Stapelfeld. Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren verschiebt Zeitplan. Betreiber will 150-Millionen-Euro-Projekt dennoch realisieren.
Der Betreiber der Müllverbrennungsanlage (MVA) Stapelfeld hält am Neubau des Müllheizkraftwerks und einer zusätzlichen Klärschlammverbrennung fest. Die aufgrund neuer gesetzlicher Vorgaben nötige Aktualisierung des ersten Genehmigungsantrags wirkt sich dabei auf den Zeitplan aus. Jetzt peilt der Eigentümer EEW Energy from Waste die Einweihung im Laufe des Jahres 2023 an. Ursprünglich sollten die beiden neuen Öfen bereits Mitte 2022 Restabfall und Klärschlamm verbrennen.
Eins der größten Bauprojekte aller Zeiten im Kreis Stormarn
„Die Verzögerung wird keinen Einfluss auf das eigentliche Projekt haben“, sagt Morten Holpert, Geschäftsführer der EEW Stapelfeld GmbH. „Es verschiebt sich lediglich die Fertigstellung beider Anlagen.“ Das Unternehmen rechnet mit rund zwei Jahren Bauzeit. Branchenkenner schätzen die Investitionssumme auf etwa 150 Millionen Euro. Damit handelt es sich um eins der größten Bauprojekte aller Zeiten im Kreis Stormarn.
Genehmigungsbehörde ist das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), das dem Umweltministerium in Kiel angegliedert ist. Weil im Dezember 2019 eine geänderte EU-Richtlinie zum Einsatz der „Besten verfügbaren Technik“ (BVT) in Kraft getreten ist, hatte das LLUR verlangt, dass dies im Stapelfelder Antrag zu berücksichtigen sei. Die erneute Auslegung inklusive Öffentlichkeitsbeteiligung begründete Behördensprecher Martin Schmidt damit, dass die Änderungen sehr umfangreich seien.
Erörterungstermin im großen Saal ist wegen Corona fraglich
Der erste Erörterungstermin im vergangenen Dezember im Großhansdorfer Waldreitersaal hatte sich über drei Tage hingezogen. Die Sitzungen, bei denen über Einwendungen von Bürgern beraten wurde, dauerten bis in den Abend. Vor allem die Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG!) Stapelfeld, der Verein „Das bessere Müllkonzept Schleswig-Holstein“ und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) stellten Fragen und Anträge. Sie drängten zudem darauf, die strengeren BVT-Vorgaben einzufordern.
Nun sind erst einmal die EEW-Experten an der Reihe. Das zur chinesischen Holding Bejing Enterprises gehörende Unternehmen will die Unterlagen im Laufe des dritten Quartals final ausgearbeitet haben. Dann prüft das LLUR die Vollständigkeit und veröffentlicht den Antrag erneut. Der erste umfasste mehr als 4000 Seiten, knapp 600 Einwendungen gingen ein. Ob wegen der Corona-Pandemie wieder ein Erörterungstermin in einem Saal stattfinden kann, ist zumindest fraglich. Denkbar ist, auf Onlineformate auszuweichen.
Altanlage von 1979 bleibt länger in Betrieb als geplant
Zu den aufmerksamen Beobachtern des Verfahrens zählt der Stormarner Landtagsabgeordnete Martin Habersaat (SPD), der im nahen Reinbek lebt. „Das LLUR hat die Aufgabe, so einen Genehmigungsantrag sorgfältig zu prüfen“, sagt er. „Dass da sehr wohl auf die entscheidenden Fragen geschaut wird, sehen wir jetzt.“
Habersaat hat persönlich beim LLUR zu den Veränderungen nachgefragt. „Es soll ein neues, bisher nicht betrachtetes Grundstück einbezogen werden, das für den Zeitraum der Bauarbeiten genutzt werden soll“, sagt er. Dazu müssten mehrere Fachgutachten überarbeitet werden, denn die dadurch entstehenden Auswirkungen hinsichtlich Umwelt und Immissionsschutz seien bisher nicht betrachtet worden.
Grenzwerte seien an die BVT-Emissionsbandbreiten anzupassen
„Zudem wird das lufthygienische Fachgutachten neu erstellt werden, was aufgrund höherer Abgastemperatur, kleinerem Volumenstrom und kleinerem Schornsteindurchmesser notwendig wurde“, so der Abgeordnete weiter. Geringe Änderungen an der Rauchgasreinigungstechnik hätten sich aufgrund von Lieferantenangeboten ergeben.
Die Grenzwerte seien an die BVT-Emissionsbandbreiten anzupassen. „Einwendungen können dann allerdings nur zu den geänderten Teilen erhoben werden“, sagt Habersaat. Mehr Engagement beim Thema Klärschlamm erwartet er von der Landesregierung: Mit seinem Landtags- und Parteikollegen Tobias von Pein aus Trittau hatte er schon im Vorjahr nach einem landesweiten Konzept für eine umweltverträgliche Entsorgung gefragt.
Aus Verbrennungsasche soll Phosphor zurückgewonnen werden
Der Re-Start in der Planungsphase führt dazu, dass die alte MVA noch mindestens ein gutes Jahr länger läuft. Sie wurde 1979 eingeweiht, mehrfach modernisiert und zählt laut EEW zu den Anlagen mit den niedrigsten Emissionen in Deutschland. Das neue Müllheizkraftwerk (MHKW) mit einer Jahreskapazität von bis zu 350.000 Tonnen Restmüll ersetzt die MVA, die dann stillgelegt wird.
Hinzu kommt die getrennte Klärschlammverbrennung (KVA) für 32.500 Tonnen Trockensubstanz (plus 2500 Tonnen Reserve). Bisher landete der mit Schwermetallen, Arzneimittelrückständen und Mikroplastik belastete Schlamm aus den Klärwerken größtenteils ungefiltert als Dünger auf den Feldern. Aus der Verbrennungsasche soll unter anderem der knappe Rohstoff Phosphor zurückgewonnen werden.
Erste Klärschlammanlage von EEW ist in Bau
Klärschlammverbrennungsanlagen (KVA) baut EEW an vier Standorten. Die Gruppe betreibt schon 18 Müllverbrennungen in Deutschland und im benachbarten Ausland, die jährlich bis zu fünf Millionen Tonnen Abfall behandeln. Sie beschäftigt rund 1150 Mitarbeiter.
In Helmstedt (Niedersachsen) wurde der Grundstein für die KVA, die etwas mehr Kapazität als die in Stapelfeld hat, im Januar gelegt. Ab 2021 sollen dort etwa 20 Prozent des niedersächsischen Klärschlamms landen.
Im mecklenburgischen Stavenhagen verweigerten die Stadtvertreter im Juni das städtische Einvernehmen mit großer Mehrheit. Ihnen sind gut 20 Lastwagen täglich zu viel. Die Entscheidung über den Bau fällt aber einzig das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt (StALU).
Im niederländischen Delfzijl (nahe der Grenze bei Leer) soll in der KVA ab 2023 auch Schlamm aus Niedersachsen verbrannt werden.