Als Ehrenamtlerin mit Ausbildung zur sogenannten Lebensweg-Begleiterin sitzt sie am Empfang, führt Besucher durchs Haus. „Im vergangenen Jahr habe ich an Heiligabend Klavier gespielt und die Weihnachtsgeschichte vorgelesen“, sagt die ehemalige Bankkauffrau. „Zu erleben, wie nach und nach die Gäste aus ihren Zimmern kamen und sich zu uns gesetzt haben, war das schönste Geschenk.“

Corinna Grimm-Habeck ist als Ehrenamtliche im Hospiz Lebensweg engagiert. 
Corinna Grimm-Habeck ist als Ehrenamtliche im Hospiz Lebensweg engagiert.  © Verena Künstlner | Verena Künstner

Zwei Bekannte hat sie schon zum Ehrenamt im Hospiz angestiftet. Das gute Gefühl, etwas aus freien Stücken zu einer positiveren Gemeinschaft beizutragen, treibt wohl jeden der mehr als 360 Menschen an, die sich in den derzeit 43 Stiftungsfonds und sechs Bürgerstiftungen unter der Obhut der Bürger-Stiftung Stormarn unentgeltlich engagieren. „Unser Lohn ist unbezahlbar“, sagt Ehrenamtlerin Grimm-Habeck. Es seien die Gespräche und Begegnungen mit den Hospiz-Gästen und ihren Angehörigen, die sie reicher machen. Und die Möglichkeit, sich mit der Endlichkeit des eigenen Lebens auf eine bewusste und angstfreie Art auseinandersetzen zu können. Im Hospiz ist der Tod kein Tabuthema. Die Hauptrolle spielt er aber auch nicht.

Im Hospiz Lebensweg: „Ich fühle mich irgendwie in Sicherheit“

„Hier weiß jeder, was Sache ist“, sagt Rosita Sunna, die dank eines Zweitbettes im Baobab-Zimmer Tag und Nacht nah bei ihrer Schwester Susann sein kann. „Es gibt weder lange Krankheitsgeschichten noch oberflächliches Gerede. Niemand muss sich erklären, sondern man kann einfach so sein, wie man ist.“ Susann ergänzt: „Ich fühle mich irgendwie in Sicherheit. Das ist nach der ersten schlimmen Zeit nach der Diagnose ein echter Segen.“

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Das letzte gemeinsam verbrachte Weihnachtsfest ist zwanzig Jahre her. Damals haben die Schwestern mit Freunden und Familie in Potsdam gefeiert. In diesem Jahr hat das Fest ein besonderes Motto: „Weihnachten mit Susi“. So hat Rosita die WhatsApp-Gruppe genannt, mit der sie alle Freunde und Bekannten am zweiten Weihnachtsfeiertag ins Hospiz einlädt. Jeder soll etwas zu essen mitbringen und Zeit mit Susann verbringen können. Die lächelt, als ihre jüngere Schwester das erzählt. Sie wusste bisher nichts von Rositas Plan, der keinen Widerspruch duldet.

Weihnachten im Hospiz: Einen letzten Wunsch hat Susann Meier noch

Susann will auch gar nicht widersprechen. Sie will die Zeit genießen. Und noch etwas wünscht sich die leidenschaftliche Anglerin: einen Ausflug ans Meer. Auch das möchte ihr das Team vom Hospiz Lebensweg ermöglichen. Es setzt sich dafür mit dem Wünschewagen vom Arbeiter-Samariter-Bund in Verbindung. Er steht für das, was die Mitarbeitenden im Oldesloer Hospiz täglich leben: das Erfüllen letzter Wünsche. 

Details zur Karl Gladigau-Hospiz-Stiftung und anderen Stiftungen gibt es online unter www.buerger-stiftung-stormarn.de. Kontakt zum Büro der Bürger-Stiftung Stormarn: Telefon 04537/70 700 13 und per Mail an info@buerger-stiftung-stormarn.de