Glinde. Die Serie in Glinde beginnt Mitte November. Seitdem werden die Einsatzkräfte regelmäßig nachts alarmiert – auf einem merkwürdigen Weg.

  • Die Feuerwehr Glinde sieht sich aktuell mit einer Serie falscher Notrufe konfrontiert
  • Die Retter werden immer wieder zum selben Gebäudekomplex gerufen
  • Der Verursacher sendet seine falschen Notrufe per Fax ab

Eine Serie falscher Notrufe bringt die Feuerwehr Glinde aktuell an ihre Grenzen. Immer gaben Feuerwehrleute, Polizisten und Rettungskräfte ihr Bestes, um so schnell wie möglich zur Einsatzstelle zu gelangen. In allen Fällen entpuppte sich der Alarm beim Eintreffen vor Ort dann jedoch als unbegründet.

Besonders perfide: Die Notrufe gingen per Fax ein. Diese Funktion ist für Menschen mit einer Hör- oder Sprachbehinderung geschaffen worden, für die ein Anruf unter 112 oder 110 eine unüberbrückbare Hürde darstellt.

Feuerwehr Glinde: Serie falscher Notrufe – Unbekannter terrorisiert Retter

Für Tom Reher, Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr Glinde, sind diese Vorfälle ein Skandal. Bei den Alarmierungen gehe es immer um Zimmerbrände in einem Gebäudekomplex an der Möllner Landstraße. Er liegt gegenüber dem Marktplatz und ist auch unter dem Namen Central Park bekannt. „Häufig wird ein Feuer im Bereich des dritten Obergeschosses oder einer anderen höheren Etage gemeldet, sodass wir normalerweise mit einem Löschzug ausrücken“, sagt er. Der Aufwand bei einer solchen Rettungsaktion ist immens.

Der erste missbräuchliche Notruf am 13. November war der Auftakt zu einer ganzen Serie, bei der sich ein durchgängiges Muster abzeichnet. Im Gegensatz zu den späteren Fällen erfolgte er am Nachmittag. Kurz nach 15 Uhr ging das entsprechende Fax bei der Rettungsleitstelle in Bad Oldesloe ein. Als die Feuerwehr, der Notarzt und die Polizei an dem Wohnblock an der Möllner Landstraße eintrafen, war von einem Feuer weit und breit aber nichts zu sehen.

Serie falscher Notrufe: Es geht immer zur derselben Adresse

Tags darauf ging der nächste Notruf, wieder per Fax, bei der Rettungsleitstelle in Bad Oldesloe ein. Punkt 23.34 Uhr schlugen die Melder der Feuerwehrkameraden Alarm. Davon dürften die meisten so kurz vor Mitternacht aus dem Schlaf gerissen worden sein. Wieder rückten sie mit einem Großaufgebot an der Möllner Landstraße an, und wieder war der ganze Aufwand umsonst.

Einen Tag später, am 15. November, ging der Notruf erst nach Mitternacht ein. Punkt 0.15 Uhr hieß es für die Retter aufstehen, anziehen und losfahren. Und wieder spielte sich das gleiche Szenario bei der Ankunft am „Central Park“ ab: kein Feuer, kein Rauch, kein Notfall.

Missbräuchliche Nutzung der Feuerwehr-Alarmierung ist eine Straftat

Der jüngste Notruf dieser Art erreichte die Leitstelle ebenfalls per Fax. Am Sonnabend, 23. November, wurde die Feuerwehr um 23.49 Uhr erneut zu einem Wohnungsbrand in einem Mietshaus an der Möllner Landstraße gerufen. Polizei und Rettungsdienst waren ebenfalls im Einsatz. Das ernüchternde Fazit der Retter: Jemand hatte sich zum wiederholten Mal einen bösen Scherz mit ihnen erlaubt und ihre Hilfsbereitschaft schamlos ausgenutzt.

Tom Reher, Pressesprecher der Freiwilligen Feuerwehr Glinde
Tom Reher, Pressesprecher der Freiwilligen Feuerwehr Glinde, hier auf einem Archivfoto, hofft darauf, dass Fake-Notrufe künftig unterbleiben. © FF Glinde | FF Glinde

„Wir gehen vom Straftatbestand einer missbräuchlichen Nutzung der Rettungs- und Feuerwehralarmierung aus“, sagt Feuerwehrsprecher Reher. „Fehlalarme kommen immer wieder mal vor, beispielsweise aus technischen Gründen. Im Gegensatz dazu handelt es sich hierbei aber um einen böswilligen Fehlalarm.“ Das decke sich auch mit den Erkenntnissen der Polizei, die bereits die Ermittlungen aufgenommen habe.

Tat kann mit einer Gefängnisstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden

Eine Polizeisprechern bestätigt die Vorfälle gegenüber dem Abendblatt. „Nach unseren Recherchen kam es bisher zu vier Notrufen per Fax an die Rettungsleitstelle für den Bereich Glinde.“ Alle Faxe seien per E-Mail versendet worden. Derzeit werde wegen des Verdachts des Missbrauchs von Notrufen gegen unbekannt ermittelt. Weitere Angaben wollte die Sprecherin aus ermittlungstaktischen Gründen nicht machen.

Dem Absender der E-Mails drohen erhebliche rechtliche Konsequenzen. Paragraf 145 des Strafgesetzbuchs besagt: „Wer absichtlich oder wissentlich Notrufe oder Notzeichen missbraucht oder vortäuscht, dass wegen eines Unglücksfalles oder wegen gemeiner Gefahr oder Not die Hilfe anderer erforderlich sei, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

In der Rettungsleitstelle werden alle eingehenden Notrufe ernstgenommen

Doch wie kann das sein, dass der Täter nicht so leicht zu ermitteln ist? Dazu muss man wissen, dass es technische Möglichkeiten gibt, den Absender zu verschleiern. Geht bei der Rettungsleitstelle ein solches Fax ein, ertönt dasselbe Klingelzeichen wie bei einem telefonischen Notruf. Nach Auskunft eines Sprechers der Rettungsleitstelle nutzen Menschen, die einen Hilferuf nur per Fax senden können, dazu üblicherweise Vordrucke.

Doch auch wenn diese nicht benutzt werden oder vielleicht sogar alles darauf hindeutet, dass es sich um einen absichtlich falschen Alarm handelt, müssen die Mitarbeitenden der Rettungsleitstelle den Notruf wie jeden anderen behandeln. „Wir gehen immer davon aus, dass die Menschen, die uns kontaktieren, Hilfe brauchen. Dann hinterfragen wir das auch nicht“, erläutert der Sprecher. Der Einsatz der Rettungskräfte dürfe nicht verzögert werden, im Zweifelsfall bleibe keine Zeit zum Nachforschen, wer der Absender sei. „Es ist die Aufgabe der ermittelnden Behörden, das nachzuverfolgen. Der Bürger, der den Notruf absetzt, hat zu wenig Zeit, und dasselbe gilt, wenn jemand uns etwas meldet.“

Feuerwehr Glinde wendet sich mit den Vorfällen an die Öffentlichkeit

Sobald in Glinde ein Feuer im Bereich der Möllner Landstraße 89 und der näheren Umgebung drumherum gemeldet wird, rechnen die Feuerwehrleute mittlerweile mit einem Fake-Alarm. Trotz der negativen Erfahrungen betont Reher: „Wir fahren grundsätzlich raus – auch dann, wenn diese Adresse auftaucht. Immer mit dem Bewusstsein, dass es geschehen kann, dass dort nichts ist und wir wieder nach Hause fahren.“

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Es dürfe nicht vergessen werden, dass die Freiwillige Feuerwehr Hilfe auf ehrenamtlicher Basis leiste. Wer bewusst falsche Notrufe tätige, riskiere nicht nur empfindliche Strafen. Für die Retter, die einfach nur Menschen helfen wollten und dafür ihre Freizeit riskierten und Gefahren auf sich nähmen, seien solche Erlebnisse alles andere als motivierend. „Hinzu kommt, dass Hilfsmittel gebunden werden, die zur selben Zeit vielleicht dringend an anderer Stelle gebraucht würden“, gibt Reher zu bedenken. Inzwischen ist die Feuerwehr Glinde dazu übergegangen, die Fälle publik zu machen, macht beispielsweise auf ihrem Instagram-Kanal darauf aufmerksam.. Tom Reher sagt: „Wir setzen auf die abschreckende Wirkung. Unsere Hoffnung ist, dass derartige Alarme in Zukunft unterbleiben.“

Vielleicht wird die Möglichkeit, Notrufe per Fax zu senden, in naher Zukunft ohnehin überflüssig. Denn es gibt eine Alternative: die offizielle Notruf-App der Bundesländer unter dem Namen „nora“. Sie ermöglicht es auch Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderung, selbstständig einen Notruf abzusetzen. Zudem bietet sie die Möglichkeit, Rückfragen per Chat zu stellen oder in bedrohlichen Situationen einen sogenannten stillen Hilferuf zu tätigen. Die App übermittelt die Standortdaten des Hilfesuchenden automatisch an die Leitstelle. Wer sie nutzen will, muss außerdem seine Telefonnummer angeben. Dadurch kann ein Missbrauch leichter nachverfolgt werden.