Reinbek. Historiker Tomas Unglaube beweist: Hermann Körner hat bewusst gelogen. Bekommt die nach ihm benannte Straße jetzt einen neuen Namen?
Der Fund seiner Aktentasche samt Ausweisen und Waffe in Küstrin (heute Kostrzyn in Polen) haben 2017 den Stein ins Rollen gebracht: Reinbeks früher angesehener Ex-Bürgermeister Hermann Körner (Amtszeit 1951 bis 1971) hatte eine nationalsozialistische Vergangenheit. Das haben die Forschungen von Tomas Unglaube, einst Lehrer am Sachsenwaldgymnasium und Stadtverordneter, mehr als bestätigt. Länger als zwei Jahre hat der studierte Historiker in neun verschiedenen Archiven von Koblenz bis Schleswig, von Hannover bis Bad Freienwalde, recherchiert. Die Ergebnisse sind jetzt im Jahrbuch des Heimatbundes Stormarn erschienen.
Körners Vergangenheit hatte über Jahrzehnte niemanden interessiert, der Ruf des Bundesverdienstkreuzträgers hingegen hallte nach. Dass er überhaupt ins Amt kam, war laut Unglaube teils Zufall, teils Kalkül: „Herr Körner hat bei seinen Auskünften gegenüber der Entnazifizierungskommission nicht nur vieles verschwiegen, sondern vor allem auch falsche eidesstattliche Erklärungen abgegeben und bewusst gelogen“, sagt Unglaube.
Tomas Unglaube entlarvt Körner als Nationalsozialisten
So sei Körner beispielsweise nicht in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen, sondern habe nach dem Krieg unter falschem Namen im Landratsamt Hagenow als Personalchef gearbeitet. Und entgegen seiner Aussagen war er kein Mitläufer der NSDAP, sondern ein alter Kämpfer für die Partei und sogar SA-Mitglied gewesen.
Gegenüber der Kommission habe Hermann Körner eidesstattlich erklärt, er sei kein SA-Mitglied gewesen. Nach Unglaubes Recherchen könnte Körners Mitgliedschaft darin begründet gewesen sein, im NS-Staat Karriere machen zu wollen. Dies war ihm auch geglückt: So wurde er Kreisleiter der NSDAP – was er im Entnazifizierungsverfahren leugnete. Bereits im Alter von 32 Jahren wurde er Bürgermeister von Küstrin (1939 bis 1945), in der SA brachte er es zum Hauptsturmführer.
Doch es ging Körner offenbar nicht nur um Titel und Posten. Gegner des NS-Regimes hatten unter ihm als Bürgermeister in Werneuchen (von 1933 bis 1939) zu leiden: Den früheren Landarbeiter Karl Stroyek schwärzte er bei der Gestapo Potsdam an und empfahl: „Es wäre richtig, Stroyek für einige Zeit in ein K-Lager einzuliefern.“ Walter Riemer ließ er 1934 festnehmen und ins Polizeigefängnis von Potsdam überführen, weil er Staatsstellen beleidigt habe. Die Quellen belegen: Körner war überzeugter Nationalsozialist.
Nach dem Krieg taucht Körner unter falschem Namen unter
Nach dem Krieg tauchte Körner unter dem Namen Köhler bei Boizenburg unter. Die Papiere hatte er sich als Bürgermeister selbst ausgestellt. So konnte er Personalchef des Landratsamtes Hagenow werden. Bevor er auffliegen und verhaftet werden konnte, flüchtete er 1948 in die britische Besatzungszone. Aus dieser Phase machte er später eine Kriegsgefangenschaft in Russland.
Tomas Unglaube fand heraus, dass Körner seine Einstufung als „Entlasteter“ im Wesentlichen zwei Umständen verdankte: zuerst einer Teilamnestie. Zweitens hatte das Gericht in Bielefeld für diesen Prozess seine Akte angefordert, die aber verloren gegangen und erst 1951 wieder aufgetaucht sei. Hermann Körner wurde daher aufgefordert, die Formulare für seine schriftliche Aussage noch einmal auszufüllen. „Dabei hat Herr Körner seine Vergangenheit offenbar geschönt“, stellt Unglaube fest.
Hintergrund: In der britisch besetzten Zone gab es ein zweigeteiltes Entnazifizierungsverfahren. Neben der schriftlichen Aussage gegenüber der Kommission gab es noch ein Gerichtsverfahren. Das kam durch die Amnestie nicht mehr zustande.
Amnestie vereitelt scharfe Anklage gegen Hermann Körner
Die Anklage gegen Hermann Körner sei scharf gewesen: „Er hat in einer weit größeren Anzahl von Fällen das verbrecherische nationalsozialistische System als Kreisleiter gestützt und gefördert“, hieß es dort unter anderem.
Doch dann folgte die Amnestie. Zum Gerichtsurteil kam es nicht mehr. Stattdessen bewertete ihn die Kommission, im Wesentlichen gestützt auf von Körner eingeholte Referenzen: „An der Gesamthaltung des Betroffenen und seiner politischen Tätigkeit ist nichts auszusetzen.“ Körners Weg zur Bewerbung als Reinbeker Bürgermeister war frei.
Eine Entnazifizierung gab es in Schleswig-Holstein nicht
„Verstörend“, urteilt Tomas Unglaube. „Das Verfahren zu Körner bestätigt damit die Befunde zahlreicher Historikerinnen und Historiker: Eine Entnazifizierung, die diesen Namen verdient, gab es in Schleswig-Holstein nicht.“ Vielleicht glaubte sich Körner sogar im Recht, meinte, etwas Gutes getan zu haben, als er in Küstrin versucht habe, den Vorstoß der Sowjets aufzuhalten. Dies lasse sich jedoch nicht verifizieren.
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Mehr noch: Seine Gesinnung scheint Hermann Körner auch während seiner Reinbeker Amtszeit nicht geändert zu haben. Tomas Unglaube berichtet, er habe noch bis zuletzt Kontakt zum einstigen SS-Gruppenführer Heinz Reinefarth, später Bürgermeister von Westerland, gehabt. An den einstigen Landrat von Königsberg, Joachim Reuscher, schrieb er: „Die Zeit ist für eine gerechte und objektive Beurteilung der Erlebnisse noch nicht reif. […] Ich bin zwar nach jahrelangem Kampf entbräunt – aber was nützt das? […] In meiner Gesinnung bin ich der alte geblieben, […].“
Hermann Körner ein Demokrat? Ein Missverständnis
„Hermann Körner ist als Typus interessant“, erklärt Unglaube, der seine Forschungen mittlerweile dem Arbeitskreis für den Straßennamen „Hermann-Körner-Straße“ präsentiert hat. „Denn er hat unbestreitbar viel für die Stadt Reinbek erreicht. Häufig wurde die Bereitschaft zum Wiederaufbau aber mit einer demokratischen Gesinnung verwechselt.“ Dass Körner als Demokrat galt, sei ein Missverständnis gewesen.
Björn Warmer, Reinbek aktueller Bürgermeister, äußert sich nicht zur Arbeitskreisempfehlung, sagt aber: „Den Straßennamen können wir nicht ohne Weiteres beibehalten. Denn die Rechercheergebnisse sind unschön, aber inhaltlich unstrittig.“ Die Frage sei nur, wie Reinbek mit dem Namen umgehe. Es gebe verschiedene Varianten, neben der Umbenennung auch Zusätze. „Darüber muss die Politik Anfang 2025 entscheiden“, sagt Warmer. Das Jahrbuch ist im ProFunda-Verlag erschienen und kostet 20 Euro.