Elmshorn. Amtsrichter nimmt Kieler Idee für eine Zusammenlegung mit Pinneberg auseinander. Welche Fehler er und die Stadt in der Reform sehen.
Bismarckstraße 8 in Elmshorn, Sitz des Amtsgerichts. In Saal 5 sind an diesem Vormittag alle Plätze hinter dem Richtertisch und an dessen Seiten besetzt. Doch heute Mal werden hier keine Zivilrechtsangelegenheiten mit niedrigem Streitwert oder Fälle aus Miet- oder Familienrecht verhandelt. Besondere Fälle erfordern besondere Maßnahmen, hat Harm Behnke befunden.
Der Direktor des Amtsgerichts Elmshorn hat Gerichtskollegen, Mitglieder der Anwaltschaft, Oberbürgermeister Volker Hatje sowie Pressevertreter dazu eingeladen, über das größte Problem für das Amtsgericht in der nahen Zukunft zu sprechen: Die angekündigte Amtsgerichtsstrukturreform könnte das Aus für diesen Gerichtsstandort bedeuten. Ein großer Fehler, meint Harm Behnke.
Amtsgericht Elmshorn: Sparpläne legen den Umzug nach Pinneberg nahe
„Der Grundsatz, den Justizministerin Kerstin von der Decken formuliert hat, nämlich ein Landkreis – ein Amtsgericht, der beunruhigt sehr“, sagt Harm Behnke. Grundlage dieses knapp zusammengefassten Plans der Landesregierung ist die Notwendigkeit, Geld für den klammen Landeshaushalt einzusparen. Dazu soll der Justizapparat auf rund 20 Prozent des bisherigen Etats verzichten. Ein dicker Brocken, den es zu schlucken gilt.
Dabei geht dieses Vorhaben mit einer eigentlich guten Nachricht einher. „Der Justizsektor soll die erforderlichen Einsparungen nicht über Personalkosten, sondern über die Gebäude erzielen“, gibt der Amtsgerichtsdirektor die Pläne aus Kiel wieder. Da bei Gebäuden ein riesiger Instandhaltungsstau herrsche, sei es alternativlos, dass Gebäudekosten deutlich sinken müssen. Der Plan für den Kreis Pinneberg: Das Amtsgericht Elmshorn in einem „Superamtsgericht“ mit den Pinneberger Kollegen aufgehen. Künftiger Sitz: die Stadt Pinneberg.
Zusammenlegung der Amtsgerichte: Für den Standort Pinneberg besteht Entscheidungsdruck
Es ist zwar noch nicht das letzte Wort gesprochen. So sollen 2025 erst einmal zwei Kommissionen gebildet werden, um die konkret zu schließenden Amtsgerichte zu ermitteln. „Doch gerade hier im Kreis Pinneberg stehen wir unter hohem Entscheidungsdruck, da das Pinneberger Amtsgericht zu Teilen schon abgerissen ist und der Rest bald folgen soll“, führt Behnke aus. „Für den Folgebau muss sehr kurzfristig zu Beginn 2025 beschlossen werden, mit welchen Aufnahmemöglichkeiten der Neubau ausfallen soll.“
Hier beginnt das Hauptproblem des Plans der Ministerin. „Nach unserer Einschätzung funktioniert das so nicht“, sagt Harm Behnke bestimmt. „Auf dem vorhandenen Grundstück in der Pinneberger Bahnhofstraße kann ein Gebäude, das die 82 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Elmshorn zusätzlich aufnehmen kann, schon von der Grundstücksgröße her nicht errichtet werden“, ist sich der Elmshorner Amtsgerichtsdirektor sicher. „Außerdem gäbe es dann noch keine der benötigten zusätzlichen Besucher- und Mitarbeiterparkplätze.“
Sparpläne der Justiz: Grundidee aus Kiel würde „sich auch nach 50 Jahren noch nicht rechnen“
Da aber die Justizministerin in einem Statement vom 11. Oktober von teuren Neubauten abgesehen habe, worauf Behnke hinweist, bliebe nur noch die Lösung, einen Investor für einen Neubau zu finden und von diesem zu mieten. Ein teures Vorhaben. Zu teuer? „Der Umbau von normalen Räumen hin zu für Justizbelange geeigneten Sitzungsräumen soll um die 300.000 Euro pro Raum kosten“, sagt Harm Behnke. „Ein solches Projekt würde sich auch nach 50 Jahren noch nicht rechnen.“
Womit der Elmshorner Amtsgerichtsdirektor zu seinem Appell an den gesunden Menschenverstand kommt. „Warum in einer neuen Mietimmobilie für die genannten Kosten fünf neue Säle einrichten lassen, wenn diese hier in Elmshorn schon vorhanden sind“, sagt Behnke und weist auf weitere, unvermeidbare Kosten hin. „Für diese Säle hier sind im Zuge der laufenden Sanierung bereits neue Möbel angefertigt worden, das Land ist zur Bezahlung verpflichtet, selbst bei Stornierung der Bestellung.“
Zusammenlegung der Amtsgerichte würde „zu einer teuren Aufblähung des Verwaltungsapparates führen“
Doch damit nicht genug an Kosten steigernden Faktoren einer Zusammenlegung der Gerichte von Pinneberg und Elmshorn. Es entstünde damit das Amtsgericht für die meisten Einwohner im gesamten Land Schleswig-Holstein. „Dieses neue Gericht würde in den Status eines Präsidialgerichts aufrücken. Es hätte dann eigenen Personalhoheit und eine eigene Verwaltung“, führt Behnke aus. „Dies würde zu einer teuren Aufblähung des Verwaltungsapparates führen: Von Synergieeffekten keine Spur! Und grundsätzlich sei gesagt: Elmshorn als größte Stadt der Westküste braucht ein Amtsgericht.“
- Große Justizreform in Schleswig-Holstein – Kieler Ministerin unter Druck
- Amtsgericht Elmshorn vor dem Aus: Kritiker sind erschüttert
- Land plant Umbau: Kahlschlag in der Justiz - Verliert Elmshorn seine Gerichte?
Doch nicht nur das Geld spielt in die Elmshorner Bedenken hinein. Auch die Qualität der Arbeit ist gefährdet. „Eine Qualität, die landes- und bundesweit beispielhaft ist, andere Gerichte schauen auf uns und wollen von uns lernen“, sagt der Direktor. Bestätigung gibt es von Anwaltsseite. „Hier in Elmshorn wird Tag genau, schnell und in einer Kompetenz reagiert, die wir aus anderen Gerichten im Land so nicht kennen“, bestätigt Claudia Hauck-Delhey, Rechtsanwältin und Notarin.
Arbeit des Amtsgerichts: Anwälte mahnen erhebliche Kostensteigerungen durch Zentralisierung an
Anwaltskollege Niklas Neuendorf führt einen weiteren Faktor an: „Mein Hinweis an die Landesregierung geht in die Richtung, dass die wirtschaftlich und körperlich Schwachen unserer Gesellschaft durch eine Zusammenlegung und damit verbundene Anfahrten stark beeinträchtigt würden“, sagt der Jurist. „Weiß das Justizministerium überhaupt, wie viel Präsenz am Amtsgericht gefragt ist? Allein ich habe im vergangenen Jahr das Gericht für 44 Akteneinsichten aufgesucht.“ Vorgänge, für die der Anwalt selbstverständlich künftig bei einer – gewiss nicht klimaneutralen – Fahrt nach Elmshorn Reisekosten in Rechnung stellen müsste.
Noch viele weitere Argumente aus den Bereichen Arbeitseffizienz, -qualität und -kosteneinsparung sprechen nach Harm Behnkes Ansicht für den Standort in der Bismarckstraße 8, der wohlgemerkt der Stadt gehört, also frei von Mietkosten ist. „So sehr wir die Sparzwänge des Landes verstehen, der Erhalt des Gerichts in der Kreisstadt Elmshorn ist umwelt- und strukturpolitisch geboten“, sagt der Amtsgerichtsdirektor. „Wir wollen weiterhin für die Bürgerinnen und Bürger als zuverlässiger Dienstleister ihr Gericht vor Ort sein.“
Oberbürgermeister sieht die Grundidee der Justizministerin durch Argumente widerlegt
Volle Zustimmung vom Oberbürgermeister Elmshorns: „Alle Argumente widerlegen die Intention der Justizministerin mit ihrer Grundidee ein Landkreis – ein Amtsgericht“, sagt Volker Hatje. „Das mag vielleicht auf dem flachen Land funktionieren, aber hier im Kreis, der größer ist als Kiel oder Lübeck; hier geht das nicht.“
Und das Schlusswort liefert der Direktor des Amtsgerichts Elmshorn, Harm Behnke: „Es gibt keine Regel ohne Ausnahme – und diese Ausnahme müssen Elmshorn und Pinneberg bilden.“