Stapelfeld. Unternehmen EEW ersetzt MVA Stapelfeld durch Neubau. Für das Müllheizkraftwerk gab es schon im April grünes Licht. Bescheid liegt aus.
Das Land Schleswig-Holstein hat den Bau der Klärschlammverbrennungsanlage (KVA) in Stapelfeld genehmigt. Das teilte Martin Schmidt, Sprecher des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), mit. Damit erhält der Betreiber EEW Energy from Waste nun auch grünes Licht für den zweiten Teil des millionenschweren Neubaus der Müllverbrennungsanlage (MVA) an der Autobahn 1. Bereits im April hatte das Landesamt, das dem Kieler Umweltministerium angegliedert ist, die Zustimmung für das neue Müllheizkraftwerk (MHKW) erteilt.
Die praktischen Auswirkungen der Entscheidung sind allerdings begrenzt: Gebaut wird auf dem Areal direkt neben der alten „Mülle“, wie die Anlage in der Umgebung genannt wird, ohnehin schon seit mehr als einem Jahr, da das Landesamt im Frühjahr 2021 einen Vorab-Start der Arbeiten erlaubt hatte. Zuvor war bereits die Planierung des Grundstücks ermöglicht worden. „Der vorzeitige Beginn ist zulässig, wenn mit einer Genehmigungsentscheidung zugunsten des Antragstellers gerechnet werden kann, und von weiteren Voraussetzungen abhängig, die hier erfüllt sind“, sagte Schmidt damals.
Die neue Anlage liefert fast doppelt so viel Fernwärme
Die neue MVA soll die derzeitige Anlage, die 1979 eingeweiht wurde und jährlich zwischen 320.000 und 350.000 Tonnen Abfall verbrennt, ersetzen. Der neue Ofen arbeitet dank modernerer Technik deutlich effizienter als sein 43 Jahre alter Vorgänger. Aus der gleichen Menge Abfall produziert das Müllheizkraftwerk die doppelte Menge Strom.
Die jährlich mehr als 200.000 Megawattstunden reichen, um rund 57.000 Haushalte zu versorgen. Parallel steigt die Fernwärmemenge von gut 250.000 auf 400.000 Megawattstunden. An das Netz sind unter anderem die meisten Häuser in Stapelfeld und die nahen Gewerbegebiete angeschlossen. Die Klärschlammverbrennungsanlage entsteht zusätzlich zu der neuen MVA. Sie wird laut EEW über eine Jahreskapazität von 32.500 Tonnen Trockensubstanz verfügen.
Die Verbrennungsanlage dient der Rückgewinnung von Phosphor
Aus der Verbrennungsasche der KVA wird der knappe Rohstoff Phosphor zurückgewonnen. Das ist in zwei Schritten ab 2029 und 2032 auch gesetzlich vorgeschrieben. Bisher landet der mit Schwermetallen, Arzneimittelrückständen und Mikroplastik belastete Schlamm aus den Klärwerken größtenteils ungefiltert als Dünger auf den Feldern.
Ursprünglich wollte EEW die komplette neue Anlage schon Mitte dieses Jahres in Betrieb nehmen. Doch die mehr als 3600 Seiten umfassenden Antragsunterlagen mussten ergänzt und zum zweiten Mal ausgelegt werden. Der neue Termin war der Herbst 2023. Durch die Corona-Pandemie verzögerten sich die Arbeiten abermals, sodass nun eine Fertigstellung in der zweiten Jahreshälfte 2024 anvisiert wird.
Umweltschützer und Anwohnerinitiativen üben heftige Kritik
Nach einer mehrwöchigen Übergangsphase soll die alte MVA stillgelegt und abgebaut werden. Dann verschwindet auch der weithin sichtbare, 110 Meter hohe Schornstein. Der neue Schlot ist mit 63 Metern nur geringfügig länger als das höchste Gebäude, das Kesselhaus. Dies ist einer der Punkte, den Umweltschützer und Anwohnerinitiativen kritisieren. Sie befürchten eine höhere Schadstoffbelastung im direkten Umland durch den kürzeren Schornstein.
Auch in anderen Punkten üben sie heftige Kritik. Sie bemängeln unter anderem, dass die Schadstoff-Grenzwerte zu hoch seien. Zudem fordern sie den Stopp der Klärschlammverbrennung, da diese Überkapazitäten schaffe. Auch befürchten sie eine steigende Verkehrsbelastung.
Branchenkenner beziffern Bauvolumen auf mindesten 150 Millionen Euro
Das Investitionsvolumen in Stapelfeld wollte EEW gegenüber unserer Redaktion nicht preisgeben. Branchenkenner hatten die Summe bei der Vorstellung der Pläne Ende 2017 auf mindestens 150 Millionen Euro geschätzt. Durch die erhebliche Steigerung der Baukosten in den vergangenen Jahre dürfte die finale Summe aber noch einmal deutlich höher liegen.
EEW Energy from Waste betreibt neben der Anlage in Stapelfeld 14 weitere in Deutschland und je eine in den Niederlanden und Luxemburg. Das Werk in Stapelfeld, das auch den Hausmüll aus den Kreisen Stormarn und Lauenburg verbrennt, zählt zu den drei ältesten im Besitz des Unternehmens, das rund 1250 Beschäftigte hat.
Genehmigungsbescheid liegt für zwei Wochen öffentlich aus
Die MVA war 1979 als Gemeinschaftsprojekt der Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg mit Hamburg in Betrieb genommen worden. 1996 kaufte die Veba Kraftwerke Ruhr (VKR) AG die Anlage, die 2003 in EEW Energy from Waste aufging. 2012 stieg der schwedische Investor EQT mit ein, verkaufte die Gruppe aber bereits 2016 für mehr als 1,4 Milliarden Euro an den chinesischen Staatskonzern Beijing Enterprises Holdings Limited (BEHL). Kurzzeitig war zunächst die Schließung und der Abriss der Stapelfelder MVA zum Jahresende 2016 diskutiert worden, letztlich entschied sich EEW aber für den Neubau und die Angliederung der Klärschlammverbrennung.
Der Genehmigungsbescheid für die Klärschlammverbrennungsanlage liegt ab Dienstag, 19. Juli, für zwei Wochen bis einschließlich Montag, 1. August, öffentlich aus. In dieser Zeit können die Dokumente im Amt Siek (Hauptstraße 49 in Siek), im Ahrensburger Rathaus (Manfred-Samusch-Straße 5), im Barsbütteler Rathaus (Stiefenhoferplatz 1), im Bezirksamt Hamburg-Wandsbek (Schloßstraße 60) und im LLUR in Flintbek (Hamburger Chaussee 25) eingesehen werden. Zusätzlich wird der Bescheid in diesem Zeitraum im Internet auf der Seite des Landesumweltministeriums veröffentlicht.