Reinfeld. Kurz vor Ende des Modellversuchs bei Reinfeld taucht das Projekt im neuen Schwarzbuch auf – in der Rubrik „Erfolge“.

Der Feldversuch E-Highway auf der A1 zwischen Reinfeld und Lübeck wird zum Jahresende eingestellt. So hat es das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) als Hauptgeldgeber des Projektes im Juni entschieden. Kurz vor dem Betriebsende hat es die fünf Kilometer lange Oberleitungsstrecke jetzt nach 2020 noch einmal ins Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler geschafft – diesmal allerdings unter der Rubrik „Erfolge“.

Die Technik funktioniere, das habe der Feldversuch gezeigt. Doch eine Lösung für die Mobilitätsprobleme der Zukunft könne das Modell nicht sein, so der Verein. „Der überwiegende Teil des Straßengüterverkehrs ist europaweit unterwegs. Es ist vollkommen ausgeschlossen, dass große Teile des europäischen Fernstraßennetzes mit einer Oberleitung versehen werden“, so der Steuerzahlerbund. Das sei schlichtweg zu teuer.

A1 bei Reinfeld: E-Highway erneut im Schwarzbuch der Steuerzahler

„Folgerichtig haben sich die großen Nutzfahrzeughersteller in Europa aus der Weiterentwicklung dieser Technik verabschiedet“, heißt es in dem Kapital „Ende für den E-Highway in Schleswig-Holstein“. Sie setzten längst auf andere Antriebstechnologien. Dennoch seien mehr als 30 Millionen Euro Steuergeld in die Oberleitungsstrecke geflossen. „Deshalb war es überfällig, das Versuchsprojekt jetzt zu beenden.“

Der E-Highway auf der A1 ist Anfang 2020 in Betrieb gegangen. Bundesweit gibt es zwei weitere Teststrecken an der Autobahn 4 in Hessen und an der Bundesstraße 462 in Baden-Württemberg. Ziel des Modellversuchs ist es zu testen, wie Schwerlastverkehr in Zukunft CO2-neutral werden kann.

E-Highway an A1: Zwischen Reinfeld und dem Autobahnkreuz Lübeck stehen 250 Masten

Im Fokus des Versuchs stehen die Zuverlässigkeit, Dauerhaltbarkeit und Wartungsintensität der Komponenten, der Energieverbrauch unter unterschiedlichen Bedingungen (Verkehr, Wetter, Beladung des Lkw) sowie die Akzeptanz durch die Transportunternehmen.

Zwischen der Anschlussstelle Reinfeld und dem Autobahnkreuz Lübeck stehen beidseitig rund 250 Masten mit Oberleitungen. Als Praxispartner ist die Spedition Bode mit drei vom Hersteller Scania geleasten Hybrid-Lastwagen (haben sowohl Elektro- als auch Dieselmotor) unterwegs, die täglich zwischen dem Firmensitz in Reinfeld und dem Lübecker Hafen pendeln. Hinzu kommt ein vollelektrischer Lkw der Deutschen Post.

E-Highway an A1: Der Feldversuch sollte eigentlich Ende 2022 enden, wurde aber verlängert

Ursprünglich sollte der Feldversuch bereits Ende 2022 auslaufen, wurde dann aber um zwei weitere Jahre verlängert. Seit Betriebsbeginn legten die Lkw laut Fachhochschule Kiel bis Ende Juli per automatisch ausfahrbarem Stromabnehmer mit der Oberleitung verbunden mehr als 50.000 Kilometer zurück. Dabei bezogen sie rund 80.000 Kilowattstunden (kWh) Energie.

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) hatte ein äußerst positives Zwischenfazit gezogen, bescheinigte dem E-Highway „enorme Potenziale“. Er sagt: „Perspektivisch kann in der Region ein echtes E-Highway-Netz entstehen, welches die Wirtschaftsstandorte Bremen, Hamburg und Lübeck miteinander verbindet.“

E-Highway an A1: Schleswig-Holstein und Wissenschaftler hätten das Projekt gern fortgeführt

Das Land und die beteiligten Wissenschaftler unter der Leitung der Fachhochschule Kiel hätten das Projekt gern auch über das Jahresende hinaus fortgeführt. „Wir sehen aufgrund der positiven Ergebnisse des Feldversuches die Grundlage für eine großmaßstäbliche Anwendung als bereits gegeben an und würden dafür plädieren, eine solche an der A1 zu realisieren“, sagte Projektleiter Jan Bachmann.

„Wir halten es nach wie vor für falsch, das Projekt einzustellen“, sagte Verkehrsstaatssekretär Tobias von der Heide (CDU). Als Land der grünen Energie biete sich Schleswig-Holstein geradezu als Musterbeispiel für die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs an. „Wir wollen technologieoffen mögliche klimaschonende Lösungen erproben, aber der Bund schiebt dem Ganzen hier einen Riegel vor“, so von der Heide.

Steuerzahlerbund fordert: Geld lieber in Eisenbahn und Schifffahrt investieren

Das BMWK verteidigte die Entscheidung, das Projekt zu beenden. „Es handelt sich hier um einen Testbetrieb und eine Forschungsleistung. Da im Rahmen dieser Forschung alle wesentlichen Erkenntnisse erlangt wurden, gibt es auch keine sachlichen Gründe für den Testbetrieb“, heißt es. Die Oberleitungsmasten sollen voraussichtlich nach Betriebsende zurückgebaut werden.

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Der Steuerzahlerbund hatte bereits Ende 2020 einen Stopp des Modellversuchs gefordert. Es seien weder weitere Erkenntnisse zu erwarten noch erscheine eine Übernahme der Technologie in den Alltagsbetrieb sinnvoll. „Der Bund der Steuerzahler hat sich mit seiner Forderung durchgesetzt“, feiert der Verein nun das Ende des Projektes.

Der Steuerzahlerbund fordert, statt in derartige Technologien ohne Aussicht auf weitere Nutzung lieber in den Ausbau von Eisenbahn und Schifffahrt zu investieren. Das sei die beste Lösung zur Reduzierung der Klimabelastung durch den Güterverkehr. Hier fehlten jedoch jetzt die Mittel, die bereits für den E-Highway aufgewendet wurden, kritisiert der Verein.