Bargteheide. Petrijünger in Bargteheide kämpfen um Spots in den Stadtgrenzen. Warum die Verwaltung Regenbecken aber nicht freigeben will.
Angeln gilt als Urlaub für die Seele. Es entspannt und bietet einen perfekten Ausgleich zum Alltag. Viele Angler schätzen die Ruhe draußen in der Natur als einen der letzten echten Freiräume in einer sich immer rasanter verändernden Welt. Doch während dieses wohl meist unterschätzte Hobby früher oftmals vor der Haustür betrieben werden konnte, werden die Wege für manche Petrijünger heute länger und länger. So zum Beispiel für die Mitglieder des Angelvereins Bargteheide (AVB). Dabei hat das Interesse an diesem Freizeitsport seit der Corona-Pandemie deutlich zugenommen.
„Vor der Pandemie wurden für die Trave im Schnitt 10.000 Jahreskarten verkauft. Seitdem stieg die Zahl auf mehr als 13.000“, sagt Timo Bienert, erster Vorsitzender des AVB. Nachdem es in der Stadt viele Jahre keinen Angelverein mehr gab, hat ihn der 48-Jährige im August 2022 neu gegründet. „Es gab eine große Nachfrage, die endlich wieder bedient werden sollte“, so der ehemalige Polizist.
Bargteheide: Angler dürfen nahes Gewässer nicht nutzen
Mit der Aufnahme in den Verein gab es die Möglichkeit, günstiger an Jahres- und Tageskarten für bestimmte Gewässer zu kommen. „Ziel war es auch, ortsnahe Angelspots zu schaffen oder zu reaktivieren. Insbesondere für unsere Jugendarbeit, der wir uns von Beginn an verschrieben haben“, erklärt Bienert.
Wie groß das Interesse vor allem in dieser Altersgruppe ist, zeigte sich jüngst erst beim verkaufsoffenen Sonntag im September. Am Stand des Vereins bekundeten mehr als 80 Besucher mit ihrer Unterschrift, darunter viele Eltern, ihren Wunsch, möglichst bald wieder einen Anlaufpunkt zum Angeln innerhalb der Stadtgrenzen zu haben.
Verein will bald wieder eine Jugendgruppe gründen
„Wir wollen schon bald wieder eine Jugendgruppe gründen, um Kindern und Jugendlichen eine aktive, naturnahe Freizeitalternative zu ermöglichen, um sie wegzulocken von Computern und Spielekonsolen“, bekräftigt Dennis Jühdes, Kassenwart des AVB. Doch dafür sei es eben auch wichtig, dass Kinder und Jugendliche keine weiten Wege zurücklegen müssen, um ihrer Freizeitbeschäftigung nachgehen zu können.
Kein leichtes Unterfangen in einer Stadt, die von keinem Fluss durchzogen wird und über keine nennenswerten Seen und andere Gewässer verfügt. So nahmen die AVB-Aktivisten frühzeitig Regenrückhaltebecken in den Fokus, von denen es in Bargteheide einige gibt. „Die sind sicher nicht optimal, aber immerhin eine Option“, sagt Bienert.
Ehemaliger Teich ist jetzt eine „abwassertechnische Anlage“
Mit einer Fläche von etwa 4000 Quadratmetern eines der größten befindet sich an der Heinrich-Hertz-Straße, östlich des Südrings. „Dort befand sich schon vor dem Ausbau des Gewerbegebiets südlich der Lohe ein Teich, der bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren zahlreiche Angler anlockte“, erinnert sich Bienert.
1999 wurde der Teich allerdings zum Regenrückhaltebecken erweitert und neu hergerichtet. Seitdem gilt das inzwischen vollständig eingezäunte Gewässer als „abwassertechnische Anlage“. Die nach Auskunft des Fachdienstes Umwelt der Stadtverwaltung Bargteheide von einer Ausgleichsfläche umgeben ist, deren Funktion durch das unbefugte Betreten „nicht aufrechterhalten werden“ könne.
Auf Ausgleichsfläche verläuft ein stark frequentierter Wanderweg
„Diese Begründung verwundert doch sehr“, so Bienert. Denn auf der sogenannten Ausgleichsfläche verläuft nicht nur ein offizieller Wanderweg mit Sitzbank. Der wird unter anderem regelmäßig von einem Landwirt befahren, um zu seiner Rinderkoppel gleich neben dem Rückhaltebecken zu gelangen.
Beim Abendblatt-Besuch vor Ort wurde der Weg zudem von mehreren Spaziergängern, Joggern und Hundebesitzern frequentiert. Und nirgends findet sich im Umfeld auch nur ein Schild, dass das Befahren und Begehen des Wegs ausdrücklich einschränkt oder sogar verbietet.
Alternative wurde wegen Sicherheitsbedenken abgelehnt
Statt dem angefragten Regenrückhaltebecken unterhalb der Lohe ist dem AVB als Alternative das Regenrückhaltebecken am Glindfelder Weg, östlich des Westrings, angeboten worden. Das hat der Verein aber abgelehnt. „Mit seiner steilen Böschung und den beiden Betontreppen halten wir es mit Blick auf Kinder und Jugendliche schon aus Sicherheits- und Haftungsgründen für ungeeignet. Mal ganz abgesehen davon, dass er völlig zugewachsen ist und erst einmal entkrautet werden müsste“, begründet Bienert den Verzicht.
Kurioserweise wurde dem Verein auch das Angeln im namensgebenden Park zu den Fischteichen untersagt. Früher von der Fischzucht Timmerhorn und später vom Angelverein Ahrensburg bewirtschaftet, gilt das 1,6 Hektar große Gewässer heute ebenfalls als Ausgleichsfläche mit mehreren Regenrückhaltebecken, in denen auch nicht geangelt werden darf.
De facto existieren im Kreis Stormarn keine freien Gewässer
„Das ist eben die große Crux für uns Angler: Bis auf Nord- und Ostsee gibt es keine freien Gewässer in Schleswig-Holstein“, sagt Timo Bienert. Zwar weisen einschlägige Internetforen mehr als 60 Angelspots im Kreis Stormarn aus. Tatsächlich sind die meisten aber in Privatbesitz, werden kommerziell genutzt, oder sind verpachtet.
Deshalb entscheiden Besitzer, Betriebe oder Vereine, wer in den Gewässern angeln darf und was eine Tageskarte kostet, die in der Regel zwischen 25 und 95 Euro kosten. Ohne einen Fischereischein, für den ein Lehrgang besucht werden muss und der bei Bienert, dem einzigen Ausbilder im Kreis Stormarn, 90 Euro für Erwachsene sowie 75 für Jugendliche kostet inklusive Leitfaden und Prüfungsgebühr, oder zumindest eine Abgabemarke, geht normalerweise nichts.
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Um den Kindern und Jugendlichen in Bargteheide trotzdem etwas anbieten zu können, wollen sich Bienert und seine Mitstreiter jetzt um eine ehemalige Kiesgrube in Jersbek bemühen. „Ich glaube, dass in vielen Amtsstuben ein völlig falsches Bild von Anglern existiert“, sagt Timo Bienert. Es sei nämlich mitnichten so, dass sie nur Fische aus dem Wasser ziehen, Unrat hinterlassen und sich ansonsten um nichts kümmern. „Wir kümmern uns um die Gewässer- und Uferpflege, sorgen für Biodiversität und für die Einhaltung der Regeln“, beharrt er.
Fragt man ihn, wo er und seine ambitionierten Freunde am liebsten Angeln gehen, dann verweist Bienert vor allem auf die Trave zwischen Hamburg und Travemünde und den Elbe-Lübeck-Kanal. Das Angeln, etwa in kommerziell bewirtschafteten Teichen und Seen, die oft mit Forellen und Karpfen besetzt sind, hat für ihn längst jeden Reiz verloren.