Lübeck/Ahrensburg. Anwalt des 39-Jährigen sieht in Prozess um Bluttat in Ahrensburger Flüchtlingsheim zu wenig Beweise für Verurteilung wegen Mordes.

In dem Verfahren um den gewaltsamen Tod einer 23 Jahre alten Afghanin in einer Flüchtlingsunterkunft in Ahrensburg plädiert die Verteidigung auf Totschlag. Die Voraussetzungen für eine Verurteilung seines Mandanten wegen Moders seien nicht gegeben, so der Anwalt des Angeklagten, Nicolai Preuß, am Mittwoch vor dem Landgericht in Lübeck.

Verteidiger plädiert in Prozess um Bluttat in Flüchtlingsheim auf Totschlag

Die Staatsanwaltschaft wirft Assem S. (alle Namen geändert) vor, seine Ehefrau Ahdia in der Nacht vom 5. auf den 6. September 2021 in der gemeinsamen Wohnung auf dem Gelände der Containersiedlung am Kornkamp mit einem Fleischmesser getötet zu haben. 29 mal soll der 39-Jährige zugestochen haben.

Anschließend habe er die gemeinsame, heute zwei Jahre alte Tochter des Paares zu seinen Eltern nach Hamburg gebracht und sei als Passagier eines Reisebusses mit Fahrtziel Mailand geflüchtet. Bei einer Routinekontrolle hatten Beamte der Bundespolizei den Afghanen schließlich am 7. September auf einem Autohof in Bayern festgenommen.

39-Jähriger wollte laut Staatsanwaltschaft westlichen Lebensstil nicht akzeptieren

Die Anklage geht davon aus, dass der 38-Jährige seine Frau getötet hat, weil ihre Entscheidung, kein Kopftuch mehr zu tragen und nach westlichem Vorbild zu leben, nicht mit seinem streng islamischen Weltbild vereinbar gewesen sei. Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Tochter in dem Verfahren vertritt, fordern eine Verurteilung wegen Mordes und damit eine lebenslange Haftstrafe.

Das sieht der Anwalt des 39-Jährigen anders. S. hatte die Tat zwar gestanden, aber angegeben, aus Wut und Verzweiflung gehandelt zu haben, weil seine Frau ihm kurz zuvor gedroht habe, für seine Abschiebung zu sorgen. Auch habe die 23-Jährige gedroht, dass er die gemeinsame Tochter nicht mehr sehen dürfe.

Verteidiger: 23-Jährige habe den Angeklagten mit Drohungen provoziert

Auf diese Darstellung kam nun auch Preuß in seinem Plädoyer zurück. „Mein Mandant war durch die Äußerungen seiner Frau zu blinder Wut gereizt und stach im Affekt auf sie ein“, sagte der Verteidiger. Preuß hob hervor, dass Nachbarn S. vor Gericht zwar als in der Beziehung dominant beschrieben hatten, aber nie zuvor Streit zwischen den Eheleuten mitbekommen hätten. Ein dominantes Verhalten des Mannes in der Ehe sei in dem Kulturkreis, aus dem das Paar stamme, durchaus normal.

„Mein Mandant hat seiner Frau erlaubt, sich zu kleiden, wie sie wollte und das hat sie auch getan“, verwies Preuß darauf, dass die 23-Jährige bei ihrem Tod Jeans und Pullover trug. Eine übersteigerte Religiosität seines Mandanten bestritt er. „Das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes ist nicht gegeben“, schloss der Verteidiger. Ein konkretes Strafmaß beantragte Preuß nicht. Das Urteil wollen die Richter bereits an diesem Freitag, 29. April, verkünden.