Großhansdorf. Polizei setzt bei Analysen auf die Holzexperten des Thünen-Instituts in Großhansdorf. Bei welchen Kriminalfällen sie helfen konnten.

Hinter hohen Bäumen liegt das Thünen-Institut für Forstgenetik geschützt auf einem Grundstück an der Sieker Landstraße. An diesem Standort in Großhansdorf ist unter anderem der Arbeitsbereich Ökologische Genetik angesiedelt. Es liegt in der Natur der Sache, dass Leiterin Hilke Schröder als Wissenschaftlerin jeden Aspekt ihres Aufgabenbereichs spannend findet, wie die 60-Jährige sagt. Doch auch für die studierte Biologin und ihr elfköpfiges Team aus wissenschaftlichen und technischen Mitarbeitern ist es jedes Mal ein ganz besonderes Highlight, wenn sie es mit Kriminalfällen zu tun bekommen.

Die erste Kontaktaufnahme seitens der Ermittlungsbehörden sei vor ihrer Zeit im Institut erfolgt. Seit 22 Jahren ist Schröder dort tätig. „Damals ging es um die Analyse einer Blattprobe“, so die Wissenschaftlerin. Oft recherchierten die Auftraggeber im Internet nach Möglichkeiten, die Art oder Herkunft bestimmter Hölzer genetisch untersuchen zu lassen, und landeten so beim Thünen-Institut für Forstgenetik. „Mit dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden arbeiten wir beispielsweise schon länger zusammen.“ Die Expertise spricht sich in Polizei-Kreisen herum. Bitten um Unterstützung erreichen Schröder mittlerweile aus verschiedenen Regionen Deutschlands.

Spuren am Tatort: Holzexperten des Thünen-Instituts helfen bei Aufklärung von Kriminalfällen

An den ersten Anruf des Bundeskriminalamts (BKA) kann sich Schröder noch gut erinnern. „Da war ein netter Herr am Telefon, der fragte, ob wir Holz untersuchen können.“ Hintergrund waren Ermittlungen zu einer Explosion in einem Wohngebäude. Ursache war ein mit Sprengstoff präpariertes Holzscheit, das durch das Entzünden eines Feuers im Kamin explodiert worden war. Es entstand großer Sachschaden, die Bewohner kamen glücklicherweise mit dem Schrecken davon.

Die ermittelnden Beamten entdeckten weitere präparierte Holzscheite in Holzstapeln. Schnell hatten sie einen Verdächtigen im Visier, konnten dem Mann die Tat aber nicht zweifelsfrei nachweisen. An dieser Stelle kamen die Forstgenetik-Experten ins Spiel. Das BKA stellte ihnen Proben des angebrannten und eines weiteren präparierten Holzscheits zur Verfügung sowie Späne, die von der Säge des Verdächtigen stammten.

Mitarbeitende des Thünen-Instituts tragen zur Überführung des Täters bei

Die Polizei erhoffte sich die Klärung der Frage, ob die beiden Holzscheite mit dieser Säge geschnitten worden waren. Das Ergebnis der Gen-Analyse war eindeutig: „Das angebrannte Holzscheit und die Späne von der Säge stammten definitiv von demselben Baum“, sagt Schröder. Ein Ermittlungserfolg, der ohne das Wissen und die Hilfe der Forscher nicht möglich gewesen wäre. „Wir haben ein Puzzleteil dazu beigetragen, dass der Fall gelöst und der Täter überführt wurde“, sagt die Leiterin.

Thünen-Institut für Forstgenetik in Großhansdorf
Stefanie Palczewski, technische Mitarbeiterin des Thünen-Institut für Forstgenetik, bei der Analyse von Proben im Labor. Das UV-Licht der Working Station sorgt für eine Dekontamination der Arbeitsumgebung. © Elvira Nickmann | Elvira Nickmann

Das Vorgehen sei ähnlich wie bei einem Vaterschaftstest. Dabei wird anhand der personenspezifischen Gen-Informationen eine Vergleichsanalyse vom potenziellen Vater und vom Kind erstellt. Für die Analyse ist es notwendig, die Desoxyribonukleinsäure, kurz DNA, zu extrahieren. Die DNA enthält die Gene. Holz aus der Baumstamm-Mitte ist jedoch totes Material, das nur Bruchstücke der DNA-Stränge enthält. Eine besondere Herausforderung für die Mitarbeiter des Instituts, die das Holz anhand 17 molekularer Marker untersucht haben. Ein größerer Aufwand als bei einem Vaterschaftstest, da sind es 13.

Wissenschaftler wirken bei forensischen Analysen zu Mordfällen mit

In einem anderen Fall ging es um Raub und schwere Körperverletzung. Als Tatwaffe kam ein Holzknüppel zum Einsatz. Die Polizei vermutete, dass der Knüppel aus dem Holz eines einzigen Exemplars aus einer ganzen Auswahl Bäume stammte. „Das war ein irrer Aufwand, vergleichbar mit der Suche nach der buchstäblichen Stecknadel im Heuhaufen“, beschreibt Hilke Schröder die Situation. So war es nicht überraschend, dass die Untersuchungen ins Leere liefen. Die Baum-Proben hätten kein Match mit dem Knüppel ergeben.

Ebenso war die Hilfe der Großhansdorfer Experten bei Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gefragt. Ein Unbekannter hatte Bäume am Straßenrand angesägt, die später auf die Fahrbahn stürzten. „Auch bei Untersuchungen in Mordfällen haben wir schon mitgewirkt“, verrät Schröder. Zu weiteren Details aus diesem Bereich dürfe sie sich aber nicht äußern.

Thünen-Institut für Forstgenetik verfügt nicht über Forensik-Labor

Obwohl auf der Website des Instituts die einzelnen Arbeitsbereiche aufgelistet sind, findet sich dort keinerlei Hinweis auf forensische Untersuchungen. Mit Absicht, so Schröder: „Wir werden nur tätig, wenn wir angefragt werden. Wir sind aber kein Forensik-Labor“, stellt sie klar.

Aufträge kommen zudem vom Holzhandel, der Wissenschaft, von Sachverständigen, die Gutachten anfordern, und Privatpersonen. Schröder schildert ein Beispiel, in dem es um den Kauf einer Holztreppe aus Zucker-Ahorn ging. Die Türen im Haus der Kunden waren aus dem gleichen Holz gefertigt. Doch nach Lieferung der Treppe beschlichen die Käufer Zweifel, ob es sich tatsächlich um dieselbe Holzart handelte. Mit Recht: Die Bestimmung der Baumart deckte auf, dass es sich mitnichten um Zucker-Ahorn handelte.

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Schröders Arbeitsplatz ist ein Büro mit Blick ins Grüne. Auf dem Cover eines Buchs neben ihrem Schreibtisch ist ein hölzernes Bett abgebildet, über dessen Herkunft die Wissenschaft seit Jahren streitet. Die einen schreiben es dem englischen König Henry VII. zu, andere vermuten, dass seine Entstehung einem späteren Jahrhundert zuzuordnen ist. Seit seiner Wiederentdeckung ist das Bett Gegenstand zahlreicher kunsthistorischer und Materialanalysen, an denen sich auch Schröder und ihr Kollege Lasse Schindler beteiligt haben. In einem Kapitel des Buches berichten sie davon, wie sie herausfanden, um welche Baumart es sich handelt. So konnte die Herkunft des Holzes geografisch eingegrenzt werden.

Holzhändler wollen wissen, woher die gelieferten Bäume stammen

Herkunftsnachweise sind gefragt. „50 bis 70 Prozent der Aufträge bekommen wir direkt vom Holzhandel“, sagt Schröder. „Diese Selbstkontrolle ist eine super Entwicklung“, findet sie. Exemplarisch nennt sie einen Großhändler. Er schicke zuerst Proben und schließe den Handel nur ab, wenn diese ergäben, dass das Holz wirklich aus dem angegebenen Gebiet stamme.

Die Aufgabe ihrer Mitarbeiter ist die Analyse des pflanzlichen Materials. „Wir sind Forstgenetiker. Unsere genetischen Marker beziehen sich auf den Wald, daher sollte das Material Holz oder waldassoziiert sein.“ Die Wissenschaftlerin wertet die Daten aus dem Labor aus und zieht daraus Rückschlüsse. „Außerdem entwickle ich ständig neue Marker“, fügt sie hinzu.

Sie berichtet, dass Medienvertreter, die über ihre forensische Arbeit berichten, oft enttäuscht reagierten, weil sie nicht mit einem weißen Kittel im Labor stehe. Weil das nicht dem typischen Bild von der Arbeit der Beweis- und Spurensicherung entspreche, wie es in amerikanische Fernsehserien vermittelt werde. Mit einem Schmunzeln fügt Hilke Schröder hinzu: „Wir sind nun mal nicht bei ,CSI‘.“