Helgoland. Von Haiti über Nepal und Bayern an die Nordsee: Wie eine Vollblut-Pharmazeutin und Mutter ihre Mission auf dem Eiland fortsetzen will.
Bald keine Schmerztabletten mehr, kein Fiebersaft, keine Mittel gegen Husten und Co? Dieser Notstand droht der Insel Helgoland schon seit etwa anderthalb Jahren. Im Sommer zog der von der Politik und dem Dauereinsatz seit 2014 ermüdete Insel-Apotheker Carsten Hase die Reißleine und verkündete seinen Abschied als Selbstständiger zum Jahresende. Jetzt kommt alles ganz anders dank einer Frau aus Bayern.
„Ich habe über einen Newsletter der Deutschen Apotheker Zeitung einen Abendblatt-Bericht gefunden, in dem der Helgoländer Bürgermeister einen Nachfolger für die Insel-Apotheke sucht“, erzählt Anika Schwarzmann, 47 Jahre alt und „Apothekerin aus Leidenschaft“, wie sie selbst erzählt. „Das hörte sich alles gut an. Eine autofreie Insel, Schule für die Kinder bis zur zehnten Klasse.“
Helgoland: Bürgermeister überzeugt die neugierige Bewerberin aus Bayern am Telefon
Bereits am nächsten Tag berichtete sie ihren Kolleginnen in der Apotheke ihrer heutigen Heimat Donauwörth von der spannenden Stelle an der Nordsee. Danach vergingen einige Wochen ohne Konsequenzen. „Aber das Angebot ließ mir keine Ruhe. Ich überlegte mehrfach, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich mich beworben und die Aufgabe übernommen hätte.“
Also gab sich Anika Schwarzmann einen Ruck, schrieb eine E-Mail und wenig später rief Bürgermeister Torsten Pollmann zurück. Er nahm sich eine Stunde Zeit und fachte damit das Feuer und die Begeisterung für einen Umzug und einen Job mitten in der Nordsee weiter an. Angst vor einer Veränderung hat die gebürtige Münchenerin nicht. Auch die Familie ist weltgewandt.
„Flying pharmacist“ verliebt sich bei „Ärzte ohne Grenzen“ in Hygiene-Officer
Ihren Mann Ben Caulfield, einen gebürtigen Engländer, lernte sie während ihrer Einsätze für die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ kennen und lieben. Unter anderem halfen die beiden nach dem Erdbeben in Haiti. Sie war als „flying pharmacist“ unterwegs. Er kümmerte sich als Hygiene-Techniker darum, dass Wasser in den Notunterkünften einwandfrei zu genießen war.
Drei Kinder gehören mittlerweile zur Familie: Fleur (6), Finian (bald 8) und Sala (10). Über Nepal, wo der Sohn geboren wurde, ging es für Anika Schwarzmann zurück nach Deutschland. Dort versuchte die kleine Familie in einem Dorf in Brandenburg heimisch zu werden. Familienvater Ben machte dort in viel Eigenarbeit ein altes Haus wieder schick. Doch die Dorfgemeinschaft wollte die Fremden nicht gern dabei haben.
Apothekerin aus Leidenschaft arbeitet noch in Donauwörth
„Wir sind irgendwann fast fluchtartig nach Bayern in die alte Heimat zurück. Ich brauchte meine gewohnte Kultur wieder“, erzählt die 47-Jährige am Telefon. In Donauwörth fand die Familie Wohnung und Arbeit. Doch seitdem der Traum auf Helgoland lebt, werden ganz neue Pläne geschmiedet.
Natürlich haben sich die Fünf die Insel angeschaut, sind mit dem Schiff zum Roten Felsen gefahren, haben Fotos vor dem berühmten Felsen Lange Anna gemacht und viele freundliche Menschen getroffen. Auch der Zuspruch für die Apothekerin in spe jüngst während der Einwohnerversammlung, den sie per Live-Stream verfolgte, überzeugte die Familie, den großen Schritt mitten ins Meer zu wagen.
Das Ziel: „Wenn jemand gesundheitliche Probleme hat, soll er zuerst daran denken, Anika zu fragen“
Vor der Aufgabe, die einzige Apotheke zu führen und (fast) immer für die Bewohner da zu sein, hat Anika Schwarzmann keine Angst. „Ich möchte, dass jemand, den ein Gerstenkorn im Auge plagt, als Erstes einfällt: ‚Ich gehe mal bei Anika vorbei‘.“ Und sie möchte, dass diejenige, die Probleme beim Stillen ihres Babys hat, genauso denkt und alle anderen mit Problemen rund um die Gesundheit auch. Sie sieht es als ihre Hauptaufgabe an, für die Helgoländer da zu sein.
Ein paar Ratschläge, wie so eine Apotheke als Rundumversorgerin für ihr Wohnumfeld arbeiten muss, will sie sich demnächst aus Berlin holen. „Ich habe dort eine Zeitlang auf dem Kiez in einer kleinen Apotheke gearbeitet. Und jeder Kunde, jede Kundin, die zu uns kam, hat sofort ihr Medikament und ihr Hilfsmittel bekommen.“ Diese Vorratshaltung auf kleinem Raum sei faszinierend gewesen und auch ihr Ziel für die Insel.
Vorgänger-Ehepaar wird als Angestellte weiterarbeiten
Mit ihren Vorgängern Carsten Hase und Isolde Maiwald-Hase steht die 47-Jährige im regen Kontakt. Die neue Apotheken-Chefin hat das Glück, dass die beiden Pharmazeuten gern als Angestellte weiterarbeiten wollen. So kann Anika Schwarzmann mit Ihrer Familie auch künftig auf Reisen in die Welt gehen.
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„Ich liebe Berlin, mal sehen, ob mir Hamburg auch so gefällt“, erzählt die künftige Helgoländerin von einem Ziel ganz in der Nähe. Nur vor einer Krankheit, gegen die noch kein Kraut gewachsen ist, hat sie ein wenig Sorge: „Hoffentlich bekomme ich keinen Inselkoller.“ Aber vielleicht entdeckt die kommende Neu-Helgoländerin ja auch dagegen ein Kraut. Helgoland hat eine faszinierende Pflanzen- und Vogelwelt, und die birgt noch viele Geheimnisse.