Schenefeld. Shoppingtempel am Hamburger Stadtrand leidet unter der Krise im Einzelhandel. Aber es gibt auch gute Nachrichten: Wer jetzt neu kommt.
„Dein Store, Dein Platz“ steht in großen Buchstaben auf einem bunt beklebten Schaufenster im Stadtzentrum Schenefeld. Platz genug gibt es in dem Einkaufszentrum tatsächlich. Mehr als 20 Verkaufsflächen stehen derzeit leer oder werden mit Pop-Up-Lösungen bespielt.
„Wir haben leider eine ganze Menge Leerstände“, räumt Centermanager Florian Went, seit Juni 2022 im Amt, auf Abendblatt-Anfrage ein. Eine Zählung des Abendblatts, wonach sich die Leerstandsproblematik innerhalb des vergangenen Jahres noch erhöht hat, will der Centermanager nicht bestätigen. „Die Leerstände liegen nach meiner Beobachtung auf einem ähnlichen Niveau wie vor einem Jahr.“
Stadtzentrum Schenefeld: Interessenten für freie Ladenflächen sind vorhanden, Gespräche laufen
Wer mit offenen Augen durch das 1991 eröffnete Einkaufszentrum läuft, dem fallen die vielen, poppig bunt beklebten Schaufensterscheiben auf, mit deren Hilfe die Leerstände kaschiert werden. Sie werben teilweise für Geschäfte des Centers, teilweise werden mit Solgans wie „Dein Platz für Ideen“ potenzielle Interessenten angesprochen.
An Interessenten mangelt es nicht, sagt der Centermanager. „Es läuft ganz vieles im Hintergrund“, so Went weiter. Doch nicht in jedem Fall würden die Gespräche zu einem Abschluss führen. In einem Fall hat das inzwischen geklappt. Die Fläche des insolventen Händlers Schuh Kay im Erdgeschoss fast direkt am Marktplatz ist neu vergeben.
„Wir konnten mit Takko ein großes Textileinzelhandelsunternehmen gewinnen“, so der Centermanager. Der Mietvertrag sei unterschrieben, der Bauantrag für die nötige Nutzungsänderung gestellt. Takko werde eine Verkaufsfläche von 400 Quadratmeter bespielen, einen kleinen Teil der daneben befindlichen, ebenfalls leerstehenden Fläche mitübernehmen. Went rechnet mit einer Eröffnung im ersten Quartal 2025. Zunächst müsse noch der Rückbau von Schuh Kay erfolgen.
Kleine, inhabergeführte Einzelhändler expandieren derzeit nicht
„Es ist schwer, gute Mieter zu finden“, sagt der Centermanager. Gerade im kleinen, inhabergeführten Einzelhandel bestehe kaum noch die Bereitschaft, in neue Standorte zu investieren. Dagegen gäbe es bei größeren, bundesweit agierenden Playern nach dem Ende der Corona-Pandemie durchaus die Bestrebungen für eine Expansion auf größeren Flächen.
Laut Went laufen „fortgeschrittene Verhandlungen“ mit einem Interessenten für eine 1600 Quadratmeter große Fläche im ersten Stock zum Durchgang des Parkhauses. Früher bot dort Medimax Elektronikartikel an, nach einem längeren Leerstand versuchte sich dort ein Outlet-Verkauf für Möbel und Accessoires. Nach 14 Monaten war jedoch Ende Januar 2024 wieder Schluss.
Der neue Interessent würde laut Went ein branchenübergreifendes Sortiment anbieten. Ob es zum Abschluss kommt, sei jedoch noch unklar. Auch für die Fläche, auf der einst Peek & Cloppenburg auf zwei Etagen Mode verkaufte und die bis 31. Oktober 2021 teilweise vom Elmshorner Modehaus Ramelow sowie Intersport Ramelow genutzt wurde, gebe es lose Gespräche mit einem potenziellen Mieter.
„Der würde beide Flächen im Erdgeschoss und in der ersten Etage komplett übernehmen und Warengruppen anbieten, die bei uns derzeit fehlen“, so der Centermanager weiter. Derzeit würden jedoch zunächst nur bauliche Fragen abgeklopft.
Erster Stock im Westflügel: Aus Einzelhandelsflächen wird Raum für Büros und Praxen
Eine Umwidmung sei für die seit längerem leerstehenden Flächen im ersten Stock des Westflügels, also zur LSE hin, geplant. Hier sollen künftig Büros und Praxen einziehen, die bereits das gesamte zweite Obergeschoss sowie auch andere Teile der ersten Etage einnehmen. Derzeit sei weiterhin ein Architektenbüro dabei, die dafür notwendigen Umbauten zu planen.
Laut Went hat die Völkel Company, die sich im Auftrag des Eigentümers – der Berlinovo Immobiliengesellschaft aus Berlin – um das Center kümmert, die Vermietungsabteilung inzwischen aufgestockt. „Wir wollen die Akquise verstärken“, so der Centermanager.
Doch nicht immer hat die Offensive Erfolg. So habe die Vermietungsabteilung nach dem Wegzug des einzigen Blumengeschäftes 30 lokale und überregionale Händler aus dem Bereich angesprochen, um diese Sortimentslücke zu schließen. Bisher jedoch vergeblich.
Pop-Up-Stores beleben das Center und führen auch manchmal zum Dauer-Erfolg
Damit das Fehlen von langfristigen Mietern etwas kaschiert wird, lässt das Stadtzentrum Flächen auch temporär durch Po-Up-Stores bespielen. Davon gibt es inzwischen mehr als eine Handvoll. Zum Beispiel das Secondhand-Kaufhaus Glücksgriff, das eine Fläche im ersten Stock zu eingeschränkten Zeiten mehrmals die Woche öffnet.
Im Erdgeschoss, gleich am Eingang zum Parkhaus, hat ein Heizungsbauer eine Dauerausstellung in einem leerstehenden Ladenlokal eingerichtet. Im gegenüberliegenden Flügel sind zum dritten Mal vor Weihnachten die Hammerschwestern eingezogen, die selbstgefertigten Schmuck anbieten.
Ein Händler für Mützen und Schals bietet ebenfalls in der Wintersaison saisonal seine Produkte an. Auch mehrere Galerien, deren Bilder zum Verkauf stehen, beleben sonst leerstehende Fensterfronten. Ein Malermeister hat ein Schaufenster mit angeblichen Unikaten bestückt.
Aus einer leerstehenden Verkaufsfläche wird ein Spieleland für Kinder
Im Erdgeschoss, auf der großen Fläche von einstmals Ramelow, ist ein kleiner abgetrennter Bereich zum Spieleland geworden, nebst einer Eisenbahn für die jüngsten Besucher. Und im ehemaligen Teeladen im Erdgeschoss in der Nähe des Eingangs zur Parkgarage werkeln „Die Tortenmädchen“, laut Went ein junges Start-Up. „Im Idealfall funktioniert eine Pop-Up-Nutzung und es werden langfristige Mieter daraus.“
Zugesperrt ist aktuell auch die Filiale von Dallmeyers Backhuus im Erdgeschoss. Ein Schild weist auf eine vorübergehende Schließung hin und verweist die Kunden auf die einige Meter entfernte Filiale der Bäckerei von Allwörden, die beide dem gleichen Besitzer gehören.
Auch die Filiale von Freenet ist aktuell geschlossen – offiziell wegen eines Wasserschadens. Wem es um Handy und Handyverträge geht, der hat dennoch im Stadtzentrum eine große Auswahl. Freenet mitgerechnet, buhlen vier Handyläden um Kundschaft. Ein weiteres Geschäft kümmert sich um die Reparatur defekter Handys.
Auf Platz zwei der Hitliste stehen Friseure. Drei verschiedene gibt es im Stadtzentrum. Auch drei Bäckereien sind dort ansässig, wenngleich Dallmeyer aktuell geschlossen hat.
Centermanager Went verweist darauf, dass die großen Ankermieter des Stadtzentrumss entweder bereits ihre Verträge langfristig verlängert haben oder dieser Schritt kurz bevorsteht. Er nennt den großen Rewe-Supermarkt, der zuletzt zwei Monate geschlossen war, um für eine erhebliche Summe technisch und räumlich auf den neuesten Stand gebracht zu werden.
Auch H & M, New Yorker, Deichmann, Rossmann sowie der große Frequenzbringer TK Maxx zählt Went zu den Ankermietern, die ein Bekenntnis zum Stadtzentrum abgegeben hätten. „Das ist aus meiner Sicht ein starkes Signal.“ Berlinovo als Eigentümer des Stadtzentrums denke langfristig und sei auch bereit, Geld in die Modernisierung der Verkaufsflächen und ins Stadtzentrum an sich zu investieren.
So sei die Heizung auf den neuesten Stand gebracht worden und arbeite dank einer Kombination aus Wärmepumpe und Blockheizkraftwerk sehr energieeffizient. Das Glasdach des Casinos werde einer Sanierung unterzogen, die Umstellung der gesamten Center-Beleuchtung auf stromsparende LED-Technik werde bis Anfang 2025 abgeschlossen. Neue Naturholz-Sitzbänke seien bereits Anfang des Jahres aufgebaut worden.
- Stadtzentrum Schenefeld: So will der Manager gegen den Leerstand kämpfen
- Stadtzentrum Schenfeld: Wichtiger Mieter schließt Filiale - nach nur 14 Monaten
- Stadtzentrum Schenefeld hat jetzt ein Secondhand-Kaufhaus
Ganz aktuell läuft auf dem Marktplatz der Aufbau für den Weihnachtsmarkt, der wie zuletzt einen der größten Tannenbäume in norddeutschen Einkaufszentren sowie viele Stände beinhalten wird. Went verspricht bis Weihnachten auch ein buntes Rahmenprogramm.
Abhilfe, wie der lahmende Einzelhandel in Schenefeld zu neuem Leben erweckt werden kann, verspricht das Einzelhandelskonzept der Stadt. Es wird ein Bestandteil des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) sein, das bis 2040 Gültigkeit haben wird. Die Politik hat mit der Einzelhandelsuntersuchung das Büro CIMA Beratung und Management aus Lübeck betraut.
Bereits im Oktober wurde im zuständigen Ausschuss eine Analyse der Ist-Situation aufgezeigt. Interessierte erfuhren, dass Schenefeld mit Lebensmittelläden fast überversorgt ist. Andere Branchen wie etwa Einrichtung und Elektronik fehlen fast vollständig.
Noch in diesem Jahr werden die Experten des Büros aus Lübeck noch einmal nach Schenefeld kommen, um im zweiten Teil des Gutachtens den Kommunalpolitikern Handlungsempfehlungen für die Zukunft zu geben. Auch Center-Manager Went wird dann vermutlich zuhören. „Wir haben die Studie unterstützt, es gab einen gemeinsamen Termin des Büros mit den Eigentümern des Stadtzentrums.“
Centermanager hofft auf neuartige Einzelhandelskonzepte
In der Zukunft hofft Went darauf, dass auch neue Einzelhandelskonzepte den Weg ins Stadtzentrum finden. Er nennt die Media Markt/Saturn-Kette, die derzeit neue, kleinere Läden mit einer Verkaufsfläche von 500 Quadratmetern ausprobiert. Und auch der auf Großflächen festgelegte Sporthändler Decathlon experimentiere mit kleinen Flächen.
Went: „Das kann dazu führen, dass wir die neuen Konzepte auch für Schenefeld gewinnen können. Allerdings ist es natürlich schon so, dass Schenefeld nicht ganz vorne auf der Liste steht, wenn Media Markt ein neues Konzept ausprobiert.“