Reinbek/Küstrin. Reinbek. Die Nazi-Vergangenheit des angesehenen ehemaligen Reinbeker Bürgermeisters wurde in Polen wieder ausgegraben.

Stolz auf das, was er geschaffen hat, liegt in seinem Blick. 20 Jahre war Hermann Körner (1907-1977) Bürgermeister in der Schlossstadt. Eine Straße wurde nach ihm benannt. Er hat Reinbek in seiner Amtszeit von 1951 bis 1971 zur Stadt gemacht. Dafür erhielt er 1972 das Bundesverdienstkreuz. Während er hier für seine Verdienste verehrt wird, bekommt sein Bild woanders Risse. Der Fund einer Aktentasche in der ehemaligen Festung Küstrin, wo Körner ebenfalls Bürgermeister war, hat ihn postum in die Schlagzeilen gebracht und schlägt nach einem Besuch von Bürgermeister Björn Warmer und Stadtarchivar Carsten Walczok im Küstriner Festungsmuseum weitere Wellen.

Mit 32 Jahren Bürgermeister

Der Historiker Dr. Reinhard Schmook, Leiter des Oderlandesmuseums Bad Freienwalde, hatte den Bericht über den Besuch aus Reinbek gelesen und sich daraufhin bei der Märkischen Oderzeitung gemeldet. „Es ist höchste Zeit, dass über Hermann Körner offen geredet wird. Denn er war ein Nazi-Durchhaltestratege“, sagt Dr. Schmook, der betont, dass es ihm nicht darum gehe, jemand an den Pranger zu stellen. Direkte Schandtaten könne man Körner nicht nachweisen. Aber man müsse die ganze Persönlichkeit sehen. Er sei als Kreisleiter der NSDAP ein exponierter Nazi gewesen. Dafür spreche, dass er schon mit 32 Jahren Bürgermeister in Küstrin wurde, das als Verkehrsknotenpunkt eine wichtige strategische Bedeutung für die Kriegsführung der Nazis hatte.

Bei seinen Recherchen ist ihm aufgefallen, dass die Beschreibung seiner Vita im Widerspruch zu dem steht, was die Quellen hergeben. Er habe nicht die Zivilbevölkerung restlos evakuiert, sondern wehrfähige Männer von 16 bis 60 Jahren zur aussichtslosen Verteidigung des „Heimatbodens“ aufgerufen. Denn die preußische Festung im heute polnischen Grenzort Kostrzyn erlebte in den ersten Monaten des Jahres 1945 ihren Untergang. Die Rolle Körners als letzter deutscher Bürgermeister in Küstrin wird in den „Reinbeker Profilen“ des Museumsvereins dagegen heldenhaft beschrieben: „Als im Januar 1945 die Rote Armee Küstrin erreichte, hat der Bürgermeister, entgegen allen Befehlen, in eigener Verantwortung die Küstriner Zivilbevölkerung restlos evakuiert.“ Frauen und Kinder wurden nach dem von Körner gezeichneten Räumungsbefehl am 19. Februar 1945 in Sicherheit gebracht – nachdem die Rote Armee den Ort wochenlang belagert und bombardiert hatte.

Durchhalte-Ergüsse in Festungszeitung

„Nachdem die Stadt am 25. Januar von Hitler zur Festung erklärt wurde, war Körner für den Volkssturm verantwortlich“, fasst der Historiker Dr. Schmook zusammen: „Die Durchhalte-Ergüsse Körners lassen sich in der Festungs-Zeitung lesen, die vom 12. Februar bis zum 6. März erschien.“ Während Körner die Zivilbevölkerung darin zum und Durchhalten aufrief, lag die militärische Kommandantur seit dem 2. Februar in den Händen von SS-Gruppenführer Heinz Reinefarth, der sich als „Schlächter von Warschau“ bereits einen Namen gemacht hatte. Bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes wurden 20 000 bis 40 000 Zivilisten von Truppen unter seinem Befehl erschossen. Nun sollte er mit harter Hand aus den zumeist wenig kampfstarken und kriegsmüden Soldaten eine wirksame Verteidigung der Festung organisieren.

Reise in die Vergangenheit

Auch in Reinbek wird man sich nun mit der Geschichte auseinandersetzen. Bürgermeister Björn Warmer will erst einmal weitere Fakten abwarten: „Es ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Thema, die Hermann-Körner-Straße umzubenennen.“ Da fehle noch eine Menge, um einzuschätzen, ob Körners Handeln außer der Verschönerung seiner Vita, zum Nachteil von Menschen geführt habe. „Es ist aber wichtig, nicht darüber hinwegzusehen.“

Vor Ostern hatte Stadtarchivar Carsten Walczok einen Anruf aus Brandenburg erhalten. Dietrich Schröder, Redakteur der Märkischen Oderzeitung für deutsch-polnische Nachbarschaft, sammelte Informationen über Hermann Körner. Bei Grabungsarbeiten in der einstigen Festung waren Gegenstände des letzten deutschen Bürgermeisters gefunden worden. Nazi-Orden, ein Karabiner, Rasierutensilien und eine lederne Brieftasche tragen zwar nicht zur Klärung seiner Rolle bei, wirbelten dafür das Interesse an Körner neu auf. Bürgermeister Björn Warmer und Stadtarchivar Carsten Walczok folgten daraufhin einer Einladung in das 500 Kilometer entfernt liegende heutige Kostrzyn nad Odrą.

„Dass Körner während der Nazizeit von 1939 bis 1945 schon Bürgermeister in Küstrin war, wussten wir zwar. Viel mehr auch nicht“, sagt Walczok, der jetzt mehr herausfinden möchte. „Wir müssen als Reinbeker wissen, welche Rolle Hermann Körner damals wirklich gespielt hat, um unser kommunales Verhältnis zu ihm neu bewerten zu können.“ Er wisse nicht, wo die Reise hinführt und will ihn nicht verurteilen, sondern Fakten zusammentragen. Dafür wird Walzcok nun in polnischen Archiven Dokumente, die aus dem Besitz des Heimatkreisarchivs von Königsberg/Neumark (dem heutigen Chojina) stammen, sichten und in Ratzeburg nachfragen, wo Körner nach seiner Flucht aus der Kriegsgefangenschaft 1948 ein Steuerberatungsbüro eröffnet hatte.

Besuch im Festungsmuseum

Um sich selbst einen Eindruck zu machen und als Geste besuchten Warmer, Walczok und Eduard Balzasch als Dolmetscher das Festungsmuseum. Im Gepäck hatten sie ein Gastgeschenk für den Leiter Ryszard Skalba: Briefe mit Fotos, die ein in der DDR lebender früherer Küstriner in den 1960er-Jahren im Kostrzyn gemacht hatte und an Körner in Reinbek geschickt hatte.

Körner und Reinefarth, den am Ende der Ausbruch aus der Festung gelang, hatten übrigens nach dem Krieg im selben Jahr ein Bürgermeisteramt angetreten. 1950 bewarb sich Körner um die vakante Bürgermeisterstelle der Gemeinde Reinbek. Am 28. März 1951 wählte ihn die Gemeindevertretung einstimmig zum Bürgermeister. Ebenfalls 1951 wurde Reinefarth Bürgermeister in Westerland auf Sylt. Parallelen einer Karriere mit Nazivergangenheit, die nun in Reinbek Fragen aufwirft.

Die zwischen Oder und Warthe gelegene Küstriner Altstadt wurde im Zweiten Weltkrieg bis auf die inzwischen freigelegten Grundmauern zerstört und nicht wieder aufgebaut. Der östlich der Warthe gelegene Stadtteil gehört seit 1945 als Kostrzyn zu Polen. Die westlich der Oder gelegenen blieben entsprechend des Potsdamer Abkommens bei Deutschland.