Lübeck/Oststeinbek. Zwei Männer sollen Tankstellenpächterin überfallen haben. Jetzt sprach ihr Angestellter, der während des Raubs mit im Auto saß.
„Es ging alles ganz schnell“, sagt Tim W. (alle Namen geändert) über das, was er von jenem verhängnisvollen Tag vor mittlerweile über sechs Jahren noch erinnert. Er war damals Mitarbeiter von Tankstellenpächterin Cindy K., war am Dienstag, 3. April 2018, mit ihr zur Sparkasse in Oststeinbek gefahren, um 15.000 Euro in bar bei der Bank einzuzahlen. Dann wurden die beiden in der Tiefgarage des Geldinstitutes überfallen. Am Mittwoch schilderte der 33-Jährige die Geschehnisse vor dem Landgericht Lübeck aus seiner Sicht.
Wie berichtet, müssen Stanislaw M. und Vadim P. sich seit Anfang Oktober wegen Raubes vor Gericht verantworten. Die heute 39 und 45 Jahre alten Männer konnten von Polizei und Staatsanwaltschaft identifiziert werden. Zwei weitere Personen, die den Ermittlern zufolge beteiligt gewesen sein sollen, sind hingegen weiterhin unbekannt. Den Angeklagten wird vorgeworfen, Cindy K. in der Tiefgarage überfallen zu haben, um ihr die Einnahmen der Tankstelle zu stehlen. Es gelang ihnen jedoch lediglich, einen Rucksack mit rund 50 Euro und persönlichen Gegenständen zu erbeuten.
Überfall in Tiefgarage in Oststeinbek: Welche Rolle spielte Mitarbeiter?
„Es war ein ganz normaler Tag“, erinnert sich Tim W. an den Tag der Tat. Cindy K. war Pächterin zweier Tankstellen in Hamburg-Bergedorf und Oststeinbek, der 33 Jahre alte Hamburger ihr Angestellter. K. wollte die Einnahmen auch an diesem Tag zur Bank bringen. Von der Tankstelle in Bergedorf nahm sie am Vormittag, wie schon oft, Tim W. mit. Der musste nämlich ohnehin nach Oststeinbek, weil um 13 Uhr an diesem Tag seine Schicht begonnen hätte, wie er am Mittwoch vor Gericht schilderte. Doch dazu kam es nicht.
W. berichtete, wie Cindy K. und er, sie am Steuer, er auf dem Beifahrersitz, mit ihrem Fiat 500 in die Tiefgarage der damaligen Filiale der Sparkasse Holstein an der Möllner Landstraße fuhren. „Das Geld war in schwarzen Taschen mit Reißverschluss unter dem Sitz“, sagte Tim W. Zudem hatte er einen Rucksack dabei. „Darin waren Kopfhörer, ein Parfüm, Lohnabrechnungen, eine Flasche selbstgebrannter Eierlikör und Bargeld in Höhe von ungefähr 50 Euro“, so der 33-Jährige.
Aus Sicherheitsgründen fuhr Cindy K. stets verschiedene Bankfilialen an
Aus Sicherheitsgründen habe Cindy K. stets verschiedene Bankfilialen angefahren, um die Einnahmen einzuzahlen. Auch sei sie immer kurz im Auto sitzen geblieben, bevor sie ausgestiegen sei. Das sei auch an diesem Tag so gewesen. Und dann sei da ein anderes Auto gewesen. „Es war ein dunkelgrüner BMW Kombi, ein älteres Modell“, sagt Tim W. Aus diesem seien mindestens zwei maskierte Personen ausgestiegen und auf sie zugelaufen. Cindy K. habe noch versucht loszufahren, doch der BMW habe den Weg versperrt.
Dank der Zentralverriegelung hätten die Männer das Auto nicht öffnen können. „Sie schlugen mit flachen Händen gegen das Auto und riefen ‚Geld, Geld‘“, sagt der Zeuge. Er sei sich sicher, einen osteuropäischen Akzent vernommen zu haben. Die Maskierten hätten am Auto gerüttelt. Schließlich habe einer mit einem Feuerlöscher das Fenster der Beifahrerseite eingeschlagen. Er habe Scherben abbekommen, doch glücklicherweise habe der Feuerlöscher ihn nicht getroffen. „Das war knapp, sonst wären meine Lichter aus gewesen“, sagt W.
Die Täter griffen den Rucksack des Mitarbeiters und flüchteten damit
Seinen Rucksack, den er zwischen den Beinen gehabt habe, habe der Täter ihm entrissen. „Ich habe versucht ihn festzuhalten, es war ja mein Eigentum, aber er war stärker“, so Tim W. Seine Vermutung: „Durch das Gewicht der Flasche im Rucksack dachten die Täter vielleicht, dort sei das Geld drin.“ Jedenfalls flüchteten sie mit ihrer Beute. „Zum Glück“, sagt der 33-Jährige. „Das war mein Triumph im Heilungsprozess, dass sie wenigstens die falsche Tasche gegriffen haben.“
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Es sei alles ganz schnell gegangen, kurze Zeit später sei auch schon alles wieder vorbei gewesen. Danach seien Cindy K. und er in die Sparkasse gegangen, diese schloss ihre Türen, die Polizei wurde gerufen. „Ich war physisch nicht verletzt, stand aber unter Schock, ich habe auch geweint, weil es einfach zu viel war“, sagt Tim W. Danach habe er erst einmal verarbeiten müssen, was passiert sei. Er sei spontan in den Urlaub geflogen, habe danach mit Schlafstörungen zu kämpfen gehabt. „Ich hatte zwischenzeitlich überlegt, ob ich die Branche wechsle“, sagt Tim W. Er entschied sich aber dagegen, habe das Geschehen mittlerweile ohne therapeutische Hilfe verarbeitet. Bei den Tankstellen ist er immer noch tätig, anders als Cindy K.
Die Pächterin gab ihre Selbstständigkeit auf, nachdem sie und ihr Mann schon in den Jahren zuvor immer wieder Diebstähle und Überfälle an den Tankstellen erlebt haben. Der Vorfall habe sie psychisch mitgenommen, wie sie am ersten Verhandlungstag vor Gericht schilderte. Unklar scheint nach wie vor, woher die Täter wussten, dass Cindy K. an jenem Tag zu genau der Zeit die Tageseinnahmen zur Bank bringen würde. Der Prozess wird am Mittwoch, 13. November, fortgesetzt. Ein Urteil wird frühestens Ende November erwartet.