Bad Oldesloe. Vorstoß der Fraktion Freie Wähler/Die Linke sorgt für Diskussionen im Gesundheitsausschuss. So ist das Meinungsbild.

Die Legalisierung von Cannabis erhitzt weiter die Gemüter. Während die einen das Vorhaben der Ampel-Koalition in Berlin ausdrücklich begrüßen, wird es von den anderen scharf kritisiert und abgelehnt. Jetzt hat die Debatte auch Stormarn erreicht und ist zum Thema im Sozial- und Gesundheitsausschuss des Kreistags geworden. Die Fraktion Freie Wähler/Die Linke hat beantragt, der Kreis möge sich als Modellregion für den Legalisierungsprozess bewerben. Sie stieß damit aber auf wenig Verständnis in den anderen Fraktionen.

„Die Legalisierung von Cannabis ist ein längst überfälliger Schritt, der nicht nur den verantwortungsvollen Konsum fördert. Er trägt auch dazu bei, Suchtkranken eine angemessene Behandlung zu ermöglichen, anstatt sie als Kriminelle zu stigmatisieren“, begründete Alina Krassow von den Freien Wählern den Vorstoß.

IStormarn als Cannabis-Modellregion geeignet? Experten bleiben ungehört

Durch den kommerziellen Verkauf könne der illegale Drogenhandel erheblich eingedämmt werden, das reduziere das Gesundheitsrisiko durch verunreinigte Substanzen deutlich. Zudem werde durch die kontrollierte Abgabe der Jugendschutz wesentlich gestärkt. Schließlich würden Schwarzmarkthändler nie nach einem Ausweis fragen. „Nicht zuletzt kann mit erheblichen Steuermehreinnahmen gerechnet werden“, so Krassow.

Cannabispflanze
Cannabispflanzen, gezogen in einem Gewächshaus © DPA Images | Georg Wendt

Das Bundesgesundheitsministerium hat kürzlich Eckpunkte eines Zweisäulenmodells zur kontrollierten Abgabe von Cannabis vorgelegt. Dazu zählt ein regionales Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten. Das ist vom Bundestag im Oktober des Vorjahres bereits debattiert und dann zur weiteren Beratung in die Fachausschüsse überwiesen worden.

Cannabis-Modellregion: Städte wie München und Frankfurt wollen sich bewerben

Nach Ansicht der Fraktion Freie Wähler/Die Linke sollte sich der Kreis aber bereits vor Veröffentlichung des entsprechenden Gesetzesentwurfs als Modellregion bewerben. Dies vor allem deshalb, weil jetzt schon klar sei, dass die Anzahl der zum Zuge kommenden Kreise und Kommunen begrenzt sein wird. Schon jetzt hätten Städte wie München, Frankfurt/Main, Köln, Bremen, Offenbach und Flensburg ihre Bewerbung avisiert.

Stormarn biete sich als Modellregion vor allem deshalb an, weil sich gerade hier, in der Grenzregion der Großstadt Hamburg, der kommerzielle Cannabis-Vertrieb erproben lasse. Bereits seit Jahren hat sich die organisierte Drogenszene der Hansestadt einträgliche Absatzmärkte in den Städten und Gemeinden Stormarns erschlossen. Es gilt als offenes Geheimnis, dass jegliche illegalen Betäubungsmittel bis ins kleinste Dorf gelangen.

Cannabis-Modellregion Stormarn? Defizitärer Kreishaushalt bietet laut CDU keinen Spielraum

Freien Wählern und Linken ist unterdessen bewusst, dass für die Bewerbung zusätzliche (Personal-)Kapazitäten beim Gesundheitsamt aufgebaut werden müssten. „Zudem sollten schon jetzt geeignete Maßnahmen für den Jugendschutz erarbeitet werden“, so Krassow. Im Hinblick auf eine wirksame Prävention vor Suchtverhalten moniert die Fraktion ein generelles Manko an Aufklärung und Beratung in den Schulen.

Erste Cannabis-Anbauvereinigung in NRW genehmigt
Im Zuge der Legalisierung sollen Anbauvereinigungen, sogenannte Social Clubs, genehmigt werden. © DPA Images | Friso Gentsch

Patrick Ziebke stellte für die CDU-Fraktion schnell klar, dass sie den Antrag von Freien Wählern und Linken ablehnen werde. „Nicht nur, dass der Gesetzentwurf der Ampel handwerklich schlecht aufgesetzt ist, wir sehen angesichts des prognostizierten Defizits im Kreishaushalt von rund 30 Millionen Euro überhaupt keinen Spielraum für solcherart freiwillige Leistung“, begründete Ziebke die Ablehnung.

Cannabis-Modellregion Stormarn? Kein einheitliches Meinungsbild in der SPD-Fraktion

Ein Ja würde einen Freibrief zur Schaffung neuer Strukturen bedeuten, für die es weder die finanziellen noch die personellen Ressourcen gebe. Zumal der Kreis bei der Suchtberatung und Prävention wie bei der Beratung in den Schulen bereits gut aufgestellt sei. Dieser Ansicht folgten auch die Vertreter der anderen Fraktionen, die den Antrag ebenfalls ablehnten.

Dabei war das Meinungsbild laut Torben Hermann zumindest in der SPD-Fraktion keineswegs einheitlich. „Ich persönlich fand den Vorstoß der Freien Wähler und der Linken gut und richtig, ebenso wie andere Fraktionsmitglieder“, ließ der Sozialdemokrat, der sich bei der Abstimmung enthalten hatte, wissen. Komme es zur Legalisierung von Cannabis, brauche es für einen geregelten Umsetzungsprozess solche Projekte – auch in Stormarn.

Kein Ausgleich für höhere Betriebskosten der Suchtberatungsstellen

Das hätten womöglich auch die anwesenden Experten von der Therapiehilfe gGmbH Hamburg und der Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit (SVS) so gesehen, die seit Jahren die Suchtberatungsstellen im Norden und Süden des Kreises betreiben. Nur gefragt worden sind sie zu diesem Tagesordnungspunkt nicht.

Stattdessen mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass die Kreispolitiker bei der Verlängerung ihrer 2021 geschlossen Verträge für das kommende Jahr zwar den gestiegenen Personalkostenaufwand durch Tariferhöhungen in Höhe von 26.530 Euro und 39.808 Euro ausgleichen wollen, sich für eine Übernahme der ebenfalls erheblich gestiegenen Sachkosten aber keine Mehrheit fand.

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Hier verwies die Therapiehilfe unter anderem auf eine drastisch gestiegene Mieterhöhung für ihre Beratungsstelle in Bad Oldesloe um mehr als 30 Prozent, die sich allein auf 5281 Euro pro Jahr summiert. „Hinzu kommen erhebliche Kostensteigerungen im Bereich Strom und Fernheizung“, so Geschäftsführer Prof. Andreas Koch.

Dass die Arbeit beider Organisationen unverzichtbar ist, illustrieren derweil deren Budgetansätze. Für die Therapiehilfe beläuft er sich auf 628.038 Euro, für die SVS auf 451.428 Euro. Damit betreut die Südstormarner Vereinigung für Sozialarbeit eigenen Angaben zufolge voraussichtlich bis zu 350 Betroffene, hinzu kommen noch 20 Präventionsmaßnahmen.