Ahrensburg. Aggressiver Messer-Angreifer in Ahrensburg überwältigt. Beim Einsatz verletzen sich aber auch zwei Polizisten. Die Ermittlungen laufen.

Die Polizei in Schleswig-Holstein hat erstmals einen Taser erfolgreich eingesetzt, um einen aggressiven und bewaffneten Mann zu stoppen. Das Problem: Bei dem Einsatz in Ahrensburg wurden auch die beiden eingesetzten Beamten (25, 31) verletzt - offensichtlich durch einen Stromschlag. Die Polizistin dürfte einen kurzen Stromimpuls erlitten haben, ihr Kollege verlor sogar kurzzeitig das Bewusstsein. Bundesweit ist noch kein vergleichbarer Fall bekannt geworden. Obwohl die Umstände noch ungeklärt sind, halten Polizei und Innenministerium weiter am Einsatz der Distanz-Elektro-Impulsgeräte (DEIG) fest.

Das alles passierte bereits am Freitagabend, aber erst am Dienstag informierte das Landespolizeiamt darüber die Öffentlichkeit. Der Vorgang wird jetzt zum Politikum: Warum die Öffentlichkeit so spät informiert wurde und vor allem, was genau am Freitagabend in Ahrensburg zur Bewusstlosigkeit des Polizisten führte, will jetzt der Innen- und Rechtsausschuss des Landtages aufarbeiten. Die Innenexperten von SPD (Niclas Dürbrook) und FDP (Bernd Buchholz) haben das Thema für die nächste Sitzung des Ausschusses angemeldet.

Freitagabend hatte ein Zeuge die Polizei gegen 22.30 Uhr alarmiert und vor einem Randalierer, bewaffnet mit einem Messer und einem Schlagring, gewarnt. Die Rede war davon, dass der Mann am Rathausplatz Passanten attackiere. Der Messer-Mann ließ sich nach Angaben der Polizei auch von den beiden Beamten nicht beruhigen, sondern trat ihnen gegenüber „aggressiv auf“. Deshalb griffen sie zum Taser.

Erster Taser-Einsatz mit einem Treffer in Schleswig-Holstein

Nach dem gezielten Stromschlag brach der Randalierer erst einmal handlungsunfähig am Boden zusammen. Insofern hat das Gerät funktioniert. Was dann aber passierte, gibt der Landespolizei und dem Innenministerium noch Rätsel auf. Jedenfalls erlitt die Beamtin einen Elektroimpuls, und der Beamte verlor das Bewusstsein. War die Waffe defekt? Wurde sie falsch gehandhabt? Stand der Randalierer „unter Strom“, als die Beamten ihn anfassten? Oder kam es, was als wahrscheinlich gilt, bei der anschließenden Festnahme zu einem Gerangel und der Taser löste im Getümmel erneut aus? Noch ermittelt die Polizei in alle Richtungen.

Rettungskräfte versorgten Freitagabend die Beteiligten und brachten die Polizisten zur Behandlung ins Krankenhaus. Der verletzte Beamte blieb dort stationär. Mittlerweile sind beide wieder dienstfähig. Der 39 Jahre alte Mann mit dem Messer wurde in einer psychiatrischen Fachklinik aufgenommen. Eine unbeteiligte Dienststelle hat die Ermittlungen zum genauen Ablauf des Einsatzes aufgenommen.

Nur Beamte mit einer besonderen Ausbildung bekommen den Taser

„Beim DEIG handelt es sich um ein Einsatzmittel, das nur an Beamtinnen und Beamte mit entsprechender Ausbildung ausgegeben wird“, sagt Ralph Garschke aus dem Landespolizeiamt. Neben diesem Personenkreis seien auch die umliegenden Dienststellen sowie die Rettungskräfte im Verhalten beim Einsatz des DEIG geschult worden. Die Waffe zeichnet jeden Stromstoß auf, der mit ihr abgegeben wird. Die Speicherkarte kann am Rechner ausgelesen werden. Sind die übermittelten Daten in Ordnung sind, könnte die Polizei einen technischen Defekt der Waffe ausschließen.

Polizisten in Schleswig-Holstein und in Hamburg - hier nutzen die Spezialkräfte vom LKA 24 und der USE die Strompistolen - schreiben der Waffe eine abschreckende und deeskalierende Wirkung zu. Der Taser (so der alte Hersteller-Name) schließe eine Lücke zwischen Pfefferspray und dem Einsatzstock auf der einen und der Pistole auf der anderen Seite. Mit den DEIG verschaffe man der Polizei einen „größeren Handlungsspielraum in der Wahl der abgestuften Zwangsmittel“, sagte die Kieler Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) dem Abendblatt im Januar nach dem Beschluss, die Polizeien im Land nach und nach damit auszustatten. Zehn Millionen Euro investiert das Land in die Anschaffung.

Auch der Einsatz jetzt in Ahrensburg, wo der Randalierer mit einem Stromschlag gestoppt werden konnte, bestätige die „grundsätzliche hochwirksame Einsatzfähigkeit dieser Waffe“, sagte der GdP-Landesvorsitzende Torsten Jäger am Dienstag dem Abendblatt. Die Polizeigewerkschaft stellt - genau wie die Oppositionsparteien SPD und FDP - die DEIG trotz der Verletzungen der eingesetzten Beamten nicht grundsätzlich in Frage, sondern lobt deren abschreckende Wirkung. Aber Jäger verlangt schnellstmöglich Aufklärung „über den Einsatzfall in Ahrensburg“, um daraus gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. „Selbstverständlich erwarten wir als GdP, dass die zur Verfügung gestellten Einsatzmittel und -waffen sicher zu handhaben sind und den Arbeits- und Gesundheitsschutzvorschriften entsprechen“, so Jäger.

Auch interessant

Für die Landespolizei in Schleswig-Holstein sind bisher 35 Geräte der Firma Axon (Modell Taser 7) angeschafft worden. Bislang habe es 35 „Einsatzsituationen“ gegeben, informiert die Polizei. In den überwiegenden Fällen habe schon die Drohung mit Gerät gereicht, um die Lage zu beruhigen. In zwei Fällen kam es zu einer Schussabgabe in Richtung von Personen, ohne dass diese getroffen wurden. Somit war der Fall in Ahrensburg der erste mit einem Treffer.

Das Gerät sei insbesondere für derartige Bedrohungslagen mit hohem Aggressionspotenzial der Tatverdächtigen geeignet. „Nach derzeitigem Kenntnisstand ist das DEIG beim aktuellen Einsatz schulmäßig eingesetzt worden, dazu gehört die Androhung des Einsatzes und auch die unverzügliche medizinische Betreuung“, sagt Garschke. „Weitere Erkenntnisse, dazu gehören auch mögliche taktische Anpassungsbedarfe, werden wir nach gründlicher Aufarbeitung des Einsatzgeschehens bewerten.“