Elmshorn. Opposition und Richterbund verurteilen Zusammenlegungspläne der Landesregierung scharf. Sogar von einem „Handstreich“ ist die Rede.
Eine geplante Reform der Gerichtsstrukturen in Schleswig-Holstein könnte das Aus für das Amtsgericht in Elmshorn bedeuten. Inzwischen wird die Kritik an diesen Plänen immer lauter, zumal sich der verbleibende Amtsgerichtsstandort in Pinneberg aktuell als Ruine präsentiert.
Die Landesregierung will unter anderem die Zahl der Gerichtsstandorte verringern, nur noch ein Amtsgericht pro Kreis zulassen. Das soll Kosten sparen und zur Haushaltskonsolidierung beitragen. „Streichungen und Kürzungen ohne Sinn und Verstand“, nennt die SPD-Landtagsabgeordnete Beate Raudies die Pläne von CDU und Grünen.
Raudies: Pläne der Regierung schwächen den Wirtschaftsstandort Pinneberg
Sollte Elmshorn wie geplant das Amtsgericht und auch das Arbeitsgericht verlieren, würde dies laut der SPD-Abgeordneten „fatale Auswirkungen auf Bürger und Beschäftigte in der Justiz haben“. Zudem würden diese Pläne den Kreis Pinneberg als Wirtschaftsregion schwächen.
Raudies: „Denn gerade hier herrscht eine sehr hohe Unternehmensdichte mit vielen Arbeitnehmern. Es macht keinen Sinn, wenn unser Arbeitsgericht künftig in Neumünster als zentrales Justizzentrum tagt. Auch ist nur ein Amtsgericht in Pinneberg kein Fortschritt im bevölkerungsreichsten Landkreis in Schleswig-Holstein.“
Die SPD-Abgeordnete sieht ebenfalls kritisch, dass die Wege für Kläger und Beklagte, Richter und Mitarbeiter der Gerichte weiter werden. „Da ist nix mehr mit wohnortnahem Rechtsschutz“, betont die Elmshorner Abgeordnete. Durch den Wegfall der beiden Gerichte würde Elmshorn zudem wichtige Infrastruktur und damit auch Kaufkraft verlieren.
Elmshorn: SPD-Abgeordnete hält Kosten für Zusammenlegungen für höher als mögliche Einsparungen
„Die Verlagerung von Gerichten an einen zentralen Ort wird mehr Geld kosten als durch die Standortschließungen gespart wird. An den zusammengelegten Orten werden mehr Sitzungssäle und Büros benötigt. Bei Kosten von etwa 100.000 Euro je Sitzungssaal, 3000 Euro für jeden Quadratmeter Bürofläche dürften die Kosten der Zusammenlegung sehr viel höher sein als Einsparungen erzielt werden können“, so die SPD-Finanzexpertin.
Beate Raudies glaubt: „Die absehbaren Standortschließungen sind ein fiskalisches Eigentor, da wird es berechtigte Proteste geben.“ Was die geplante Schließung des Amtsgerichts in Elmshorn angeht, fragt sich die Abgeordnete, „was denn aus der Amtsgerichtsbauruine in Pinneberg wird“.
Bedarfsplanung für Amtsgerichtsneubau in Pinneberg läuft weiterhin
Diese Frage hat das Abendblatt auch dem Gebäudemanagement Schleswig-Holstein gestellt, das die landeseigenen Immobilien verwaltet. Bekanntlich musste das Amtsgericht Pinneberg im August 2021 Knall auf Fall geräumt werden, weil eine Einsturzgefahr aufgrund von Betonkrebs nicht ausgeschlossen werden konnte. Seitdem arbeiten die Beschäftigten an zwei Standorten in Quickborn und Schenefeld.
Der besonders betroffene Westflügel wurde bereits 2022 abgerissen. Seit Ende April 2024 ist klar, dass auch der Ostflügel wirtschaftlich betrachtet nicht erhalten werden soll. Ein Abriss wird derzeit geplant. Später soll auf dem Grundstück ein kompletter Neubau entstehen.
Dieser dürfte nun größer ausfallen, weil dann möglicherweise auch die Mitarbeiter und die Verfahren aus Elmshorn dort Platz finden müssten. Ob das so kommt? Laut GMSH-Antwort hängt dies „von dem Ergebnis der noch nicht abgeschlossenen Bedarfsplanung ab.“ Da diese Maßnahme noch andauert, sei derzeit auch keine Aussage zu einem Zeitplan für das Neubauprojekt möglich.
Das 1910 errichtete Gebäude des Amtsgerichts Elmshorn an der Bismarckstraße ist keine Mietimmobilie, sondern ein landeseigenes Gebäude. Das bestätigt die Anstalt des öffentlichen Rechts GMSH. Offenbar besteht dort ein erheblicher Sanierungsbedarf. Bereits im Vorjahr war von einer Modernisierung die Rede, die mehrere Millionen Euro kosten sollte. Was aus dem historischen Gebäude nach einem eventuellen Auszug des Amtsgerichts werden würde, ist unklar.
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Auch der Richterbund Schleswig-Holstein hat sich mittlerweile zu der geplanten Gerichtsreform geäußert. „Diese Vorgehensweise lässt uns völlig fassungslos zurück“, erklärte die Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes, Christine Schmehl. Und sie sagt weiter: „Mehrere Hundert Beschäftigte von insgesamt zehn betroffenen Fachgerichten unangekündigt und ohne jeden Dialog quer durchs ganze Land versetzen zu wollen, haben wir bislang in Schleswig-Holstein für unvorstellbar gehalten.“
Der Richterbund wendet sich insbesondere gegen die Zusammenfassung der Sozial- und Arbeitsgerichte an einen zentralen Standort im Land, der noch nicht feststeht. Dabei geht es um die seit Jahrzehnten bestehenden vier Sozialgerichte in Itzehoe, Kiel, Lübeck und Schleswig sowie um die fünf Arbeitsgerichte in Elmshorn, Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster. Diese Schritte sollen bis Ende der Legislaturperiode 2026 vollzogen werden.
Auch der DGB und die Jungen Liberalen machen Front gegen die Justizreform
Laut Richterbund werden auf diese Weise den Bürgern der ortsnahe Zugang zu den wichtigen Sozial- und Arbeitsgerichten genommen. Laut Schmehl ist dies „ein Handstreich, wie er im Buche steht. Wie kann man über die Köpfe aller Betroffenen hinweg einfach so am grünen Tisch derart weitreichende Veränderungen beschließen? Diese Kommunikationsweise erschüttert das Vertrauen aller Justizbeschäftigten nachhaltig und entspricht nicht dem 21. Jahrhundert, sondern der Kaiserzeit.“
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich bereits gegen die Reform der Arbeits- und Sozialgerichte ausgesprochen. Und auch die Jungen Liberalen, die Nachwuchsorganisation der FDP im Land, macht Front gegen die Pläne. Sie fordert das Justizministerium auf, von diesen Plänen abzurücken und stattdessen in den Dialog mit allen Betroffenen zu treten sowie sich auf echte Reformen zu konzentrieren, welche die Justiz stärken, statt sie zu schwächen.