Stapelfeld. Behörde stimmt dem Antrag für das Müllheizkraftwerk zu. Das Ja zur separaten Klärschlammverbrennung dürfte folgen.
Das Land Schleswig-Holstein hat den ersten Teil des Antrags zum Neubau der Müllverbrennungsanlage (MVA) Stapelfeld genehmigt. Das schleswig-holsteinische Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), das dem Umweltministerium angegliedert ist, hat nach Informationen des Abendblattes dem Betreiber EEW Energy from Waste die Zustimmung für das Müllheizkraftwerk (MHKW) erteilt. Der neue Ofen soll die jetzige MVA ersetzen, die 1979 eingeweiht wurde und jährlich zwischen 320.000 und 350.000 Tonnen Abfall verbrennt.
Wann mit der Genehmigung für die zusätzliche Klärschlammverbrennungsanlage (KVA) zu rechnen ist, die eine Jahreskapazität von 32.500 Tonnen Trockensubstanz hat, steht noch nicht fest. Gebaut wird auf dem Areal direkt neben der alten MVA ohnehin bereits seit einem knappen Jahr, da das Landesamt im vergangenen Frühjahr einen Vorab-Start der Arbeiten erlaubt hatte. Zuvor war bereits die Planierung des Grundstücks ermöglicht worden.
Branchenkenner schätzen Investition auf deutlich mehr als 150 Millionen Euro
„Der vorzeitige Beginn ist zulässig, wenn mit einer Genehmigungsentscheidung zugunsten des Antragstellers gerechnet werden kann, und von weiteren Voraussetzungen abhängig, die hier erfüllt sind“, sagte LLUR-Sprecher Martin Schmidt damals.
EEW selbst hat sich zum Investitionsvolumen auf Stormarns größter Baustelle bisher nicht geäußert. Branchenkenner hatten die Summe bei der Vorstellung der Pläne Ende 2017 auf mindestens 150 Millionen Euro geschätzt. Vermutlich dürften es nicht nur wegen der erheblichen Baukostensteigerungen in den vergangenen Jahren mittlerweile deutlich mehr sein.
Inbetriebnahme ist wohl erst Anfang 2024 möglich
Ursprünglich wollte EEW die komplette neue Anlage schon Mitte dieses Jahres in Betrieb nehmen. Der Termin war bei der ersten Präsentation angestrebt worden. Doch die mehr als 3600 Seiten umfassenden Antragsunterlagen mussten ergänzt und zum zweiten Mal ausgelegt werden.
Weil unter den rund 120 erneuten Einwendungen laut Genehmigungsbehörde „keine neuen Aspekte unter Berücksichtigung des ersten Erörterungstermins“ zu erkennen waren, die maßgeblichen Einfluss auf die Genehmigungsentscheidung nehmen könnten, wurde auf eine öffentliche Veranstaltung verzichtet. Beim ersten Mal hatte es dazu im Dezember 2019 eine dreitägige Versammlung im Großhansdorfer Waldreitersaal gegeben.
Neuer Schornstein ist nur 63 statt jetzt 110 Meter hoch
Obwohl am Dorfrand von Stapelfeld in Sichtweite zur Autobahn 1 teilweise rund um die Uhr gearbeitet wird, lassen sich die Verzögerungen in Zeiten der Corona-Pandemie offensichtlich nicht aufholen. So dürfte sich die angestrebte Inbetriebnahme von Herbst nächsten Jahres auf Anfang 2024 verschieben.
Nach einer mehrwöchigen Übergangsphase soll die alte „Mülle“, wie die Anlage in der Umgebung nur genannt wird, stillgelegt und abgebaut werden. Dann verschwindet auch der weithin sichtbare, 110 Meter hohe Schornstein. Der neue Schlot ist mit 63 Metern nur geringfügig länger als das höchste Gebäude, das Kesselhaus.
Stromproduktion verdoppelt sich und reicht für 57.000 Haushalte
Der Ofen arbeitet dank modernerer Technik deutlich effizienter als sein 43 Jahre alter Vorgänger. So produziert das Müllheizkraftwerk aus der gleichen Menge Abfall die doppelte Menge Strom. Die jährlich mehr als 200.000 Megawattstunden reichen, um rund 57.000 Haushalte zu versorgen. Parallel steigt die Fernwärmemenge von gut 250.000 auf 400.000 Megawattstunden. An das Netz sind unter anderem die meisten Häuser in Stapelfeld und die nahen Gewerbegebiete angeschlossen.
Aus der Verbrennungsasche der separaten Klärschlammverbrennung wird der knappe Rohstoff Phosphor zurückgewonnen. Das ist in zwei Schritten ab 2029 und 2032 auch gesetzlich vorgeschrieben. Bisher landet der mit Schwermetallen, Arzneimittelrückständen und Mikroplastik belastete Schlamm aus den Klärwerken größtenteils ungefiltert als Dünger auf den Feldern.
EEW betreibt 17 Anlagen in und um Deutschland
Die mehrfach modernisierte MVA Stapelfeld wurde 1979 als Gemeinschaftsprojekt der Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg mit Hamburg in Betrieb genommen. 1996 kaufte die Veba Kraftwerke Ruhr (VKR) AG die Anlage, die 2003 in EEW Energy from Waste aufging. 2012 stieg der schwedische Investor EQT mit ein, verkaufte die Gruppe aber bereits 2016 für mehr als 1,4 Milliarden Euro an den chinesischen Staatskonzern Beijing Enterprises Holdings Limited (BEHL). In den EEW-Anlagen in Deutschland (15), Luxemburg und den Niederlanden (je eine) arbeiten rund 1250 Menschen. Die Zentrale ist in Helmstedt (Niedersachsen).
Das Werk in Stapelfeld, das auch den Hausmüll aus den Kreisen Stormarn und Lauenburg verbrennt, zählt zu den drei ältesten im EEW-Reich. Einzig die Standorte Göppingen (1975) und Neunkirchen (1970) sind länger in Betrieb. Für Ende 2016 stand sogar die Schließung und der Abriss der Stapelfelder MVA zur Debatte.
Umweltverbände kritisieren den Neubau heftig. Sie bemängeln unter anderem, dass die Schadstoff-Grenzwerte zu hoch seien. Zudem fordern sie den Stopp der Klärschlammverbrennung, da diese Überkapazitäten schaffe. Außerdem befürchten sie eine steigende Verkehrsbelastung.