Glinde. Glinde hat ein Schallgutachten erstellen lassen. Es besteht Gefahr für die Gesundheit. Was Bürgermeister Rainhard Zug unternimmt.
Stefan Flint hat Probleme beim Einschlafen ob der von Fahrzeugen verursachten Geräusche, für seine Frau ist die Nacht hingegen morgens um 4 Uhr beendet. Sie kriegt dann kein Auge mehr zu. Das Haus des Paares in Glinde liegt rund 25 Meter entfernt von der Kreisstraße 80. Inzwischen hat der 43-Jährige nur noch 20 Prozent Hörvermögen auf dem rechten Ohr und macht dafür auch den Lärm verantwortlich. Es existiert zwar eine Holzwand nahe der Fahrbahn mit einer dünnen Dämmplatte, in der fehlen jedoch Elemente. Sie hält keineswegs den Schall ab. Ein Neubau, der wirklich schützt, ist sinnvoll. Der ist beabsichtigt, das dauert aber noch. Um die Situation für die Anwohner in einem ersten Schritt zu verbessern, fordert Bürgermeister Rainhard Zug das Verkehrsministerium in Kiel auf, Tempo 70 zu veranlassen.
Derzeit sind auf dem K-80-Abschnitt nahe Flints Grundstück 100 km/h erlaubt. Der Bereich liegt auf Reinbeker Gebiet. „Eine Geschwindigkeitsreduzierung haben Reinbek und der Kreis Stormarn bereits vor Jahren abgelehnt, wir gehen jetzt von der anderen Seite an das Thema heran“, sagt Zug. Er wird ein Schallgutachten in die Landeshauptstadt schicken, das Glinde in Auftrag gegeben hatte. Angefertigt wurde das Dokument von der Firma Lairm Consult aus Bargteheide. Die Experten unternahmen eine Verkehrszählung: sieben Tage am Stück und rund um die Uhr in beide Fahrtrichtungen. Sie unterschieden nach Zweirad, Pkw, Transporter, Lkw und Lastzug. Bis zu 30.000 Fahrzeuge sind täglich auf der Straße unterwegs. Berechnet wurden sogenannte Beurteilungspegel. Heraus kam, dass bei der heute zulässigen Höchstgeschwindigkeit die jeweiligen Immissionsgrenzwerte für allgemeine Wohngebiete von 59 Dezibel tags und 49 nachts auf allen Grundstücken auf einer Seite der Stübenkoppel überschritten werden.
Glindes Bürgermeister fordert stationären Blitzer an K80
Das ist jedoch nicht alles: Es gibt auch Grenzwerte für Gesundheitsgefährdung. Jener für nachts, nämlich 60 Dezibel, wird an vier Stellen geknackt. Bei Tempo 70 liegt man laut Lairm Consult wieder darunter. Und in der Kategorie allgemeine Wohngebiete würde das zumindest bei einigen Häusern der Fall sein. Die Experten haben entsprechende Zahlen in einer Tabelle aufgeführt, Werte für Erd- und erstes Obergeschoss in den Immobilien ermittelt.
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„Wir wollen und brauchen die Geschwindigkeitsreduzierung. Außerdem soll das Land einen festen Blitzer installieren“, sagt Zug. Er wird jetzt einen Termin mit dem Ministerium in Kiel vereinbaren, bei dem die Bürgerinitiative für Lärmschutz an der K80 dabei sein soll. Flint gehört ihr an. Er war auch bei einem Treffen im Januar mit Mitarbeitern der obersten Landesbehörde, dem Glinder Bürgermeister, Vertretern des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr und einem Ingenieurbüro. Ziel des Gesprächs war es, Lösungsansätze auszuloten, um die Lärmbelästigung in den Griff zu bekommen. Diskutiert wurde über den Neubau einer Schutzwand und den passenden Standort.
Standort für neue Lärmschutzwand ist noch ungeklärt
Für dieses Projekt kämpft die Initiative seit 2009. Klar ist: Einen Anspruch hat sie nicht, das wurde durch ein Gutachten geklärt. Denn der Bebauungsplan ist nichtig. In der Vergangenheit wurden viele Fehler gemacht: vor Zugs Zeit als Bürgermeister. Die neue Wand wäre eine freiwillige Leistung der Stadt. Geld für Planungskosten hat die Politik bereitgestellt. Die Idee einer bestimmten Konstruktion, im Fachjargon Fahrzeugrückhaltesystem mit integrierter Lärmschutzwand genannt, direkt am Fahrbahnrand über mehrere Hundert Meter haben Ministerium und LBV.SH abgelehnt aus Gründen der Verkehrssicherheit und wegen Entwässerungsproblematik. Das wäre Glindes Wunschlösung gewesen und im Vergleich zu anderen Varianten günstiger mit rund 650.000 Euro. Vor zwei Jahren waren Alternativen mit 1,3 sowie 1,5 Millionen Euro beziffert.
Zug plädiert dafür, dass die neue Wand an der Stelle der jetzigen maroden entsteht, also eine Böschung hinauf gezogen wird. „Ohne Grundverkauf der Anlieger wird es aber nicht gehen“, sagt der Verwaltungschef. Die Fläche benötigt die Stadt für einen Unterhaltungsweg. Das Rathaus hatte vor geraumer Zeit Preisvorschläge gemacht. „Wir wollen alle nicht verkaufen, weil es andere Möglichkeiten gibt“, sagt Initiativensprecherin Dagmar Coordts. Der Bürgermeister kündigt trotzdem an, auf Anwohner der Stübenkoppel zuzugehen und mit ihnen über Erwerb von Boden zu reden. Einen Baubeginn in 2026 hält er für möglich. Die Entscheidung obliegt den Parteien. Zug möchte zudem, dass sich das Land an den Kosten beteiligt.
Anwohner sendet Hilferuf an Parteien in Glinde
IT-Berater Flint hat vor wenigen Tagen ein Schreiben an CDU, SPD, FDP und Grüne gesendet per E-Mail. Im letzten Absatz heißt es: „Bitte lassen Sie nicht weitere fünf Jahre ins Land gehen. Wir brauchen jetzt die Hilfe, damit wir keine weiteren negativen gesundheitlichen Folgen zu spüren bekommen.“ Alle zehn Seiten sind mit der Überschrift „Lärm macht krank!“ versehen. Es sei ausreichend Platz vorhanden für die Ertüchtigung der Wand auf dem Abschnitt zwischen Stübenkoppel 8 und Bummereiweg sowie kein Grunderwerb durch die Stadt erforderlich. Außerdem regt er eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h auf der Kreisstraße 80 an. Flint sagt, er mache sich vor allem Sorgen um seine kleine Tochter.