Wedel. Bis Weihnachten läuft im Fachhandel an der Bahnhofstraße der Räumungsverkauf mit satten Rabatten. So emotional wird der Abschied.
Weil große Online-Versandhändler wie etwa Amazon dem stationären Einzelhandel schwer zu schaffen machen, muss erneut ein Ladengeschäft schließen. An der Bahnhofstraße 59 gibt nun das Traditionsgeschäft Spielzeug Feuchtner in Wedel auf. „Räumungsverkauf“ prangt in Großbuchstaben an den Fensterscheiben des alteingesessenen Spielwarengeschäfts.
Von Donnerstag an gibt es einen Rabatt von 20 Prozent auf das gesamte Sortiment. Bis Weihnachten hat Inhaber Jörg Feuchtner seinen Laden noch geöffnet. Dann werden die Türen wenig später zum Jahresende für immer abgeschlossen. „Am 21. März wären wir 34 Jahre hier gewesen“, sagt Feuchtner. Der 62 Jahre alte Wedeler wirkt aufgeräumt, selbst das Lächeln funktioniert noch einwandfrei.
Wedel: Spielwarengeschäft Feuchtner in Bahnhofstraße gibt auf
Er gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das Ende des Geschäfts sei natürlich schon emotional für ihn. Wie es für ihn beruflich weitergeht, steht indes noch nicht fest. „Der Mietvertrag läuft zum 31. Dezember aus. Wirtschaftlich hat ein Weiterbetrieb einfach wenig Sinn. Die letzten beiden Jahre waren schon sehr schwierig“, so der Spielwarenhändler.
Ein Spaziergang durch Wedels Innenstadt zeigt: Es gibt viele Frisöre, kleine Supermärkte, Imbissbuden und Filialisten. Neben den bekannten Problemen – Preisdruck durch den Online-Handel und die Corona-Krise – habe sich die Bahnhofstraße in Wedel mit seinem „Geschäfte-Mix sehr zum Nachteil entwickelt“. Es würde laut Feuchtner vielleicht noch zehn inhabergeführte Geschäfte geben, dazu käme immer mehr Leerstand. Die Bahnhofstraße sei mittlerweile einfach nicht mehr so gut frequentiert wie in der Vergangenheit.
Spiel- und Schreibwaren bei Rossmann: „Ich verstehe nicht, dass so ein Segment ergänzt werden muss“
Doch Feuchtner weiß auch, dass die Verödung von Innenstädten bundesweit ein großes Problem ist: „Das gibt es ja nicht nur in Wedel. Und letztens hat mir auch jemand von seinem Heimatort in Niedersachsen erzählt. Dort gab es einst zwei inhabergeführte Spielwarengeschäfte. Jetzt ist dort auch keiner mehr da.“ Der Fachhandel habe es einfach immer schwerer.
Einst habe Feuchtner beispielsweise Dirk Roßmann für seinen innovativen Geschäftssinn mit der Drogeriekette bewundert, aber als dann auch Spiel- und Schreibwaren zu sehr günstigen Preisen ins Sortiment aufgenommen worden waren, sank die Begeisterung enorm. „Das verstehe ich einfach nicht, dass so ein Segment noch ergänzt werden muss“, erzählt der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann. Zumal solche Ketten andere Verkaufspreise aufrufen können, als er.
City Wedel: Spielzeug Feuchtner in Bahnhofstraße schließt aufgrund wirtschaftlicher Vernunft
Um eine Insolvenz handele es sich bei ihm nicht, betont Feuchtner. Vielmehr um eine Entscheidung der Vernunft. Zu „Glanzzeiten“ Mitte bis Ende der 1990er-Jahre hatte es noch insgesamt fünf Mitarbeiter gegeben. Mittlerweile wird der Wedeler noch von einer Mitarbeiterin beim Schlussakkord des Ladengeschäfts unterstützt. Auch der Vermieter habe ihn stets sehr kulant und fair behandelt, vor allem während der Corona-Zeit.
„Der November war vom Umsatz her top. So einen Monat hatten wir lange nicht mehr. Viele Kunden kommen gerade auch ins Geschäft und bedanken sich für die schöne Zeit. Dann fällt es mir in solchen Momenten auch nicht so leicht, positiv zu sein“, sagt er. Aber es nütze ja nichts, man müsse nach vorn schauen.
Spielzeug Feuchtner: Artikel können auch noch bestellt werden
Etwa 20.000 Artikel gab es einst in seinem Sortiment. Wie viele es derzeit noch sind, wisse er gar nicht mehr so genau. Der Räumungsverkauf hat Mitte November begonnen. Nach wie vor bestellt Feuchtner auch Spielzeugwünsche von Kunden, sofern sie noch rechtzeitig bis Weihnachten geliefert werden können. Eine Kundin bekommt zum Beispiel doch noch rechtzeitig vor dem Fest einen Fahrradhelm für eine Puppe.
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An den Adventssonnabenden gibt es verlängerte Öffnungszeiten – von 9 Uhr bis 16 Uhr. Von Montag bis Freitag ist bis 18 Uhr aufgeschlossen. Nach Weihnachten werde dann der Spielzeugladen aufgeräumt. Stand jetzt geht Jörg Feuchtner davon aus, dass er nicht alles verkaufen wird. Was läuft denn gerade gut? „Lego ist vor Weihnachten immer so ein Hauptthema, dann zum Beispiel auch Puppen oder Brettspiele“, zählt der Inhaber auf.
Oder auch sogenannte Exit-Spiele seien bei der Jugend angesagt, bei denen gemeinsam Rätsel gelöst werden müssen, um sich aus einem Raum oder einer brenzligen Situation zu befreien. Teilweise können diese Escape-Room-Sequenzen nur einmal gespielt werden. Spielzeug Feuchtner selbst hat nun nach fast 34 Jahren mit der Geschäftsaufgabe seinen Ausweg gefunden – notgedrungen.