Ellerbek. Riesiges Interesse bei Info-Abend mit 200 Einwohnern. Zwei Flüchtlingsfamilien sollen in der gekauften Immobilie untergebracht werden.
Die Aufregung war groß in Ellerbek, seit bekannt wurde, dass dort in einer kleinen Sackgasse mit acht Häuschen Geflüchtete in einem Einfamilienhaus untergebracht werden sollen. Auf der Gemeinderatssitzung Mitte Oktober kochten - wie berichtet - die Emotionen hoch. Nun räumte die Dorfverwaltung Fehler bei einem Info-Abend ein.
Zuvor hatten sich Anwohner beschwert, dass sie über diese bereits im Juli still und heimlich getroffene Entscheidung des Gemeinderats nur über Gerüchte auf dem Dorffest im September erfahren hatten. Sie forderten eine Einwohnerversammlung, auf der ihre Fragen beantwortet und ihre Sorgen ausgeräumt werden sollten. Und die gab es jetzt. Fast 40 Fragen hatten sie vorher schriftlich eingereicht. Und sie erhielten sogar eine Art Entschuldigung ihres Bürgermeisters:
Geheimplan zu Flüchtlingsunterkunft: Bürgermeister will künftig frühzeitiger informieren
„Wir werden in Zukunft offener mit diesem Thema umgehen und frühzeitiger informieren“, versprach Bürgermeister Dominik Seebold (CDU). Und sein Fraktionskollege Stefan Hinners fügte nachdenklich hinzu: „Es war eindeutig ein Fehler, dass wir die Bürgerinnen und Bürger nicht sofort über diesen Beschluss des Gemeinderats informiert haben.“
So voll war der Spiegelsaal im Ellerbeker Kulturtreff wohl noch nie. Fast 200 Menschen drängelten sich da dicht an dicht, um zu hören, was ihnen Bürgermeister Seebold und der Verwaltungsleitende Beamte des Amtes Pinnau, Ralf Behn, dazu zu sagen hatten. Etliche Leute mussten stehen. Sogar auf der Empore verfolgten Interessierte aufmerksam und stehend das Geschehen, das der örtliche Schiedsmann Norbert Groß recht gut moderierte.
Ellerbek: Alle Fragen der besorgten Anwohner wurden beantwortet
Und dieses Mal waren Politik und Amt gut vorbereitet. Viel besser noch als vor drei Wochen, als der Mann vom Amt Pinnau nicht einmal wusste, wie viele Flüchtlinge denn bereits in Ellerbek untergebracht sind. „Es sind zurzeit 50 Schutzsuchende in Ellerbek“, erklärte nun Amtschef Behn. Wegen seiner Größe müsse Ellerbek etwa ein Drittel der zugewiesenen Flüchtlinge des Amtes aufnehmen. „Wir rechnen damit, dass im nächsten Jahr insgesamt wieder etwa 50 geflüchtete Menschen dem Amt zugeteilt werden, von denen dann etwa 15 nach Ellerbek kommen würden“, sagte er.
Zurzeit würde das Land nur noch diejenigen Geflüchteten aus den zentralen Landesunterkünften nach der Einwohnerzahl auf die Kreise und dann auf die Kommunen verteilen, die eine gute Bleibeperspektive und Anerkennung auf ihren Asylantrages hätten, erklärte Behn. Und das wären die Ukrainer, Syrer, Eriträer, Somalier und Afghanen. Das Land müsse 3,4 Prozent aller nach Deutschland geflüchteten Menschen aufnehmen, der Kreis Pinneberg wiederum 10,7 Prozent der dem Land zugeteilten und das Amt Pinnau 3,4 Prozent der dem Kreis zugewiesenen.
„Leerstehende Immobilien eignen sich besser als Containerdörfer“
Es sei nicht das erste Einfamilienhaus, in dem die Gemeinde Flüchtlinge wohnen lässt, erfuhren die Anwohner. Denn es sei für Ellerbek und auch andere Kommunen kostengünstiger, dafür leer stehende Immobilien wie hier zu kaufen oder zu mieten als Containerdörfer anzuschaffen, erklärt Gemeindevertreter Hinners. Nach der Nutzung, der Mietvertrag mit dem Amt Pinnau ist über drei Jahre abgeschlossen, könnte die Gemeinde das Haus womöglich teurer weiterverkaufen, erläuterte er die Überlegungen des Gemeinderats, die zu dieser Entscheidung führten. Die Container hätten genauso viel Geld gekostet und wären anschließend unbrauchbar. Und auch die Integration der Geflüchteten im Ort würde in einem Wohngebiet bessere Aussicht auf Erfolg haben als wenn die Geflüchteten irgendwo am Ortsrand „auf der grünen Wiese“ leben müssten.
Als ein Zuhörer einwarf, dass es doch ein falsches Signal an diese Menschen wäre, sie in einem schicken Eigenheim unterzubringen, weil dies ihrer Motivation zu arbeiten schaden würde, wurde starker Unmut laut. Auch die Sorgen eines Mannes, der fürchtete, der Preis für seine Immobilie könnte dadurch sinken, fand keine große Zustimmung unter dem zahlreichen Publikum. Stattdessen erntete der Ellerbeker Hans-Jürgen Hetzel großen Applaus, als er davon berichtete, dass er „nur positive Erfahrungen mit Geflüchteten“ gemacht habe, die er und seine Lebensgefährtin bei sich aufgenommen hätten.
Ellerbeker Bürger hat gute Erfahrungen mit aufgenommenen Flüchtlingen gemacht
Drei junge Männer aus Iran, Syrien und der Ukraine seien das seit der ersten großen Flüchtlingswelle 2015 gewesen, sagte er auf Nachfrage des Abendblatts. Sie hätten nacheinander bis zu drei Jahre bei ihnen gelebt und seien nett und hilfsbereit gewesen. „Für uns war es selbstverständlich, Menschen in lebensbedrohlichen Situationen zu helfen – auch wegen unserer deutschen Geschichte heraus“, sagte Hetzel. „Dafür gibt es das Asylrecht.“ Er bedauere, dass sich die Stimmung in Ellerbek „so aufgeheizt hat“.
Aber künftig werde die Gemeinde vorsichtiger und weitsichtiger vorgehen, versprach Gemeindevertreter Hinners. Die Gemeinde habe schnell handeln müssen, weil ihr diese Menschen zugewiesen wurden und sie sonst keine andere Möglichkeit gehabt habe, sie adäquat unterzubringen. „Wir müssen das künftig viel weitreichender planen, um nicht wieder so unter Druck zu geraten“, sagte er. Dieses vom Amt vorgeschlagene und angemietete Gebäude habe sich angeboten, weil es für die zwei Familien, die dort demnächst aufgenommen werden sollen, bis auf eine zweite Küche kaum umgebaut und nicht saniert werden müsste.
CDU-Gemeindevertreter Hinners hält Unterbringung in so kleiner Straße für exotisch
Doch angesichts der großen Aufruhrs im Dorf, den diese Entscheidung erzeugt hat, fügte er nachdenklich hinzu: „Wir müssen frühzeitiger nachdenken und frühzeitiger die Bevölkerung informieren. Und er deutete an, dass dieser Unmut im Dorf ihn zum Umdenken veranlasst habe, sagte Hinners. „Die Unterbringung in einem Einfamilienhaus in einer solchen kleinen Straße halte ich heute eher für exotisch.“
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Finanziell konnte die Gemeinde Ellerbek die Investition von 600.000 Euro für den Ankauf aus dem laufenden Haushalt decken, erklärte Bürgermeister Seebold noch, der den Mietvertrag mit dem Amtschef Behn ausgearbeitet hat. 100.000 Euro Zuschuss erhält die Gemeinde dafür noch vom Land. Und zusätzlich nehme sie Miete vom Amt Pinnau dafür ein, das wiederum mit drei festen Außendienstmitarbeitern regelmäßig Hausbesuche machen und sich um die Sorgen und Nöte der Geflüchteten und ihren künftigen Nachbarn ausgiebig kümmern werde, versprach Amtschef Behn.
So umfassend informiert zu werden, hätten sie es sich schon vorher gewünscht, signalisierten die Anwohner, die mit ihren öffentlich formulierten Sorgen und Bedenken diese Veranstaltung möglich gemacht hatten. Kai Forster, der direkter Nachbar dieser neuen Flüchtlingsunterkunft in Ellerbek sein wird, bedankte sich am Ende ausdrücklich bei der Gemeinde und seinen Mitbürgern für diese endlich offene und transparente Kommunikation. „Das hat uns sehr geholfen. Denn wir wissen, dass Flüchtlinge unseren Schutz brauchen.“