Ahrensburg. Nun also doch: Nach monatelangem Hin und Her sollen Stationen im Hagen und Steinkamp wegfallen. Das sorgt für Kritik.
Am Ende ging alles ganz schnell: Nach monatelangem Hin und Her haben Ahrensburgs Stadtverordnete am Montag geräuschlos und mit großer Mehrheit die Streichung mehrerer Bushaltestellen beschlossen. Die vier Stationen Am Kratt und Brombeerweg im Süden der Siedlung Am Hagen sowie Otto-Schumann-Straße und Gustav-Delle-Straße in der Siedlung Steinkamp werden fortan nicht mehr angefahren.
Ahrensburg streicht Bushaltestellen in den Siedlungen Am Hagen und Steinkamp
Eine erneute Debatte gab es nicht, im Konsens aller Fraktionen kam es direkt zur Abstimmung. „Alle Sachargumente sind ausgetauscht“, sagte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Jochen Proske. Die Sozialdemokraten gehören zu den schärfsten Kritikern der Haltestellereduktion. Die Diskussion wurde in den vergangenen Monaten mitunter lautstark geführt. Im September hatten die Stadtverordneten schon einmal die Streichung der Stationen beschlossen, während der Beratungen über den Doppelhaushalt 2022/23.
Damals hatte sich eine Mehrheit der Politiker dafür ausgesprochen, das Pilotprojekt mit den On-Demand-Shuttles von Ioki bis mindestens Ende 2023 zu verlängern. Um den Ahrensburger Anteil an den Kosten von 1,2 Millionen Euro zu finanzieren, wollten die Politiker an anderer Stelle sparen. Genauer: beim Busverkehr. Wenig frequentierte Strecken sollten künftig wegfallen. Einer Erhebung der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) zufolge werden die betroffenen Haltestellen von weniger als einem Dutzend Fahrgästen am Tag genutzt. Laut Verwaltung lassen sich durch die Streichung der vier Stationen rund 170.000 Euro pro Jahr einsparen.
SPD hatte im Februar für einen Eklat gesorgt
Die SPD war dagegen und stellte nach Protesten mehrerer Anwohner im Dezember den Antrag, ab April doch wieder Busse auf den betroffenen Strecken fahren zu lassen. Aufgrund mehrerer Enthaltungen erhielten die Sozialdemokraten in der Stadtverordnetenversammlung überraschend eine hauchdünne Mehrheit für ihren Vorstoß.
Das wiederum wollte die CDU nicht akzeptieren, und beantragte im Februar die Aufhebung dieses Beschlusses. Doch zur Abstimmung kam es nicht, stattdessen endete die Debatte mit einem Eklat. Die SPD monierte, dass der Antrag der Christdemokraten aus formalen Gründen unzulässig sei. Laut Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung muss mindestens ein Drittel ihrer Mitglieder einen Antrag unterstützen, der auf die Aufhebung eines zuvor mehrheitlich gefassten Beschlusses zielt.
CDU und Grüne reichten den Antrag erneut ein
Dazu fehlt der 13 Mitglieder starken CDU-Fraktion eine Stimme. Die Sozialdemokraten akzeptierten auch nicht, dass die Grünen sich dem Antrag spontan anschließen wollten, und verließen unter Protest den Saal. In der Folge war die Versammlung nicht mehr beschlussfähig und musste abgebrochen werden.
Die CDU reichte den Antrag für Montag deshalb erneut ein, diesmal gleich gemeinsam mit den Grünen, um das Quorum zu erfüllen. Ergebnis: Eine deutliche Mehrheit votierte für das Papier. Neben CDU und Grünen kamen die Stimmen auch von der Linken – und überraschenderweise von der WAB. Die Wählergemeinschaft hatte sich noch im Februar auf die Seite der SPD gestellt und das Vorgehen der CDU als „schlechten Stil“ getadelt.
Betroffene sollen statt Bussen On-Demand-Shuttles von Ioki nutzen
Den Kurswechsel begründet der Fraktionsvorsitzende Peter Egan so: „In vertiefenden Gesprächen mit der Verwaltung und dem Kreis konnten unsere Bedenken ausgeräumt werden.“ Gleichwohl sehe die WAB es weiterhin kritisch, Busverkehr und Ioki gegeneinander aufzuwiegen. Gegen den Vorstoß stimmte neben der SPD einzig die FDP, die Ioki insgesamt kritisch gegenübersteht.
Als Ausgleich für die wegfallende Anbindung an das Busnetz sollen Anwohner die Möglichkeit erhalten, sich den Komfortzuschlag, der bei der Nutzung des Ioki-Shuttles zusätzlich zum Kauf eines normalen HVV-Tickets fällig wird, von der Stadt erstatten zu lassen. Die Auszahlung ist auf zwölf Euro pro Person und Monat begrenzt und muss im Rathaus beantragt werden.
Bei Anwohnern sorgt die Entscheidung für heftige Kritik
Bei vielen Anwohnern der Straßenzüge, die nun auf eine Busanbindung verzichten müssen, löst die Entscheidung derweil große Enttäuschung aus. Eine der Leidtragenden ist Annemarie Hemme. Die Seniorin lebt in der Siedlung Am Hagen, die Bushaltestelle Am Kratt ist nur wenige Meter von ihrer Haustür entfernt. „Gerade hier leben viele ältere Menschen, die nicht mehr so weit laufen können“, sagt sie. Ihr Mann Rolf Hemme hat sich deshalb beim Bürgerverein für den Erhalt der Stationen eingesetzt – vergeblich. „Es ist wirklich mistig, dass diese Stationen wegfallen“, sagt er.
„Gerade wenn man etwas tragen muss, kann man nicht bis zur nächsten Haltestelle laufen“, sagt die Nachbarin der Hemmes, Sabine Marzinzik. Ioki als Alternative stößt bei den betroffenen Anwohnern auf gemischte Reaktionen. „Ioki ist flexibel und bedarfsgerecht“, sagt etwa Gabriele Laur, die in der Siedlung am Hagen lebt. Für andere Betroffene sind die Elektro-Shuttles hingegen keine Lösung. Gerade ältere Menschen fühlen sich von dem Buchungssystem per Smartphone-App überfordert.
Unverständnis, warum keine Kompromisslösung möglich war
Hagen-Anwohnerin Eva-Maria Hoffmann etwa hat schlechte Erfahrungen mit dem Dienst gemacht. „Als ich Ioki ausprobieren wollte, gab es ein Missverständnis, und ich habe an der falschen Adresse gewartet“, erzählt die Seniorin.
Für Petra Kottwitz, die in der Steinkamp-Siedlung lebt, ist nicht nachvollziehbar, warum keine Kompromisslösung möglich war. „Warum ist es nicht möglich, die Haltestellen nur noch zu den Hauptverkehrszeiten anzufahren?“, fragt sie. Dass es dazu kommt, scheint unwahrscheinlich. Die Mehrheit der Fraktionen ist einig, dass die Entscheidung von Montag nach dem ganzen Hin und Her vorerst endgültig sein soll.