Schenefeld. Ob Arm oder Reich: Im Secondhand-Kaufhaus im Stadtzentrum Schenefeld kann jeder einkaufen. Was mit den Verkaufserlösen geschieht.
Ein Secondhand-Kaufhaus in einem großen Einkaufszentrum – das gibt es seit Kurzem in Schenefeld: Der Glücksgriff, hinter dem ein gemeinnütziger Trägerverein steht, eröffnete im ersten Obergeschoss des Stadtzentrums ein Geschäft für Kleidung aus zweiter Hand.
Treibende Kraft hinter dem Projekt ist Ingrid Pöhland, mittlerweile 76 Jahre alt. 2009 hob sie den Glücksgriff aus der Taufe – mit dem klaren Ziel, Gutes zu tun. Denn hinter dem Secondhand-Kaufhaus steht ein gemeinnütziger Trägerverein, der die erzielten Einnahmen an soziale Projekte vergibt. Alle Mitarbeiter, darunter natürlich auch die Chefin, arbeiten ehrenamtlich und betreiben zwei Verkaufsstellen in der Stadt.
Secondhandkaufhaus im Stadtzentrum auf 350 Quadratmeter Verkaufsfläche
Der Aufstieg verlief rasant – und führte jetzt sogar zu dem eigenen Ladengeschäft auf 350 Quadratmeter Fläche im Stadtzentrum. „Für uns ist das ein echter Glücksgriff“, sagt die Chefin. Erstmals könne der Glücksgriff von Laufkundschaft profitieren.
„Hier bleiben die Leute stehen, gucken ins Schaufenster und kommen rein“, so die 76-Jährige. Viele davon werden zu Käufern. 200 zahlende Kunden registrierte das Secondhand-Kaufhaus an den ersten Verkaufstagen. Ein früher kaum denkbarer Wert. „Viele, die zu uns kommen, merken gar nicht, dass die Ware Secondhand ist.“
Krise im Einzelhandel und der Zufall führten den Glücksgriff ins Stadtzentrum
Dass der Glücksgriff im Stadtzentrum verkaufen darf, ist der Krise im Einzelhandel zu verdanken – und dem Zufall. Dank dem boomenden Onlinehandel steht so manche Verkaufsfläche im Stadtzentrum leer. In den Räumen, in dem nun das Secondhand-Kaufhaus residiert, befand sich bis Mitte August Lederwaren Castorff.
Die Inhaber gaben aus Altersgründen auf – und suchten Abnehmer für die Einrichtungsgegenstände. „Wir hatten gefragt, ob wir einen Gürtelständer haben können“, so Pöhland. Ihr seien dann sämtliche Ladenmöbel angeboten worden. „Ich habe ja gesagt, wusste aber gar nicht, wohin damit. Ich konnte nachts gar nicht mehr schlafen.“
Während der schlaflosen Nacht kam der 76-Jährigen eine Idee. Warum nicht die Möbel und gleichzeitig den Laden übernehmen? Nach einem Gespräch mit Bürgermeisterin Christiane Küchenhof, die Schirmherrin des Glücksgriffs ist, folgte ein Termin mit Center-Manager Florian Went, der von der Idee angetan war.
Glücksgriff hat einen Nutzungsvertrag für die Fläche im ersten Stock unterschrieben
Weil das Stadtzentrum, das der Berlinovo Immobilien Gesellschaft mbH aus Berlin gehört, keinen Nachmieter für die Fläche in petto hatte, kam schließlich der Nutzungsvertrag mit dem Glücksgriff zustande. Der Verein zahlt eine Nutzungsgebühr, die natürlich deutlich unter der ortsüblichen Miete liegt.
Dafür ist der Nutzungsvertrag zunächst auf sechs Monate begrenzt. Im Falle, dass sich ein regulärer Mieter für die Geschäftsflächen findet, müsste der Glücksgriff die Räume wieder verlassen.
Secondhandkaufhaus Glücksgriff startete 2009 an der Lornsenstraße
Der Verein hatte nach seiner Gründung mit einer Geschäftsfläche an der Lornsenstraße 86 begonnen, die heute noch besteht und die mehrmals erweitert wurde. Sie ist werktags und sonnabends regelmäßig geöffnet.
2014 kam am Heisterweg eine Dependance im ehemaligen Postgebäude dazu, die dreimal die Woche halbtags ihre Pforten öffnete. Dieses Geschäft wird nun durch die Neueröffnung im Stadtzentrum ersetzt. Am Heisterweg befindet sich nur noch das Lager der Organisation.
Stadt hat das ehemalige Postgebäude verkauft, der Glücksgriff muss ausziehen
Mittelfristig wird der Glücksgriff auch dieses aufgeben müssen. Die Stadt hat das ehemalige Postgebäude an den Wohnungsverein Hamburg von 1902 eG, eine der ältesten Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften, verkauft. Es soll aufwendig saniert und umgebaut werden.
So oder so, der Glücksgriff muss dann raus. „Ich brauche dann ein Lager mit einer Größe von mindestens 300 Quadratmetern, das ist meine nächste Baustelle“, sagt Pöhland. Aktuell freue sie sich jedoch erst mal über die neuen Räume im Stadtzentrum.
Dort öffnet der Secondhandmarkt donnerstags von 10 bis 13 Uhr, freitags von 15 bis 18 Uhr sowie sonnabends von 10 bis 13 Uhr. „Ich freue mich sehr über den Glücksgriff, würde mir aber etwas längere Öffnungszeiten wünschen“, sagt dazu Centermanager Went.
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Eine oder mehrere Stunden zusätzlich kann sich Ingrid Pöhland vorstellen, zusätzliche Öffnungstage eher nicht. „Dazu bräuchte ich erheblich mehr Ehrenamtliche“, sagt die Vereinschefin. Sie bezweifelt auch, dass weitere Öffnungstage mehr Umsatz generieren würden. „Jetzt ist es eigentlich immer voll, so würden sich das nur anders verteilen.“
Vereinsvorsitzende arbeitet 40 bis 50 Stunden die Woche ehrenamtlich
40 bis 50 Stunden pro Woche schuftet Ingrid Pöhland für ihren Verein, 70 Helfer unterstützen sie und halten den Betrieb an den beiden Standorten aufrecht. Die beiden Läden sollen sich nicht gegenseitig Konkurrenz machen.
Daher liegt an der Lornsenstraße der Schwerpunkt auf Haushaltswaren sowie Bücher, Spielsachen und Kinderkleidung. Auf der neuen Fläche im Stadtzentrum dominieren Kleidung. Jacken, Hosen, Hemden, Blusen, Pullover, Schuhe – alles für Damen, Herren und auf einer kleinen Fläche auch für Kinder.
Secondhandkaufhaus für den guten Zweck: Spendenware sollte sauber und ordentlich sein
Alles Spendenware, die dank der übernommenen Regale und Kleiderständer professionell und sehr ansehnlich präsentiert werden. Alles ist gewaschen, wirkt wie neu. Teilweise ist auch fabrikneue und originalverpackte Ware dabei.
Kleidung, die jemand für sich gekauft, aber nie getragen hat und die dann als Spende beim Glücksgriff gelandet ist. „Wir arbeiten nichts auf“, sagt die Chefin. Was aussortiert werden muss, geht an eine Kleiderkammer in Wilhelmsburg, kommt also auch sozialen Zwecken zugute.
Aus dem Überschuss finanziert der Glücksgriff soziale Projekte in Schenefeld
Aus dem erwirtschafteten Überschuss liefert der Verein pro Woche mehr als 200 Kilogramm Äpfel an die Schulen und Kitas, damit die Kinder Vitamine bekommen. An den Grundschulen wird Unterricht zur Gewaltprävention bezahlt, für einen Kochkursus und ein Modeatelier (beides an der Gemeinschaftsschule) werden die Kosten übernommen. Auch Einzelprojekte für die Stadt im sozialen Bereich werden aus diesen Mitteln finanziert.
Beim Glücksgriff kann übrigens jeder einkaufen, egal ob Reich oder Arm. Alle zahlen auch den gleichen Preis. Wer etwas spenden möchte, kann zu den Öffnungszeiten in die beiden Geschäfte kommen. Voraussetzung ist, dass sich die Spendenware in einem sauberen und ordentlichen Zustand befindet.