Trittau. Gemeinde lässt zum Aufbau eines digitalen Katasters den Straßenzustand mittels Messtechnik erfassen. Was das für den Datenschutz bedeutet.
Auf den ersten Blick mutet der orangefarbene Sprinter wie ein typisches Baustellenfahrzeug an. Doch das Dach des Fahrzeugs, das in den vergangenen Tagen auf den Straßen in Trittau und den Amtsgemeinden unterwegs war, ist vollgepackt mit Kameras und modernster Lasertechnik. Derlei Ausrüstung weckt nicht nur die Neugier von Passanten. Wie immer, wenn Kameras im öffentlichen Raum zum Einsatz kommen, stellt sich die Frage nach dem Anlass und der Verwendung der gesammelten Daten.
In diesem Fall wird mit den Daten das Geoinformationssystem Gaja Matrix des Softwareherstellers Gingko Systems gefüttert. Mithilfe dieser Software baut die Trittauer Verwaltung derzeit ein kommunales digitales Straßenkataster auf. Laut Verwaltungschef Oliver Mesch treibt die Gemeinde mit dem Projekt die Digitalisierung weiter voran. „Mit Gaja Matrix erhalten wir ein digitales Instrument, um amtsweit den Zustand der Straßen zu erfassen.“ Künftig müssten sich die Sachbearbeiter nicht mehr vor Ort einen Eindruck von der jeweiligen Situation verschaffen. Denn im neuen System sollen sämtliche Informationen zum Straßenzustand abrufbar und leicht zu ergänzen sein. Fotos und Zustandsbericht können zudem über ein mit SIM-Karte ausgestattetes Tablet oder Notebook direkt von unterwegs ins Straßenkataster eingespielt werden.
Kamerafahrzeug in Trittau gesichtet: Alle fünf Meter ein Foto aus verschiedenen Blickwinkeln
Vermessungsingenieur Sirwan Rashid bedient den Messwagen, der zur Fahrzeugflotte des beauftragten Ingenieurbüros Lehmann + Partner zählt. Bis alle Systeme hochgefahren und betriebsbereit seien, dauert es etwa eine Stunde. Der Sprinter ist mit einem Mobile Mapping System namens Iris 13 ausgestattet. Es beinhaltet acht Kameras, die Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven erzeugen. Vier davon kommen im Amtsgebiet zum Einsatz. Jede erstellt während der Fahrt im Abstand von fünf Metern ein Foto.
An der Hinterachse des Wagens ist ein Längenmesser angebracht. Sollte die Ortsbestimmung über GPS nicht funktionieren, steht alternativ ein Kreiselkompass-System zur Verfügung. Ein Laserscanner erfasst die Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche, ein anderer liefert ein dreidimensionales Abbild des umgebenden Straßenraums mit Rad- und Fußwegen bis hin zu Bäumen und Straßenverkehrszeichen.
Kamerafahrzeug in Trittau gesichtet: Laserscanner funktionieren nur bei trockenem Wetter
Weil die Laserscanner bei Regen nicht funktionieren, nutzt Rashid günstige Wetterphasen bestmöglich aus – auch wenn das bedeutet, dass er mit dem Kamerawagen am Wochenende unterwegs ist, wie am vorigen Sonntag in Trittau. Weil der Sommer die Hauptzeit für die Digitalisierungsfahrten ist, fallen in dieser Zeit vermehrt Arbeitsstunden an, die in einem Jahresarbeitszeitkonto erfasst werden. Im Winter sind etwa drei Monate Pause.
Als Grundlage für seine Fahrten dient dem Vermessungsingenieur ein vom Amt Trittau vorgegebenes Straßennetz. Dessen Streckenlänge beträgt rund 200 Kilometer. Laut Frank Schulze, der als Kundenbetreuer für das Projekt in Trittau zuständig ist, wurde es auf Basis von Luftbildern und Liegenschaftskarten erstellt. Neben Gemeinde- sind auch Kreis- und Landesstraßen darauf verzeichnet.
Welche das sind, dazu hat sich Holger Pasell vom Fachbereich Bau und Projektmanagement im Vorwege mit den Bürgermeistern der Amtsgemeinden abgestimmt. Dabei seien insbesondere die Eigentumsverhältnisse untersucht worden. Denn Privatstraßen würden nicht befahren, mancher Fußweg hingegen schon. Nachdem ein Straßenabschnitt digital erfasst sei, ändere sich dessen Farbe auf der Karte, erläutert Sirwan Rashid. So werden Doppelfahrten vermieden. Etwa 30 Kilometer pro Tag lassen sich im Durchschnitt mit einem Messwagen bewältigen.
Kamerafahrzeug in Trittau gesichtet: Gesichter und Nummernschilder werden anonymisiert
Neben der Beschaffenheit der Fahrbahnen, Geh- und Radwege erfassen die Multisensoren von Iris Objekte wie Beleuchtungsmasten, Kanaldeckel, Wasserabläufe, Straßenbäume, Hinweisschilder und Verkehrszeichen. Es bleibt nicht aus, dass auch Personen, Autos und Schilder fotografisch dokumentiert werden. „Alles, was sich zuordnen lässt – wie Gesichter und Nummernschilder –, wird vollautomatisch verpixelt“, erläutert Holger Pasell. „Datenschutz wird bei uns großgeschrieben.“ Frank Schulze sagt, dass die digitale Erfassung an der Flurgrenze endet. „Wenn da ein Zaun kommt, ist Schluss.“ Bilder und Daten seien Eigentum der Gemeindeverwaltung.
„Wir bereiten die Daten so vor, dass sie verlustfrei über eine Schnittstelle ins Gingko-System gehen.“ Ausgehend von dem so entstandenen Straßenzustandsbericht lassen sich Handlungsfelder ableiten und eine Priorisierung möglicher Schadensfälle vornehmen. Durch die farblich eingefärbte Zustandskarte sind Risse, Schlaglöcher und Flickstellen in der Straßenstruktur leicht erkennbar. So könne überwacht werden, ob die eingesetzten Finanzmittel für die Erhaltung des Straßennetzes ausreichten, so Schulze. Auf lange Sicht sei es rentabler, die Deckschicht zu erneuern „und nicht zu warten, bis die Risse in der Tragschicht sind“.
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Zwar kann der Messwagen den Unterbau der Straße nicht erfassen, aber laut Pasell ist die Software in der Lage, weitere Daten wie Kanaldaten aufzunehmen. Es können auch Kataster zu unterschiedlichen Zwecken entstehen: Über ein Geoportal lasse sich beispielsweise ein Radwegenetz darstellen. Das Gleiche sei für die Straßenbeleuchtung denkbar. So sei es für Bürger leichter, Schadensfälle zu melden. „Das ist aber noch nicht Realität, sondern nur angedacht“, betont Pasell. „Das muss langsam wachsen.“ Bis das eigentliche Ziel des Projekts erreicht ist, den Beschäftigten durch Synergieeffekte die Arbeit zu erleichtern und Bürgern ein Plus an Komfort zu bieten, dürfte also noch einige Zeit ins Land gehen.