Ahrensburg. Das Bündnis kritisiert die geplante S 4 als „Mogelpackung“ und fürchtet massive Folgen für Naturschutzgebiet Tunneltal.
Es ist ein Milliardenprojekt, von dem laut Bahn vor allem die Menschen in der Region profitieren sollen: Mit dem Slogan „Direkter, einfacher und pünktlicher in Hamburg!“ wirbt das Unternehmen für die geplante S-Bahnlinie 4 von Altona nach Bad Oldesloe. Ab Ende 2027 soll sie den Menschen in Stormarn eine zuverlässige Verbindung zum Hamburger Hauptbahnhof bieten. Doch das Vorhaben stößt keinesfalls auf ungetrübte Euphorie.
Ahrensburger Initiative will geplante Gütertrasse zum Fehmarnbelt verhindern
Stein des Anstoßes ist dabei weniger die S 4 selbst, als die Hinterlandanbindung für den geplanten Fehmarnbelt-Tunnel, die parallel zu der Schnellbahn ebenfalls entlang der Trasse verlaufen soll. In Ahrensburg wehrt sich nun eine Bürgerinitiative gegen das Vorhaben. „Die S 4 ist eine Mogelpackung, die dazu dient, die negativen Folgen der Gütertrasse für die Region zu verschleiern“, sagt Michael Kukulenz von der Initiative „Ahrensburg gegen Gütertrasse“. Und die Liste der Kritikpunkte, die die Projektgegner anführen, ist lang.
„Gegen einen zuverlässigen Personennahverkehr haben wir nichts einzuwenden“, betont Kukulenz. Was die Initiative ablehne, seien die geplanten bis zu sechs Meter hohen Lärmschutzwände entlang der Trasse und der Bau von zwei neuen Gleisen mitten durch ein Naturschutzgebiet und eine bedeutende archäologische Fundstätte. „Die Bahn kommuniziert sehr geschickt, sodass vielen nicht klar ist, welche Ausmaße das Projekt eigentlich hat“, sagt Kukulenz.
Die Bahn möchte neben bestehender Strecke zwei weitere Gleise verlegen
Die Pläne des Unternehmens sehen vor, dass neben der vorhandenen Trasse zwischen Hamburg-Hasselbrook und Ahrensburg auf 17 Kilometern zwei zusätzliche Gleise für die neue S-Bahn verlegt werden. Die frei werdende Bestandsstrecke könnte dann verstärkt für den Güterverkehr in Richtung Fehmarnbelt genutzt werden kann. Und das bedeutet: Jede Menge Güterverkehr auf der Strecke durch Ahrensburg. Gutachter erwarten täglich bis zu 120 Güterzüge mit mehr als 800 Metern Länge.
Für die Bürgerinitiative ist klar: Der verbesserte Nahverkehr durch die S 4 dient vor allem dazu, den Anwohnern das Projekt schmackhaft zu machen. Dabei erkennt auch die Initiative an, dass es auf der Strecke zwischen Ahrensburg und Hamburg derzeit Probleme gibt. Pendler klagen wiederholt über Zugausfälle und Verspätungen.
Das Vorhaben würde Naturschutzgebiet in Großbaustelle verwandeln
Laut Bahn ist dafür unter anderem der derzeitige Mischbetrieb zwischen Personen- und Güterverkehr auf der Trasse verantwortlich. Unter anderem deshalb möchte das Unternehmen die beiden zusätzlichen Gleise verlegen. Außerdem soll der Bahnübergang Brauner Hirsch im Süden der Schlossstadt, der wiederholt für technische Probleme sorgt, durch eine Brücke ersetzt werden.
Das Problem: Beide Maßnahmen haben eine gigantische Baustelle mitten im Naturschutzgebiet Stellmoor-Ahrensburger Tunneltal zur Folge. Das stößt nicht nur bei der Bürgerinitiative auf Kritik, sondern auch bei Umweltschützern, Geologen und Archäologen. „Das Ahrensburger Tunneltal ist eine international bedeutende Fundstätte“, sagt Svenja Furken von der Interessengemeinschaft (IG) Tunneltal. In den 1930er-Jahren hatte der Steinzeitforscher Alfred Rust in dem Gebiet zahlreiche Artefakte eiszeitlicher Rentierjäger ausgegraben, darunter die 100 ältesten Pfeile der Menschheitsgeschichte“, sagt Furken. Experten vermuten bis zu 260.000 weitere Fundstücke in dem Gebiet. „Die werden geopfert“, so Furken.
Anwohner im Ahrensburger Süden befürchten durch Brücke mehr Verkehr
Kukulenz, der als Naturfotograf regelmäßig im Tunneltal unterwegs ist, befürchtet auch negative Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt: „Die Lärmschutzwände zerstören nicht nur das Stadt- und Landschaftsbild, sondern verhindern auch den Wildwechsel in Richtung Duvenstedter Brook im Westen.“
Das Tunneltal ist nicht nur ein Grabungsschutzgebiet, sondern auch ein Geotop von überregionaler Bedeutung, seit 1983 ein Naturschutzgebiet und seit 2010 Bestandteil eines auf europäischer Ebene geschützten Flora-Fauna-Habitats (FFH). Zuletzt befürchten Bewohner des Ahrensburger Südens durch den Bau der Brücke eine weitere Zunahme der schon jetzt hohen Verkehrsbelastung in ihren Stadtteilen, weil die Route ohne Bahnübergang als Durchgangsstrecke zur Autobahn noch attraktiver werde.
Alternativtrassen wurden laut Bahn geprüft und sind nicht praktikabel
Die Initiative fordert, dass ein Teil des Güterverkehrs über alternative Trassen, etwa über Büchen und Lüneburg, geführt wird. „Dann bräuchten wir keine zusätzlichen Gleise“, sagt Kukulenz. Die Bahn hat solche Lösungen eigenen Angaben zufolge geprüft. Sie seien nicht praktikabel. „Wir haben den Eindruck, dass Einwände hier einfach abgeschmettert werden“, kritisiert Kukulenz.
Zudem sei die S 4 für eine bessere Anbindung an Hamburg gar nicht notwendig – im Gegenteil. „Im Gegensatz zur Regionalbahn 81, die die S-Bahn ersetzen soll, wird sich die Fahrtzeit zum Hauptbahnhof durch zusätzliche Stationen verlängern“, sagt Kukulenz. Das räumt auch die Bahn ein, allerdings bleibe der Regionalexpress 80, der ohne Zwischenstopp von Ahrensburg nach Hamburg fährt, bestehen.
Das Bündnis möchte mit Aktionen mehr Aufmerksamkeit für das Thema erzeugen
Die Projektgegner planen Aktionen, noch bevor im Sommer das Planfeststellungsverfahren für den Ahrensburg betreffenden dritten Bauabschnitt der S 4 beginnt, in dem Bürger Einwände einbringen können. „Wir wollen das Thema stärker in den öffentlichen Fokus rücken“, sagt Svenja Furken und betont: „Bis die Bagger anrollen, kämpfen wir.“